Gastautor/-in, 5. November 2017, 10:00 Uhr

Focus Stacking – ein Blick in die Makro- und Mikrowelt

Das Problem bei der Nahaufnahme ist die schwindende Schärfentiefe: Je mehr man vergrössert, umso kleiner wird sie. Das Freistellen gelingt immer wie besser, die Schärfentiefe wird bei optimaler Auflösung immer geringer und kann bildgestalterisch sogar zum Problem werden.

In der Fotografie haben wir uns an einen, durch die Optik bedingten Schärfeverlauf gewöhnt und bezeichnen diesen für eine Fotografie als natürlich, dies obwohl wir mit dem Auge die Umwelt nicht in dieser Art wahrnehmen. Unser Auge besitzt im Zentrum (Fovea centralis) eng gepackte farbempfindliche Zapfen (hoch aufgelöstes Farbsehen), diese nehmen zum Randsichtgebiet extrem schnell ab und werden durch Stäbchen, die nur helligkeitsempfindlich sind und nicht so dicht vorhanden sind ersetzt. Würde man nach diesem Muster einen Fotosensor herstellen, würde man ihn als sehr mangelhaft bezeichnen.

Auch wenn wir einen ruhenden Gegenstand betrachten, dann sind unsere Augen stetig in Bewegung und unser Hirn konstruiert daraus ein Bild, das nur begrenzt mit dem Eindruck, den uns eine Fotografie vermittelt, übereinstimmt. Den Verlauf zur Unschärfe erleben wir bei der Betrachtung von Auge nicht genau so, wie ihn in einer Fotografie wahrnehmen. Man muss sich bewusst sein, dass dort wo man gerade hinschaut, nur in einem sehr kleinen Sichtwinkel, das Bild farbig und hoch aufgelöst ist.

 

Der Trick: Focus Stacking

Focus Stacking vermittelt uns mit seinem erweiterten Schärfenbereich, lediglich nach Massstab der allgemeinen Fotografie, ein ungewohntes Bild. So wie uns die digitale Fotografie die Möglichkeit bietet, mit Fokus Stacking den Schärfebereich zu erhöhen, gibt sie uns auch die Freiheit, in ein gestacktes Bild mit Bildbearbeitung, einen gewohnten Schärfeverlauf einzufügen.

Betrachtet man von Auge ein Insekt, oder durch das Binokular oder Mikroskop ein noch kleineres Objekt, ist man darauf angewiesen, stetig den Fokus zu verändern, damit wir uns vom Objekt ein Bild machen können. Die Fotografie hält aber nur einen sehr kleinen Moment fest und kann uns deshalb mit der beschränkten Schärfentiefe kein ausreichend informatives Bild eines vergrösserten Objektes vermitteln.

Im Bereich eines Abbildungsmassstabes um 1:1 und der optisch vergrössernden Fotografie, ist für eine hohe Auflösung die Förderliche Blende mit ihrer Schärfe und Schärfentiefe oft ungenügend. Das Augenmerk muss auf die Auflösung gerichtet werden; es ist die Kritische Blende, die eine genügend hohe Auflösung bietet. Diese ergibt aber eine sehr geringe Schärfentiefe. Hier kann Focus Stacking, bei sich nicht bewegenden Objekten, Abhilfe schaffen. Fertigt man mehrere digitale Fotografien mit unterschiedlichem Fokus an, kann man diese mit geeigneter Software zu einem Bild mit durchgehender Schärfe vereinen.

 

Fotomodell: Wanze

Im Wald, auf Feldern und manchmal auch in der Wohnung, findet man Wanzen. Es sind Pflanzensaft saugende Insekten mit sechs Beinen mit einer Körperlänge von etwa zwei Zentimetern. Das folgende Bild zeigt ein Porträt einer Wanzenart.

Die Schärfe befindet sich auf dem Punktauge und ist durch die geringe Schärfentiefe begrenzt. Um scharfe Bilder vom ganzen Wanzenkopf zu erhalten, fertigte ich 210 Aufnahmen mit unterschiedlichem Schärfebereich an, dies durch Veränderung der Distanz zum Objekt, um je 0.02mm. Danach wurden diese 210 Einzelbilder mit Stacking Software zu einem Bild vereint. Nikon D7000, AF Micro Nikkor, 2,8/105mm D am Balgen, Blende 5.6.

Der Schärfebereich bei diesem Bild beträgt 210 x 0.02mm = 4.2mm.

