Urs Tillmanns, 16. August 2017, 16:30 Uhr

Canon EOS 6D Mark II am Teufelsberg im Test

Canon hat kürzlich einige Journalisten nach Berlin eingeladen, um dort die neue Canon EOS 6D Mark II in der Praxis zu testen. Dies gibt uns die Möglichkeit für ein erstes Fazit zu diesem Einsteigermodell in die Vollformat-Fotografie. Wichtigster Unterschied zum Vorgängermodell: Das in drei Richtungen klappbare Touchdisplay und ein neuer Sensor.

 

Bei jeder neuen Kamera beurteilt man naheliegenderweise zuerst einmal die äussere Form, die Ergonomie und Erreichbarkeit der Bedienelemente und das Aussehen der Kamera. Canon hat diesbezüglich bei ihren Spiegelreflexkameras eine sehr konsequente Linie, und so unterscheidet sich die neue EOS 6D Mark II äusserlich kaum von ihrem Vorgängermodell. Im Wesentlichen betreffen die Weiterentwicklungen den Sensor und den Bildprozessor.

 

Das neue TFT-LCD Display ist das deutlichste Unterscheidungsmerkmal der neuen 6D Modells, das mit mehr als einer Million Bildpunkten eine deutlich bessere Auflösung leistet als bisher. Es ist übrigens ein Touchscreen, mit dem nicht nur die Menüpunkte angewählt werden können, sondern auch den Autofokusbereich im Live-View-Betrieb. Die anderen Neuerungen betreffen die Technik, die gegenüber dem Vorgängermodell beachtlich aufgebohrt wurde.

 

Die Test-Location in Berlin: Auf dem Teufelsberg stehen die Überreste einer amerikanischen Abhörstation aus der Zeit des kalten Krieges. Hier eine Übersichtsaufnahme, aufgenommen mit der EOS 6D Mk II und dem Canon EF 4.0/11-24mm L USM Weitwinkelzoom. 

Das Gelände bietet eine Vielzahl von Motiven mit faszinierender Graphiti. 

Rund 100 Meter ist der Teufelsberg hoch und bietet eine fantastische Aussicht auf die Stadt Berlin. Im Bild zu sehen ist eine der leeren Radarkuppeln.

Dass der Autofokus schneller und effizienter geworden ist, merkt man sofort. Kaum eine Situation, in der man sich nicht auf die automatische Scharfeinstellung mit den 45 Kreuzsensoren verlassen kann, die das Bildfeld grossflächig abdecken oder selektiv angewählt und verschoben werden können. Die Technik des «Dual Pixel CMOS AF» ist ein Erbstück aus früheren Canon-Modellen und findet heute selbst in preisgünstigen Modellen, wie die EOS 700D oder der M5 Einzug. Sie dürfte auch bei künftigen Canon-Modellen die Autofokusgeschwindigkeit bestimmen.

 

Modelshooting mit der EOS 6D MkII in einer leeren Radarkuppel und mit einer mobilen Blitzanlage von Hensel. Modell: Laura Eileen, Agentur: Splendide Models Berlin, Location: Teufelsberg

Neu ist der Sensor mit 26 Megapixel, gegenüber 20 Mpx beim Vorgängermodell. Dieser bringt einen verbesserten Dynamikumfang, was auch dem neuen Bildprozessor Digic 7 (gegenüber Digic 5+ bei der 6D) zuzuschreiben ist, sowie ein erstaunlich gutes Rauschverhalten bei hohen Empfindlichkeiten. Unser Test zeigt, dass bei ISO 6400 sehr gute Bildresultate vorliegen, bis ISO 25’600 sind sie gut brauchbar und erst ab ISO 40’000 muss mit Kompromissen gerechnet werden.

Die EOS 6D MKII kommt auch mit hohen Empfindlichkeiten bestens klar. 

Dabei leistet die Rauschunterdrückung bei JPEG Erstaunliches, wie dieses Beispiel beim höchsten ISO-Wert von 102’400 zeigt.

Mehr Leistung auch was die Serienbildfrequenz anbelangt: Die Mark II bringt 6,5 Bilder pro Sekunde mit dem optischen Sucher auf die Speicherkarte, zwei Bilder mehr als das Vorgängermodell, und ist damit für Sport- und schnelle Bewegungsbilder durchaus tauglich.

