Die Marke Novoflex gibt es bereits seit 68 Jahren. 50 Jahre davon hat der bisherige Chef Reinhard Hiesinger erlebt und mitgeprägt, während die von ihm gegründete Novoflex Präzisionstechnik heuer auf ein 20jähriges Bestehen zurückblicken kann. Fotointern.ch nimmt das Doppeljubiläum zum Anlass, die ereignisreiche Geschichte von Novoflex zu beleuchten.
Als im Jahre 1948, dem Jahr der deutschen Währungsreform, das Wirtschaftsbarometer nach den Kriegsjahren wieder etwas nach oben zeigte, gründete der Memminger Fotograf und Fotohändler Karl Müller das Unternehmen Fotogerätebau Karl Müller, das über Jahre mit Schnellschussobjektiven und Balgengeräten Marktführer war. Doch mit dem Siegeszugs der Autofokus-Kameras Ende der 1990er-Jahre war danach plötzlich keine Nachfrage mehr am Markt, so dass die Familie Müller die Aufgabe ihres ihr Unternehmens in Betracht zog. Da übernahm Reinhard Hiesinger, der vor 50 Jahren als Lehrling bei Novoflex begonnen hatte, kurzentschlossen die Namensrechte und Maschinen und gründete die Novoflex Präzisionstechnik GmbH an einem neuen Standort in Memmingen. Hiesinger hatte mit der Schaffung neuer, zeitgemässer Produkte eine glückliche Hand und führte das Unternehmen in einer wirtschaftlich schwierigen und von revolutionären Produkten geprägten Zeit zu Bekanntheit und Erfolg. Jetzt, nach der Photokina 2016, übergibt Reinhard Hiesinger die Unternehmensführung von Novoflex an seinen Sohn Michael Hiesinger.
Novoflex hat die Nachfolgefrage gut gelöst: Reinhard Hiesinger übergibt die Unternehmensführung seinem Sohn Michael
Die Marke Novoflex
Der Name «Novoflex» wurde 1950 als Marke eingetragen. Man begann damals in Memmingen gerade mit der Herstellung von Spiegelkästen für Messsucherkameras wie Leica und Contax und der Lieferung der dazu passenden Objektive. Die Objektivkonstruktionen und Linsensätze für die Novoflex-Objektive bezog Karl Müller damals von Unternehmen wie Schneider-Kreuznach, wo auch heute noch Objektivköpfe für Novoflex produziert werden sowie vom Optischen Werk Dr. Staeble in Altenstadt bei Schongau, das später von Agfa-Gevaert übernommen wurde und heute nicht mehr existiert.
Die Ära der Novoflex Balgengeräte
Im Jahre 1951 begann Karl Müller als Ergänzung zu den Spiegelkästen mit der Entwicklung der ersten Balgengeräte für Nahaufnahmen. Drei Jahre später begann bei Novoflex die Produktion eines Spezialbalgengerätes für den Spiegelkasten zur Contax für die Stuttgarter Firma Zeiss Ikon. Für Hasselblad produzierte man ein Balgengerät für die Mittelformatkameras 1600-F und 1000-F. 1959 folgten Konstruktionen zu den Edixa-Kameras für die Wirgin-Kamerawerke in Wiesbaden und ab 1960 wurden Balgengeräte für die Alpa-Kamera der Schweizer Firma Pignons SA in Ballaigues hergestellt. Nach 1966 produzierte Novoflex ein Balgengerät und das dazu passende Kompendium zur Bolex-Kinokamera der Schweizer Firma Paillard und lieferte auch das dazu passende Objektiv.
Balgengeräte waren für viele Jahrzehnte die wichtigsten Produkte von Novoflex
Mit dem Aufstreben der japanischen Kamerahersteller folgten auch Balgengeräte für japanische SLR-Kameras. Für Minolta Camera in Japan wurde 1967 das erste Balgengerät mit automatischer Blendenbetätigung für die damalige SR-T 101 produziert. 1971 war dieses Modell als vollautomatisches Balgengerät mit Offenblendmessung verfügbar und 1988 folgte dann sogar eine Version für Minolta-AF-Kameras, die auch schon über eine elektrische Datenübertragung verfügte.