Wanzen legen ihre Eier auf ein Blatt ihrer Wirtspflanze ab. Dies sind die Eier einer Grünen Stinkwanze, drei Tage nach Eiablage. Die Bildbreite beträgt 2.6 mm, der Durchmesser der Eier etwa 1.2 mm. Nikon D7100, Zeiss Luminar 16mm, Abbildungsmassstab 9:1, Stack aus 339 Aufnahmen im Abstand von 0.0035mm.

Am fünften Tag nach der Eiablage sind die Nymphen geschlüpft. Da der Kerl link aussen mit seinem Platz offensichtlich nicht ganz zufrieden und laufend unterwegs war, benötigte es 12 Stacks, bis er mal während des ganzen Stack innehielt. Nikon D7100, AF Micro Nikkor, 2,8/105mm D am Balgen bei 2:1, Blende 5.6. Stack aus 87 Aufnahmen im Abstand von 0.03mm.

 

Dieses Bild ist mit der Nikon D7100, AF Micro Nikkor, 2,8/105mm, im Abbildungsmassstab 1:1 mit Blende 11 fotografiert. Gut erkennt man, dass die Bildauflösung mit Blende 11, etwas zu wünschen übriglässt.

Das ganze Gelege der leeren Eihüllen auf dem inzwischen vertrockneten Blatt. Nikon D7100, AF Micro Nikkor, 2,8/105mm D am Balgen bei 2:1. Stack aus 96 Einzelbilder im Abstand von 0.035mm. Da beim Stacken die Blende 5.6 zur Anwendung kam, ist die Auflösung um einiges höher, wie bei einem Einzelbild mit Blende 11.

 

Die leeren Eihüllen mit Nikon D7100, Zeiss Luminar 25mm mit 6-facher Vergrösserung aufgenommen. Stack aus 273 Aufnahmen im Abstand von 0.0075mm.

 

Bei den Bildern war die Kamera jeweils an einem Reprostand fest montiert. Das Objekt (Wanze oder deren Eier) lagerten auf einem kleinen Objekttisch, der mit einem motorbetriebener Makrofokusschlitten (StackShot) von Cognisys in der Höhe schrittweise verstellbar ist. Um Auflösungsreduktion durch Erschütterung zu vermeiden wurde mit mehreren Yongnuo YN560-III Blitzgeräten, bei gedrosselter Leistung, also verkürzter Blitzabbrennzeit, geblitzt. Als Diffusor verwendete ich ein weisses Papier, durch welches das Licht diffus wurde und somit starke Reflektionen des Chitinpanzers vermieden wurden.

Bilder und Text: Kurt Wirz

 

Kurt Wirz

wurde 1951 in Basel geboren, wuchs in einer natur- und fotointeressierten Familie auf. Er begann mit neun Jahren zu fotografieren und absolvierte eine Ausbildung als Radio- TV Techniker mit Weiterbildung zum Tontechniker für Filmton. Elektrotechnik und Fotografie führten ihn beruflich zu einem Arbeitsplatz an einer Klimsch Zweiraumkamera. Privat fotografierte er mit Rolleiflex und Zenza Bronica und fertigte in eigenen Labor Vergrösserungen an. 1971 wechselte er zum Kleinbildformat, um die Kosten für eine Mikro- und Makrofotografie Ausrüstung in Grenzen zu halten. Nach einer Ausbildung zum Tierpfleger mit Arbeitsstelle in einem Zoo befasste er sich berufsbegleitend mit Makro- und Mikrofotografie. 1997 entdeckte er für sich die digitale Fotografie (Sony Mavica, Sony DSC-F505 und Nikon Coolpix 990) bis er sich 2008 mit einer Nikon D300 mit entsprechendem Nahaufnahmezubehör der Makro- und Mikrofotografie zuwandte. Kurz danach entdeckte er das Focus Stacking mit Helicon Focus, seither wird hauptsächlich im Makro- und Mikrobereich gestackt. Seit 2008 zeigt er seine Bilder auf seiner eigenen Website sowie seit 2009 in Makro- und Mikroforen und in der Fotocommunity. Heute pensioniert widmet er sich vorwiegend dem Focus Stacking in der Mikro- und Makrofotografie.

 

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«Wenn die Schärfentiefe nicht reicht» 17.09.2017, 10:52

Ein Kommentar zu “Focus Stacking – ein Blick in die Makro- und Mikrowelt”

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