Der Schweizer Fotograf Christian Heeb ist seit über 20 Jahren mit Amerika verwurzelt. In seiner jüngsten Bildserie zeigt er uns das Traumland, so wie er es sieht – mit einer surrealistischen Übertreibung, die immer einen realistischen Kern hat. Die Bilder sind jetzt in Freiburg i.B. zu sehen.
Fotointern.ch: Christian Heeb, zu Ihrer jüngsten Bildserie «American Dreamscapes» ist kürzlich ein Buch erschienen (Fotointern berichtete). Jetzt sind einige der Bilder in Freiburg i.B. und später in der Schweiz zu sehen. Was wollen Sie mit diesen Bildern ausdrücken?
Christian Heeb: Amerika ist ein Land mit einer vielschichtigen Gesellschaftskultur. Man hat gewisse Klischees von den Gebräuchen und Gepflogenheiten in den USA. Doch Amerika sehe ich anders. In den über 20 Jahren, wo ich in Oregon lebe, möchte ich als Fotograf vieles hinterfragen und Dinge so zeigen, wie ich sie empfinde. Das ist eigentlich der Grundsatz zu «American Dreamscapes».
American Dreamscapes «Leigh and Rachel». Zwei meiner Modelle im 1965 Thunderbird von Regula während einer heissen Sommer Nacht in Bend. Amerikanischer geht es nicht. Man verbringt den lauen Abend cruising im Auto.
Wann haben Sie mit diesen Arbeiten begonnen, und was war die Motivation dazu?
Vor rund vier Jahren. Ich suchte neue Wege in der Fotografie. Alles ist schon fotografiert und sehr vieles in meinen über 200 Bildbänden dokumentiert. Fotoreisen und Workshops bleiben zwar mein Bread-and-Butter-Geschäft, aber sie sind auch etwas zur Routine geworden. Da fällt einem nicht nur wenig Neues ein, sondern es fehlt an der Kreativität. So suchte ich neue Motivationen in einem kreativen Thema. Dann kam ein technisches Interesse hinzu: Als Reise- und Landschaftsfotograf hatte ich bis anhin relativ wenig Erfahrung mit dem entfesselten Blitzen. Als ich vor sechs Jahren ein Foto Studio in Bend eröffnete, habe ich ein paar Freunde gefragt ob sie als Models mitspielen würden, um einige Testshots zu machen. Und dabei bin ich auf den Geschmack gekommen, in einer Szene eine Situation zu zeigen, welche das amerikanische Way-of-Life darstellt – realisisch, aber mit einem gewissen Touch zum Surrealismus. Und so hat die Idee plötzlich Wurzeln geschlagen …
American Dreamscapes «In the kitchen». Der Mann im Bild kam gerade aus Afghanistan zurück und seine Frau ist eine Stripperin im lokalen Club. Ich fotografierte die beiden an einem Winterabend in der Küche mit mehreren Blitzgeräten.
Was wollen Sie zeigen? Die Realität oder eine Persiflage?
Wie die meisten Geschichten haben auch meine Fantasien einen wahren Kern. Etwas im Bild stimmt, und vieles ist dazu interpretiert, bis es jene Botschaft zum Ausdruck bringt, die ich vermitteln möchte. Es sind die unendlichen Gegensätze der amerikanischen Gesellschaft, die mir immer wieder neuen Stoff liefern auf einer Gratwanderung zwischen Realität und Surrealismus. Das macht die Sache spannend, und ich überlasse die endgültige Interpretation der Bilder gerne meinen Betrachtern …
Auffallend in den Bildern sind die emotionslosen Gesichtsausdrücke der abgebildeten Personen. Gewollt?
Absolut! Die Personen sind auf den Bildern nur Staffage. Sie sind Teil einer Inszenierung und sind entweder mit sich selbst beschäftigt oder steigern die Bildwirkung mit einem absolut leeren Gesichtsausdruck.
American Dreamscapes «Rita and the gun». Das Bild ist bereits ein Klassiker. Ich hatte Rita angesprochen als Sie bei einem Modes Shoot fürs Styling zuständig war. Ich fand Sie interessanter als das Model. Im Hintergrund ist mein Freund der Western Autor Rick Steber und eine Freundin. Den Trailer fand ich zufällig am Rande der Stadt Redmond.
Wo sind diese Bilder entstanden, und wie finden Sie die Models?
Das ist relativ einfach: Die meisten Bilder sind unweit unseres Wohnortes entstanden. Man kennt mich dort, und die Leute lassen sich sehr gerne von mir fotografieren. Das gilt auch für die Requisiten, wo mir viele Freunde bei der Beschaffung der passenden Objekte behilflich sind.
Was ist echt und was ist Photoshop?
Es ist eigentlich alles echt. Da und dort musste ich vielleicht eine Person austauschen, weil sie auf einem anderen Bild besser war, oder ich habe mal noch nachträglich mein Auto hinzugefügt, weil es in Amerika eigentlich untypisch wäre ein Haus ohne ein Auto davor oder daneben zu zeigen. Aber sonst ist an den Bildern sehr wenig verändert.