Schon 1968 wurden automatische Balgengeräte nicht nur für die verschiedenen Kamerahersteller, sondern unter eigenem Namen mit Anschlüssen für zahlreiche der damals gängigen Kamerasysteme verkauft. Mit dem Auto-Bellows-Noflexar 4/105 mm war ein eigener Objektivkopf verfügbar, der später um eine Version mit 60 mm Brennweite ergänzt wurde. Als letztes Modell der Automatik-Balgengeräte wird bis heute ein Balgengerät für Canon EOS-Kameras unter dem Namen Balcan-AF produziert. Die anderen heute von Novoflex gefertigten Balgengeräte haben keinerlei Daten-Übertragung zwischen Objektiv und Kamera, bieten jedoch im Gegensatz zu den klassischen Novoflex-Balgengeräten zahlreiche Verstellmöglichkeiten.
Das Noflexar 3,5/35 mm war ab 1962 ein Dauerbrenner in der Makrofotografie
Mit dem Noflexar 3,5/35 mm hatte Novoflex ab 1962 zudem ein Makro-Weitwinkelobjektiv mit M42-, Nikon F-, Exakta- sowie dem heute weitgehend vergessenen Zenit-Anschluss im Sortiment. Der Linsensatz des Noflexars war möglicherweise identisch mit dem des Staeble Lineogon mit den gleichen Daten.
Ein neuer Markt: Schnellschuss-Objektive
Eine Spezialität von Novoflex, die insbesondere bei Natur- und Sportfotografen Beachtung fand, waren die Schnellschluss-Objektive. Lange vor der Zeit der automatischen Scharfstellung verfügten diese über einen Pistolengriff, mit dem die Schärfe blitzschnell und sehr exakt eingestellt werden konnte.
Werbeaufnahme von Novoflex für das Schnellschussobjektiv, um 1960
Die Produktion der Schnellschuss-Objektive mit Pistolengriff begann 1955 und gehörte innert Kürze zu den bekanntesten Produkten aus Memmingen. Für die Nutzung der Objektive an den unterschiedlichen Kameraanschlüssen entwickelte Novoflex ein Adaptersystem, das bis heute noch produziert wird und auch an den meisten aktuellen Balgengeräten noch zum Einsatz kommt.
Objektivköpfe mit den Brennweiten 400 und 600 mm zählten zu den häufigsten Varianten für die Schnellschussobjektive. Es gab ab 1982 auch ein Schnellschussobjektiv mit 200 mm Brennweite, die über einen speziellen Konverter auf 300 Millimeter verlängert werden konnte. Zudem konnte der Objektivkopf abgenommen und an einem Balgengerät genutzt werden – geniale Ideen, welche vom Markt begeistert aufgenommen wurden.
Die Novoflex Schnellschuss-Objektive revolutionierten die Natur- und Sportfotografie
Zu den eigenen Objektivköpfen kamen später auch solche, die von Leitz/Leica hergestellt wurden. In den Jahren 1986/87 brachte Novoflex erst ein Schnellschuss-Zoom 60-300mm mit Tamron-Optik auf den Markt und dann ein ebenfalls mit Tamron-Linsen ausgestattetes innenfokusiertes 300mm Schnellschuss-Objektiv mit Lichtstärke 1:2,8. Diese beiden Objektive nutzen als Kameraanschluss nicht mehr die Novoflex-Adapterringe, sondern das Adaptall-System von Tamron und konnten somit die vollen Übertragungsfunktionen dieses System nutzen.
Zu den eher unbekannten Schnellschussobjektiven aus Memmingen zählte ein 4,5/135 Novoflex Xenar mit einem Linsensatz von Schneider-Kreuznach, das statt des Novoflex-typischen Pistolengriffs über einen parallel zum Objektivtubus angeordneten Fokusier-Hebel verfügte.
