Urs Tillmanns, 6. November 2016, 07:00 Uhr

Wenn alte Fotos neu werden …

Auf vielen Dachböden und in Schuhschachteln schlummern alte Fotos, meist aus Familienbeständen, die in Vergessenheit geraten sind und nun plötzlich zum Vorschein kommen. An vielen der Bilder hat der Zahn der Zeit genagt und sie sind in schlechtem Zustand. Was tun? Wir haben die Fotorestauratorin Nadine Reding besucht. Sie weiss professionellen Rat.

 

Ganz so einfach wie unsere Überschrift sei es nicht, meint Nadine Reding. Viele alte Fotos wären ganz einfach verschmutzt, und deren Reinigung – mit dem entsprechenden Fachwissen und der erforderlichen Erfahrung – sei relativ einfach und kostengünstig. Dann gäbe es aber auch heikle Fälle, Schichtablösungen auf Glasplatten beispielsweise, die selbst der geübtesten Fotorestauratorin Kopfzerbrechen bereiten würden und in einigen Fällen ganz einfach nicht mehr zu retten wären. Die Bandbreite dazwischen sei riesig und es sei oft eine Ermessensfrage was sich noch lohne und wo man sich halt mit dem Urzustand zufriedengeben müsse. Wir wollten mehr wissen, haben nachgehakt …

 

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Nadine Reding, Sie betreiben in Bern das Atelier «fokore» (steht für Foto – Konservierung – Restaurierung). Welches ist Ihr Kerngeschäft und wer sind Ihre Kunden?

Es ist ein sehr breites Spektrum, das bei der Beratung in Archivierungsfragen beginnt und bei der Restaurierung von seltenen Fotografien endet. In den meisten Fällen geht es darum, die Fotos mit professionellen Mitteln zu reinigen und den Zustand der Bilder zu erhalten. Bei komplizierten Fällen wird beispielsweise die Schicht einer Glasplatte, die sich gelöst hat und wieder aufgezogen werden soll oder das Entfernen von Oxidationszonen einer angelaufenen Daguerreotypie. Häufig gilt es auch zerbrochene Glasplatten zu reparieren, die wir sauber kleben können. Unsere Kunden sind vorwiegend Institute, Museen und Bildarchive, die uns besonders wertvolle und erhaltenswerte Bilder zur Restaurierung übergeben. Privatpersonen und Sammler bisher eigentlich weniger, weil sie wahrscheinlich nicht wissen, dass man Bilder fachgerecht restaurieren kann oder weil sie die Kosten scheuen. Das ist eigentlich schade, weil in vielen Privatsammlungen Bilder stecken, deren Wiederaufbereitung sich durchaus lohnen würde. Bei den Arbeiten für Archive geht es vielfach um das Erstellen von Bestandesanalysen und Erhaltungskonzepten, da oft Massen an fotografischem Bildmaterial vorhanden sind.

 

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Meist geht es bei der Restaurierung darum Verschmutzungen zu entfernen. Dabei ist die Binokularlupe ein wertvolles Hilfsmittel

Eine Schwierigkeit dürfte sein, die früheren Verfahren der Bilder sicher zu bestimmen, denn es gab ja sehr viele Prozesse, deren Ergebnisse sich doch stark ähneln.

Das ist richtig. Mit dem geübten Auge erkennt man die wichtigsten Verfahren sehr schnell, doch gab es viele Derivate, denn oft haben die Fotografen der Frühzeit eigene Rezepte entwickelt – mehr oder weniger erfolgreich. Man schätzt, dass in der analogen Vergangenheit ungefähr 1500 fotografische Verfahren praktiziert wurden. Gerade in der Kollodiumfotografie, wo die Fotografen ihre Platten selbst giessen mussten, kamen alle möglichen Stoffe zum Einsatz. Oft suchten die Fotografen in der Speisekammer nach geeigneten Substanzen, um die Prozesse zu optimieren. Daher hat man es in der Fotografie wohl auch mit einer Vielfalt von Materialen zu tun; von versilberten Kupferplatten, über Textilien, Papier, Glas bis hin zu Kunststoffen.

 

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Bilder mit Silberspiegel (Aussilberung, Bild links) können sehr gut restauriert werden. Rechts ein restaurierter Gelatineprint

Gibt es einen Schlüssel, wie man frühe Fotoverfahren erkennt?

Wenn man sich intensiv mit der Geschichte der Fotografie befasst und das entsprechende Anschauungsmaterial zur Verfügung hat, dann helfen einem die Übung und die praktische Erfahrung weiter. Die Fotoidentifizierung ist für den Restaurator unerlässlich, abgesehen von der Prozesskunde selbst und den vielen Rezepturen und Arbeitsmethoden, die man beherrschen muss, um die Fotos professionell und nachhaltig restaurieren zu können.

Wie wird man Fotorestauratorin?

Ich absolvierte eine vierjährige Berufslehre als Fotoretuscheurin und schloss diese schweizweit als letzte dieser Art ab. Nach einem Restaurierungspraktikum studierte ich an der Berner Fachhochschule Restaurierung und Konservierung. Während des Studiums nutzte ich die Möglichkeiten, um verschiedenste Praktika bei renommierten Restauratoren bzw. Instituten in Wien und Rochester zu absolvieren und so das Praxiswissen zu vertiefen und zu erweitern. Letzteres, das Georg Eastman House in Rochester, ist das grösste und bedeutendste Museum für Fotografie, welches in ihrer Konservierungsabteilung auch Studienplätze anbietet.