Um die Bilder direkt auf ein Smartphone, ein Tablet oder einen Drucker zu übertragen, ist die 6D Mark II mit WiFi und (neu) auch mit Bluetooth versehen. Gerade in der anvisierten Zielgruppe von anspruchsvollen Amateurfotografen, die einen starken Kontakt über soziale Medien pflegen, entspricht dies einem echten Kundenbedürfnis. Damit ist die 6D in den neuen Version wieder voll auf dem Stand moderner Technik.

Anders bei Video. Hier muss sich die 6D Mark II den Kritikpunkt gefallen lassen, dass die 4K-Technologie fehlt und sich die Videografen mit 1080p Full-HD begnügen müssen. Auch ein Kopfhörerstecker fehlt, was das Produkt nur im Cent-Bereich verteuert hätte. Weshalb die 6D II diesbezüglich nicht auf Vordermann gebracht wurde, ist kaum erklärbar. Wahrscheinlich geht Canon davon aus, dass diese Zielgruppe sich kaum mit höchsten Ansprüchen mit Videos auseinandersetzt und auch kaum die Gerätschaften besitzt, um 4K zu bearbeiten und zu betrachten. Im Movie-Modus verfügt die 6D MkII über einen 5achsigen elektronische Bildstabilisator – leider steht dieser für Fotos nicht zur Verfügung.

Als Kleinbild-Vollformatkamera steht die Canon EOS 6D Mark II mit der DSLR Nikon D750 und der spiegellosen Sony a7 II in einem harten Konkurrenzumfeld, in welchem sie im Wesentlichen nur durch das in drei Richtungen bewegliche Touch-Display wirklich Pluspunkte holt, in allen anderen Belangen dürfte sie mit ihren Mitbewerbern etwa gleichrangig mitziehen. Sie ist mit dem Gehäusepreis von CHF 2079.00 ein interessantes Einstiegsmodell in die Vollformat-Fotografie.

Text und Bilder Urs Tillmanns

 

Markus Zitt: Eindrücke vom Hands-on der 6D Mark II

Bei einem Hands-on in den Gebäuden des Teufelsberg konnte ich die neue 6D Mark II mit Kleinbild-Vollformatsensor (und auch die ausgesprochen kompakte EOS 200D mit APS-C-grossem Bildsensor) ausprobieren. Der Teufelsberg gehört zu den bekanntesten «Lost Places» von Berlin. Die verlassenen, halbverfallen Gebäude mit den markanten Radarkuppeln sind aussen wie innen voller Graffiti-Kunst und bieten sich einerseits als Fotosujet und andererseits als Photo Location bzw. Hintergrund für ein Shooting an. Für die 6D Mark II ist dies ein interessantes Spielfeld, bei dem ihr Vollformatsensor in Verbindung mit den Weitwinkelobjektiven die Graffiti-Kunst in den weiten leeren Hallen sowie in den engen, dunklen Treppenhäusern einfangen kann. In letzteren konnte die 6D Mk II auch ihre Low-Light-Fähigkeiten dank modernem Vollformatsensor unter Beweis stellen. Um die Vorteil des grossen Sensors im kreativen Spiel mit der geringer Schärfentiefe zu nutzen, hat Canon zudem ein Modell für Modeporträts aufgeboten.

Von der 6D zur 6D Mark II: Das im Herbst 2012 vorgestellte Vorgängermodell Canon EOS 6D bildete bei seiner Einführung die günstige Alternative zu der ein halbes zuvor eingeführten EOS 5D Mark III. Die 6D sollte Hobbyfotografen den Einstieg in die Welt der damals gehypten Vollformatfotografie ermöglichen und für Canon wohl neue Käuferschichten erschliessen.
Die 6D konnte man damals als abgespeckte 5D Mark III betrachten, insbesondere was Funktionsumfang und Gehäusemasse anbelangt. Der geringere Funktionsumfang der 6D wurde vorallem beim Autofokus und seinen Einstell-/Konfigurationsmöglichkeiten deutlich. Dafür konnte die 6D mit integriertem GPS und integriertem WLAN aufwarten und damit zu jener Zeit alle teureren DSLRs im Canon-Stall übertrumpfen. Mit ihren geringen Massen und GPS war und ist sie die 6D die ideale Vollformat-DSLR für Reisen. (Dies war auch der Grund für mich eine 6D als Reisekamera sowie als Reservekamera zur 5D III anzuschaffen.)