Schnellschussobjektiv für Mittelformatkameras mit den Objektivköpfen 5,6/240mm und 5,6/500mm
Weitgehend unbekannt sind heute auch die Schnellschuss-Objektive für Mittelformat-Kameras wie Pentacon Six und Rolleiflex SL66, zu denen es die zwei wechselbaren Objektiv-Köpfe 5,6/240 mm und 5,6/500 mm gab. Das Balgengerät für den erweiterten Einsatz im Nahbereich war jedoch nicht wechselbar und so gab es den Mittelformat-Pistolengriff in zwei Varianten: einmal mit und einmal ohne Balgen.
Entwicklungen und Zulieferungen für Rollei, Hasselblad, Leica und Multiblitz
Novoflex war über Jahre Partner namhafter Kamerahersteller und ergänzte deren Sortiment mit Zubehör, das für die Markenfirmen aufgrund zu geringer Stückzahlen nicht rentabel gewesen wäre. Da war der Zukauf nicht nur günstiger, sondern man sparte sich auch die Knowhow- und Entwicklungskosten.
Rollei X-Act entwickelt von Novoflex für dhw-Fototechnik
Für die Rollei-Werke und deren Nachfolgeunternehmen fertigte Novoflex im Laufe der Jahre zahlreiche Balgengeräte für deren Kleinbild- und Mittelformat-Kameras. 1997 entwickelte Novoflex für Rollei ein Shift-Balgengerät für das Mittelformat-Kamerasystem 6000. Auch für Hasselblad produzierte Novoflex Balgengeräte, 1962 auch einen Dachkantprismensucher und 1972 sogar einen Prismensucher mit Belichtungsmesser. Für Leica lieferte Novoflex nicht nur ein Balgengerät für das Leica R-System, sondern die Memminger entwickelten auch einen Shift-Tilt-Adapter für das damals in Solms ansässige Unternehmen.
Novoflex Balgengerät an einer Hasselblad 500C mit Diacopy-Vorsatz
Auch der Blitzgerätehersteller Multiblitz Mannesmann in Köln zeigt Interesse an den Produkten von Novoflex und orderte ein spezielles Balgengerät für die Herstellung von Diakopien, das mit einem Glasfaser-Lichtleiter ausgestattet war, welches der Kontrasteuerung bei der Anfertigung von Diaduplikaten diente.
1996: alles neu!
In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahe zeichnete sich eine Entwicklung in der Kameratechnik ab, die für den auf Schnellschussobjektive und Balgengeräte spezialisierten bayerischen Hersteller wenig verheissungsvoll war. Die neuen Kameras aus Japan, mit Autofokus und speziellen Makro-Objektiven liessen keinen Platz mehr für die Spezialitäten von Novoflex, und so zog die Besitzerfamilie Müller 1996 die Aufgabe des Betriebes in Betracht.
Nicht so Reinhard Hiesinger, der bereits seit 30 Jahren mit dem Unternehmen verwurzelt war und die neuen Produkte aus Japan nicht als Bedrohung sondern als Chance sah. Er gründete gemeinsam mit zwei Partnern die Novoflex Präzisionstechnik GmbH und zog mit dem übernommenen Maschinenpark an einen neuen Standort in Memmingen.
Kugelköpfe, Schnellkupplungen und Stative
Was auch die neuen japanischen Trendsetter-Kameras brauchten, waren Kugelköpfe, Schnellkupplungen, Stative und ähnliches Zubehör. Und genau dies sollte die Ausrichtung der neuen Novoflex werden.
Mit dem Kugelkopf MagicBall machte sich Novoflex 1996 auch als Hersteller von Kugelköpfen erstmals einen Namen. Im Jahre 1999 folgten mit dem Zwei-Wege-Neiger DinO und mit dem Kleinstativ BasicBall die nächsten Schritte in den Bereich der Stativ- und Haltesysteme.
QuadroPod und TrioPod – neue Stativsysteme aus Memmingen
Als Novoflex auf der Photokina 2008 das vierbeinige, modulare Stativsystem QuadroPod einführte, war die Reaktion des Publikums durchaus gemischt. Die Bemerkungen reichten von einer vollständigen Ablehnung des vierten Beins bis zur Bewunderung für den Mut, ein völlig neues Stativsystem auf dem Markt gebracht zu haben. Die modulare Idee des QuadroPod wurde 2013 vom TrioPod übernommen. Als Alternative zu den schon in den 1990er-Jahren entwickelten MiniConnect-Schnellkupplungen folgte 2002 das Schwalbenschwanz-Schnellkupplungssystem Q=Base und im Folgejahr die manuelle Schnellkupplungsvariante Q=Mount.