 

nadine_reding-daguerreotypie-750Das Entfernen von Oxidationszonen auf Daguerreotypien ist eine äusserst heikle Arbeit, die viel Fachwissen und Erfahrung bedingt. Hände weg: Bei falschem Vorgehen ist das 170 Jahre alte Unikat rettungslos verloren

Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, sich die erforderlichen Substanzen früher Prozesse noch zu beschaffen. Gibt es diese noch im heutigen Chemikalienmarkt?

Die Chemikalien sind grundsätzlich beschaffbar. Je nach dem müssen Rezepte in historischen Büchern gesucht und original nachgemischt werden.

In den meisten Fällen sind die Bilder, die Ihnen anvertraut werden ja Unikate. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?

Ja, es prickelt schon immer ein bisschen, und man darf nur so viel an einem Bild machen, wie man wirklich verantworten kann und die Restauratorenethik darf dabei nicht verletzt werden. Vor der Bearbeitung wird das zu behandelnde Objekt textlich und fotografisch dokumentiert. Bei der Restaurierung wird am Objekt selbst interveniert, damit die Degradationen soweit rückgängig gemacht werden, dass die fotografischen Materialien in ihrer Lesbarkeit dem originalen Erscheinungsbild entsprechen, und gleichzeitig so viel wie möglich der originalen Substanz erhalten bleibt.

 

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Häufig kommt es bei Glasnegativen zu Schichtablösungen. Sofern keine Partien fehlen ist das Ablösen und neu Aufziehen der Schicht möglich, doch erfordert dieses Vorgehen viel Geduld und Erfahrung

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Links das Bild mit einer abgelösten Schicht, rechts die Restauration

Eine Restaurierung auf Neuzustand ist in vielen Fällen gar nicht mehr möglich, weil sich gewisse Stoffe zersetzt haben und viele Tonwerte ausgebleicht sind. Das hängt auch damit zusammen, dass viele Fotografen flüchtig gearbeitet haben, beispielsweise die Bilder zu wenig gewässert haben, so dass Reste von Fixiernatron zur allmählichen Bildzerstörung geführt haben. Es gibt schon Fälle, die rettungslos verloren sind, aber das sind Ausnahmen. In der Regel kann man sehr viel machen, um mindestens den gegenwärtigen Zustand eines Bildes zu sichern und eine weitere Zersetzung zu stoppen. In besonders heiklen Fällen dokumentieren wir die verschiedenen Arbeitsschritte fotografisch, damit wir jede Phase belegen können.

 

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In vielen Fällen werden die Fotos und Aufziehkartons im Nassverfahren gereinigt

Wir haben bisher immer von Schwarzweissverfahren gesprochen. Inwieweit kann man Farbbilder restaurieren?

Bei der Farbfotografie ist die Technik entscheidend. Autochrome-Bilder kann man sehr gut restaurieren, während spätere Farbfotografien heute meist digital restauriert werden. Am Original selbst kann bezüglich Farbcharakteristik kaum mehr etwas optimiert werden.

Ein zentrales Problem dürfte ja auch die richtige Archivierung der Bilder sein. Was raten Sie  Ihren Kunden?

Die Archivierung ist in der Tat eine wichtige Voraussetzung zur Erhaltung der Bilder, denn eine ungeeignete klimatische und materielle Umgebung kann zu unreparablen Schäden und Zersetzungen führen. Bildarchive und Museen verfügen über entsprechend klimatisierte Räume und kennen die Problematik. Schlimmer ist es im Privatbereich, wo oft sehr kostbare und seltene Bilder klimatisch falsch oder in ungeeigneten Hüllen und Schachteln gelagert werden. Dann ist auch wichtig zu wissen, mit welchen Materialien die Fotos nicht in Berührung kommen sollten, dass beispielsweise nur säurefreie Kartons und speziell archivfeste Bildtaschen verwendet werden sollten. Wir führen regelmässig Kurse zu diesen Themen durch und stellen immer wieder fest, dass viele Sammler die Gefahr der falschen Aufbewahrung nicht kennen.

 

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Die Archivierung ist zur Erhaltung von Fotografien ein zentrales Thema. Nadia Reding hat Archivkartons mit speziellen Fotoecken entwickelt

Gibt es einen Ratschlag, den Sie unseren Lesern noch weitergeben möchten, damit ihre Bilder der Nachwelt erhalten bleiben?

Versuchen sie nicht ihre Bilder mit irgendwelchen Mittelchen selbst zu reinigen. Sie können unter Umständen irreversible Schäden anrichten. Kontaktieren sie dazu Fachleute – fragen kostet ja nichts.

 

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Nach der Restaurierung werden die Daguerreotypien und Ambrotypien wieder luftdicht in ihren Originaletuis verschlossen

Nadine Reding, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Interview und Fotos: Urs Tillmanns

 

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Weitere Informationen zum Fotorestaurierungsatelier von Nadine Reding finden Sie unter www.fokore.ch

 

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