American Dreamscapes «The Mercury». Der Vater eines meiner Modelle fragte mich ob ich nicht seinen Mercury fotografieren möchte. Inspiration war ein Bild des Malers Edward Hopper. Die Yoga Pose sah ich in Queens, New York in einem Park und liess die für das Bild stellen. Die Frau im Hintergrund ist ein Distill-Meisterin für Whisky in Oregon und das Haus hatte ich für eine Maklerin fotografiert und kannte nun die Besitzer.
Und die prachtvollen Abendstimmungen?
Wie schon gesagt sind viele Bilder in meiner Nachbarschaft entstanden. Da kann ich die Lichtsituation genau beurteilen und zeitlich abschätzen, wann das Licht am besten und wann der Sonnenuntergang zu erwarten ist. Das ist alles recht gut kalkulierbar.
Vieles ist ja inszeniert, mit den Leuten, deren passenden Kleider und Requisiten …
Ja, das ist wahrscheinlich der grösste Aufwand. Man muss sich fast drehbuchartig aufschreiben was wo dazu gehört, man muss die Objekte suchen, sei es bei Freunden und Bekannten oder im Internet. Und dann muss alles genau nach Drehbuch arrangiert werden. Da ist mir Regula eine grosse Hilfe, die für diese Details viel Gefühl und das perfekte Adlerauge hat.
American Dreamscapes «Catrina». Eigentlich eine Mexican Dreamscape, aber da die Kultur von Mexiko stark im Südwesten der USA verwurzelt ist, passt es rein. Fotografiert habe ich das hinter meinem Haus auf der Baja Halbinsel bei El Sargento. Die Catrina habe ich engagiert. Sie trat in La Paz bei den Feierlichkeiten zum Tag der Toten auf. Beleuchtet wurde mit drei Nikon SB 800 Blitzen.
Das grossformatige Buch hat ja schon verblüfft. Jetzt können die Bilder noch bis 25. Februar in der Galerie Glaswerk in Freiburg im Breisgau unweit der Schweizergrenze als grossformatige Acryldrucke bestaunt werden. Was sagen Sie zu dieser Präsentation?
Es ist eine überwältigende Qualität. Es gibt ja zwei verschiedene Arten von Prints: Die einen sind mehrschichtige Farbdrucke auf Glas, die anderen mit fast gleicher Technik jedoch mit LEDs hinterleuchtet. Damit kommen die selbstleuchtenden Farbbilder verblüffend zur Geltung. Wir haben bei uns in Oregon schon eine kleine Ausstellung mit üblichen Farbdrucken auf Acryl gezeigt, aber was hier präsentiert wird, ist in Sachen Printqualität eine ganz andere Liga.
American Nightscapes «The blessed Sky». Darian eine junge Bekannte in Bend spielt die Rolle der Versuchung im Eingang dieser obstrusen Freikirche. Der dramatische Himmel passte perfekt an diesem Tag, und von der Technik her war dieses Bild sehr einfach.
Jetzt sind die Dreamscapes Bilder in Europa angekommen, kommen sie auch in die Schweiz?
Ja, ich freue mich darauf diese an der Photo Münsingen zeigen zu können, und danach werden sie ab 2. Juni auch in der Galerie Josef Geier in St. Gallen zu sehen sein.
Aber damit ist das Thema «American Dreamscapes» für Sie sicher noch nicht abgeschlossen …
Nein, ich habe noch viele Ideen zur amerikanischen Gesellschaft, die ich in derartigen Bildern darstellen möchte. Bis jetzt habe ich etwa 400 realisiert, und viele sind noch in Planung. Kommt hinzu, dass man in den Vereinigten Staaten mit grösseren Veränderungen rechnen muss – wobei sich dieses Thema auch in anderen Ländern weiter bearbeiten lässt, zum Beispiel in Mexiko, wo wir ein Haus haben, oder in Kanada, das sehr ähnliche Besonderheiten und Skurilitäten aufweist wie die USA. Mal sehen, was Trump noch alles mit uns vorhat …
Regula und Christian Heeb in der Glaswerkstatt Freiburg. Sie sind von der Qualität der hinterleuchteten Glasdrucke begeistert
Gibt es ein weiteres Buch?
Sicher. Wahrscheinlich ein populäreres in einem kleineren Format. Aber wann dieses herauskommt, steht noch in den Sternen …
Das Interview führte Urs Tillmanns
Die Bilder «American Dreamscapes» können noch bis 25. Februar 2017 in der Freiburger Glaswerkstatt, Rotteckring 14, DE-79098 Freiburg, Tel. 0049 761 59 00 51 15 besichtigt werden. Dort kann auch der in limitierter Auflage erschienene Bildband «Dreamscape» (siehe Besprechung auf Fotointern.ch) zum Preis von EUR 129,00 erworben werden.
Mehr Infos zum Projekt «American Dreamscapes» gibt es auf der Webseite www.christianheeb.com