Die Objektiv-Adapter
Natürlich waren alle Kamerahersteller mit einem breiten Objektivsortiment unterwegs. Doch wer das System wechselte, oder das Objektiv eines anderen Herstellers nutzen wollte, schätze spezielle Adapter, auf welche sich die Memminger Präzisionsschmiede ab 2009 zusätzlich spezialisierte.
Mit dem Objektivadapter-System für die Schnellschussobjektive und die Universal-Balgengeräte sowie den Adaptern für Mittelformat-Objektive an Kleinbild-Kameras hatte Novoflex schon einen Namen als Adapter-Hersteller. Mit dem Aufkommen der spiegellosen Systemkameras begannen die Memminger 2009 mit der Markteinführung von Fremdobjektivadaptern für das MicroFourThirds Kamerasystem. Nur ein Jahr später folgten solche für die spiegellosen Systemkameras Samsung NX und Sony NEX. Der Adapter für die Sony-APS-C-Kameras wurde gleich so konstruiert, dass er problemlos auch mit den Vollformat-Kameras mit Sony-E-Bajonett genutzt werden kann.
Objektivadapter sind ein starkes Standbein von Novoflex. Sie verbinden Systeme und machen die Fotografie flexibler
2012 folgten Objektivadapter für die Systeme Nikon 1 und Pentax Q. Die Königsklasse der Objektivadapter erreichte Novoflex im Jahre 2016, als man mit dem Objektivadapter SL/EOS zur Leica SL nicht nur eine rein mechanische Adaption der Objektive ermöglichte, sondern auch die Datenübertragung zwischen EF-Objektiven für die Canon-EOS-Kameras und der Leica SL ermöglichte.
Aufhören, wenn es am Schönsten ist
Nach 50 Jahren im Unternehmen Novoflex und 20 Jahren als geschäftsführender Gesellschafter der Novoflex Präzisionstechnik hat sich Reinhard Hiesinger am 1. Oktober 2016, nach einer erfolgreichen diesjährigen Photokina, aus der Geschäftsführung des Unternehmens zurückgezogen, steht diesem jedoch auch künftig noch als Berater zur Verfügung. Michael Hiesinger, der 2011 in das Unternehmen eintrat, wird nun als alleiniger Geschäftsführer die Firma leiten und das Sortiment künftig den Trends und Marktbedürfnissen anpassen.
Fotointern hat Novoflex seit über 20 Jahren redaktionell begleitet und wünscht dem Unternehmen sowie Reinhard Hiesinger alles Gute und weiterhin viel Erfolg.
Christoph Jehle
Weitere Infos über Novoflex finden Sie unter www.novoflex.de
Novoflex-Produkte werden in der Schweiz vertrieben durch
Perrot Image SA
CH-2560 Nidau
Tel. 032 332 79 79
An dieses Inserat in einem Fotoheft kann ich mich noch sehr gut Erinnern , als sei es gestern gewesen. //Die Novoflex Schnellschuss-Objektive revolutionierten die Natur- und Sportfotografie //Danke
Das 135/4.5 Novoflex Xenar hat oben vorne ein Fokusrad-oben auch der Schärfebügel. Das geniale ist der Fokus-Begrenzer in Form von zwei Schrauben für den Nah-und Fernpunkt. Ich konnte damit schon einige einzigartige Fussballaufnahmen im Strafraum schiessen. Auch in dieser Optik die typische Novoflex-Hochformat-Schnellverstellung. Und natürlich der Universal-Anschluss. Es gab auch einen Pistolengriff G(Gewinde M42).wohl aus einem alten Schnellschuss-system. Genial für heutige Makro-Schnellschuss-konstruktionen zusammen evtl. mit anderen Ringen, tuben, helicoiden. Das Makro 35er mit vierfach-tubus ist auch ideal in retro-stellung für grösser als 1:1.