Gegenüberstellung auf dem Boden einer Teufelsberg-Halle: Links eine alte 6D (hier mit einem Lamor-Schutzglas und GPS-Erineerungsetikette) und rechts die neue 6D Mark II. Die Tasten auf der Rückseite sind nahezu gleich – einige leicht verschoben – platziert. Die Daumenstütze an der Mark II ist stärker ausgearbeitet.

 

Vieles von dem Gesagten gilt auch für die neue 6D Mark II, die auf der 6D aufbaut und ebenso im DSLR-Sortiment von Canon positioniert ist. Allerdings verfügen inzwischen auch viele der über der 6D Mk II positionierten DSLR-Modelle über integriertes GPS und die meisten über internes Wi-Fi/WLAN. Das GPS kann nicht nur Fotos mit den Aufnahmekoordinaten verschlagworten, sondern auch in definierbaren Intervallen eine Route protokollieren  (GPS Logging). Wenn GPS nicht gebraucht wird, wird es vorzugsweise deaktiviert, da es sonst den Akku leert. Mit integriertem GPS sowie mit ihren für eine Vollformat-DSLRs relativ geringen Gehäuseabmessungen sind die 6D-Modelle ideale Reisekameras.

Die neue, kürzlich vorgestellte 6D Mk II hat Canon nach fünf Jahren moderat modernisiert und funktionell auf den aktuellen Stand gebracht und so z.B. das Wi-Fi/WLAN mit Bluetooth ergänzt. Nur die Aktualisierung der Videofunktion hat Canon vergessen, denn 4K gibt es nur als Zeitraffer-Videooutput bei Intervallaufnahmen und nicht als Videoaufnahme.

Das Gehäuse, die Tasten und ihre Anordnung sind bei der Mark II gegenüber der ersten 6D nahezu unverändert, vom leicht vergrösserten Griff abgesehen. Es bleibt weiterhin bei einem einfachen SD-Kartenslot, während anspruchsvollere Systemkameras heutzutage in der Regel zwei Slots aufweisen. Ein integrierter Blitz fehlt auch bei der 6D Mark II wie schon bei der 6D, was bei einer Einsteigerkamera ein kleiner Mangel darstellt, denn Einsteiger schleppen ungern einen Aufsteckblitz mit. (Ich schätze interne zum Aufhellen am Tage.) Die höhere Auflösung der 6D Mk II von 26 Mpx gegenüber 20 Mpx ist schön, aber von geringem Vorteil. Die schnellere Serenbildfunktion kann dagegen je nach bevorzugten Fotosujets Vorteile bringen. Allerdings sind für Actionsujets 6.5 fps heutzutage nicht gerade bestechend. Für Alltagsmotive – wie eine dynamische Porträtserie – ist das höhere Tempo sicherlich vorteilhaft.

Das ganz grosse Plus der 6D Mk II ist der neue Monitor, der sich seitlich ausschwenken und drehen lässt (Selfie-tauglich für Selfie-Fans und Blogger) und somit Aufnahmen über Hindernisse und Menschenmassen hinweg und auch aus tiefer Aufnahmeposition (praktisch bei Kinderfotos) erlaubt. Dass es sich um einen Touchscreen handelt, macht ihn gerade im Live-View- oder Video-Modus wirklich nützlich, kann man darauf mit  einem Fingertipp den Fokuspunkt bestimmen. Das ist gerade beim Spiel mit geringer Schärfentiefe hilfreich.

Der Autofokus ist verglichen mit der alten 6D  schneller und zuverlässiger – merklich bei wenig Licht, was man besonders dann empfindet, wenn man nach dem Hands-on wieder zur alten 6D wechselt. Ich persönlich vermisse bei der 6D Mark II, wie schon der 6D, einen Joystick zur AF-Steuerung, wie man ihn bei der 5D seit der Mark III nutzen kann. So ein Joystick ist einfach ideal zur manuellen Wahl des AF-Punktes. (Nur die AF-Punkt-Augensteuerung einiger früherer analoger SLRs von Canon ist noch schneller und komfortabler.)

 

 

 

 

 

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