Die österreichische Fotografin Gisela Erlacher zeigt uns Bilder gigantischer Brückenbauwerke von eine anderen Seite. Sie konzentriert sich nicht auf die Bauten selbst, sondern auf die Räume darunter, die für viele Menschen zu neuen Lebensräumen werden – mit einem «Himmel aus Beton». Das Buch zeigt uns die unterschiedlichsten Situationen in China, Grossbritannien, den Niederlanden und in Österreich.
Brücken verbinden Menschen. Sie überwinden Schluchten, Tiefen, Täler und Siedlungen. Sie führen auf kürzestem Weg von einem Ort zum anderen und helfen uns Zeit zu gewinnen, indem wir geografische Hindernisse schneller überwinden können – manchmal so schnell, dass wir auf einer Autobahn gar nicht wahrnehmen, dass wir soeben ein gigantisches Bauwerk passiert haben, das vielleicht hundert Meter hoch ist und uns von weitem oder von unten betrachtet viel stärker beeindrucken würde.
Brücken faszinieren. Sie sind das Ergebnis einer perfekten Planung, einer exakten statischen Berechnung und einer aufwändigen und langen Bauzeit. Menschen haben sie von jeher überall auf der Welt gebaut, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen. Drei Hanfseile oder ein einfacher Holzsteg sind wohl die Urform, aus der über die imposanten Steinmonumente römischer Aquädukte heute aus Beton gegossene gigantische Pfeiler und Träger entstanden sind. Mit unendlichen Spannweiten und schwindelerregenden Höhen fügen sie sich in eine Landschaft ein und gestalten diese neu. Sie bieten Platz für neue Lebensräume, der unter ihnen mit trockenen und geschützten Flächen neu genutzt und bewohnt werden kann. Himmel aus Beton …
Gisela Erlacher ist fasziniert von diesen Bauwerken, aber noch mehr von den neu entstandenen Räumen unter den Brücken. Wie sehen diese aus, wie werden sie gestaltet? Wie leben die Menschen und Tiere neben und unter diesen riesigen Betonwerken? Gisela Erlacher zeigt uns mit ihren Bildern eine Welt, an der wir achtlos vorüber oder darüber hinweg gehen, eine Welt, von der wir gar nicht wissen, dass es sie gibt. Sie führt uns nach China, Grossbritannien, den Niederlanden und nach Österreich, um uns die Räume und das Leben unter Brücken in vier verschiedenen Kulturkreisen zu zeigen. Sie zeigen uns, wie durch Brücken neue Räume entstehen, die – besonders in China – aus Raumknappheit optimal genutzt werden und eine noch stärkere Verdichtung ermöglichen. Die Bilder von Gisela Erlacher klagen einerseits an, dass Menschen unter solchen Verhältnissen leben müssen, stimmen anderseits positiv, dass mit diesen Bauwerken neue Räume einer Zweitnutzung zugeführt werden können. Dies gibt dem Betrachter auch Raum für seine persönliche Interpretationen.
Himmel aus Beton. Die Bilder von Gisela Erlacher beeindrucken. Sie zeigen uns phänomenale Bauten, welche die Landschaften, die Strassen- und Städtebilder verändern und sie zeigen uns das Leben darunter, das uns kaum wünschenswert erscheint, das jedoch für andere zum selbstverständlichen Lebensraum geworden ist. Das Licht bewölkter und regnerischer Tage verleiht den Bildern zusätzlich eine trübsinnige, morbide Note, welche den Betrachter in eine nachdenkliche Stimmung versetzt.
Die Ansichten von den grosszügigen, gigantischen Bauwerken, welche über Siedlungen und Behausungen führen und Landschaften verändern vermitteln eine eindeutige Botschaft mit hervorragenden und sehr eindrucksvollen Fotos. Es ist daraus ein Bildband entstanden, der uns eine unbekannte Welt näher bringt und uns die Augen öffnen soll, vermehrt Lebensräume zu beachten, an denen wir meist achtlos vorübergehen oder die wir aus unserer Wahrnehmung verdrängen wollen.
Urs Tillmanns
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Buchbeschreibung des Verlages
Das Interesse der österreichischen Fotografin Gisela Erlacher, die u.a. Kamera in Wien studiert hat, gilt hybriden, improvisierten Situationen im Stadtraum. Vor dem Hintergrund fortschreitender globaler Beschleunigung und Urbanisierung und dem dadurch ansteigenden Druck auf den öffentlichen Raum rücken die verdrängten, «unbewussten» Orte vermehrt in den Fokus. In «Himmel aus Beton» bildet Gisela Erlacher jene Räume und Situationen ab, die durch Überbauung oder Aneignung unter Brückenbauwerken entstehen. In China, Grossbritannien, den Niederlanden und Österreich fotografierte sie jene «Nicht-Orte», die geprägt sind durch das «Darunter» und die daraus erwachsenden, ganz spezifischen und immer wieder verblüffenden räumlichen Konfigurationen und Nutzungen.
Dieses neue Buch zeigt erstmals eine Auswahl der eindrucksvollen, auf mehreren Ebenen lesbaren Fotografien, ergänzt durch Essays von Lilli Lička und Peter Lodermeyer über die Arbeit von Gisela Erlacher und die Räume, die sie in ihren Bildern festhält.
Der Inhalt
Lilli Lička, Landschaftsarchitektin: «Bedeutungsebenen in Gisela Erlachers Fotografien»
Peter Lodermeyer, Kunsthistoriker: «Underneath the Arches. Anmerkungen zu Gisela Erlachers Serie ‚Himmel aus Beton’»
Die Autorin
Gisela Erlacher hat Psychologie an der Universität Klagenfurt studiert und Fotografie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Als freischaffende Fotografin arbeitet sie seit 1992 an Projekten zeitgenössischer Architektur und an Themen des urbanen und suburbanen Raumes. Sie erhielt ein Projektstipendium des BMUKK (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur) und wurde durch verschiedene Einzel- und Gruppenausstellungen bekannt, unter anderem im MMKK Museum Moderner Kunst Kärnten, in der Fotogalerie Wien, der Galerie Fotohof Salzburg, sowie im National Art Museum of China, dem Rezan Has Museum Istanbul und Galerien in Nikosia, Kroatien und Ungarn.
Bibliografie
Gisela Erlacher
«Himmel aus Beton»
112 Seiten, 43 farbige Abbildungen
gebunden, Format 23 x 31 cm
Mit Beiträgen von Lilli Lička und Peter Lodermeyer
Texte: Deutsch und Englisch
Verlag: Scheidegger & Spiess AG, Park Books, Zürich
ISBN 978-3-906027-92-0
Preis: CHF 39.00 │Euro 38.00
Das Buch kann hier online bestellt werden.