Urs Tillmanns, 25. November 2018, 14:21 Uhr

Aus alten Protokollen: SBF vor hundert Jahren (Teil 1)

Sie haben eine lange Irrfahrt hinter sich, die fünf Protokollbücher von 1898 bis 1940. Die kostbaren Zeitzeugen der Schweizer Berufsfotografen, ein Verband, der in den mehr als 120 Jahren mehrfach seinen Namen wechselte, wurden immer wieder von einem sicheren Ort zu einem «noch sichereren» umgelagert, bis sie schliesslich im März letzten Jahres im Staatsarchiv des Kantons Bern ihr Endlager fanden (Fotointern berichtete). 

Die Protokollbücher des Berufsfotografen-Verbandes im Berner Staatsarchiv zeichnen die Geschichte des Verbandes von 1898 bis 1940 lückenlos auf

Für Yannick Andrea, Präsident des Verbands «Schweizer Berufsfotografen und Fotodesigner» (SBF), ist der heutige Standort die Sicherheit, dass diese aufschlussreichen Zeitzeugen der Verbandsgeschichte auch späteren Generationen für weitere Nachforschungen erhalten bleiben. Von Neugier gepackt hat er diese seltenen Analen durchforsch und nach besonders interessanten Stellen abgesucht. Ein allerdings nicht ganz einfaches Unterfangen, denn die verschiedenen Protokollführer hatten unterschiedliche Handschriften, die nicht immer so einfach zu entziffern waren.

Hier einige Protokollstellen aus den Jahren 1917 und 1918, vor rund einem Jahrhundert also, als der Erste Weltkrieg die wirtschaftliche Situation der Fotografen auf eine harte Probe stellte.

 

Preisanpassungen

Am 21. Februar 1916 begann, mitten im Ersten Weltkrieg, die Schlacht um Verdun, und im Sommer 1916 starteten die Alliierten drei grosse Offensiven. Das grosse Völkerringen an den Grenzen hatte zur Folge, dass der Photographische Verein an der Jahresversammlung auf die Einladung der Damen (Ehefrauen der Photographen) an der Jahresversammlung verzichten musste (bisher zwei Tage: einer für die Geschäfte – die Versammlung – und einer für die Geselligkeit), da die drückenden Umstände das Leben unruhiger und kostspieliger gestalteten. Photographische Apparate wurden etwas teurer (10 bis 20%), Schutztaschen (Fototaschen) um bis zu 150%, ebenso die Chemikalien für Vergrösserungen und Entwicklung (Unterschwefligsaures Natron bis zu 257% mehr). Es wurde eine Erhöhung der photographischen Preise beschlossen.

Um generell die Interessen des Verbandes verfolgen (verfechten) zu können, wurde der Jahresbeitrag neu auf CHF 15.00 festgesetzt. Im Vergleich: Der Verband der Hut- und Mützenfabrikanten bezahlte CHF 50.00, der Verband der Bisquits- und Zuckerfabrikanten CHF 30.00 als Jahresbeitrag. Ein Buchdrucker verdiente damals im Jahr CHF 2’500.-, ein Kondukteur CHF 1’600.- und eine gute Milchkuh hatte einen Wert von ca. CHF 4’000.- Auf die heutige Zeit umgerechnet (ohne Teuerung) würde der Jahresbeitrag bei einem mittleren Einkommen etwa CHF 450.– betragen. Somit hat sich der Jahresbeitrag im Verhältnis zu anderen Berufsverbänden in den letzten 100 Jahren nicht wesentlich verändert.

 

Schweizerische Photographen Zeitung

Das Fachorgan des Schweizerischen Photographen Vereins war in die «Schweizerische Photographen Zeitung», welche 1899 gegründet wurde, integriert, was nicht überall, wegen der zum Teil unliebsamen Inserate (Konkurrenz), gern gesehen wurde. «Die Photographie», eine sehr schön ausgestattete Zeitung, umwarb den Verein ebenfalls und legte dar, um auf der Höhe der Zeit zu sein, müsste das Fachorgan etwelche Änderungen und Umgestaltungen erleiden.

Ferner würden pro Ausgabe zwei Bilder aufgenommen, die die Mitglieder des Vereins zu liefern hätten, ebenso die Aufnahme von französischen Artikeln, da es sie so für die französischen Kollegen lesenswerter mache. Da der Verein nun 17 Jahre mit der «Zeitung» zusammenarbeite, entschied sich die Versammlung neben den Kosten (die «Zeitung» stand mit einem Abonnementspreis von CHF 3.– der «Illustrierten» mit CHF 8.– gegenüber), es mit der «Zeitung» noch ein Jahr zu probieren. Es wurde beschlossen, dass das Fachorgan überhaupt gelesen werde, ein Ausbau vorzunehmen sei: Durch die Vergrösserung der Redaktion konnten neue Mitarbeiter gewonnen werden: Herr Prof. Barbieri von der ETH Zürich für einen technischen Teil, Herr Suter Basel für die Besprechung von optischen Fragen und für Rechtsangelegenheiten ein Rechtsanwalt in Lausanne.

 

 

Ausstellung «Berufs Photographie»

Der Präsident E. Chiffelle verglich die Zeit der Schweizer Landesausstellung 1914 in Bern mit jener von 1896 in Genf und bemerkte: «so darf man konstatieren, dass wir einen bedeutenden Schritt vorwärts gemacht haben; man hat Mühe, dieselben Autoren der Arbeiten von damals und heute wieder zu erkennen. Das ist der Beweis, dass man besser arbeiten müsse». Mit Hilfe der Wissenschaft, die täglich neue Hilfsmittel auf den Arbeitstisch lege, könne man die «Schablone» verlassen und mit seinen Werken zeigen, sei es ein Gegenstand, eine Landschaft oder ein Porträt, «dass es Leben besitzt». Der Sekretär C. Koch bemerkte, dass noch einige Tage nach der Eröffnung der Landesausstellung viele Kollegen in der Ausstellung anzutreffen gewesen wären. Generell wurde in der Hauptstadt viel über die Landesausstellung gesprochen, im Speziellen auch von der Photographie. In der Abrechnung und Kritik in den folgenden Jahren wurde bemängelt, dass die Ausstellung eher mager und teuer war. Mit geschickten Unterhandlungen gelang es den Verantwortlichen, viele Preisreduktionen auszuhandeln. Die bereinigte Rechnung wies ein Gewinn von CHF 697.– aus. Davon wurden fast zwei Drittel an den «Fonds zur Unterstützung für heimkehrende militärpflichtige Schweizerbürger» überwiesen. 97 Fr. 75 Cts. wurden in die Vereinskasse überwiesen.

 

Delegiertenversammlungen

Seit über hundert Jahren hält unter wechselndem Namen der Verband seine Delegiertenversammlung jeweils spätestens im Juni ab. Der Jahresbeitrag betrug dazumal CHF 15.–, Neumitglieder mussten eine Aufnahmegebühr von CHF 5.– entrichten.

Interessant ist, dass an der DV nur die Delegierten stimmberechtigt waren, nicht aber die üblichen Vorstandsmitglieder oder die Präsidenten. Die Sektionen durften pro 10 Mitglieder und einen Bruchteil dessen als Delegierte an die DV entsenden. Der Verband zählte 1916 bereits 175 Mitglieder. Schreiben war (und ist) nicht immer Sache der Photographen – so hatte der Vorstand die Befugnis, Sekretariatsarbeit auch an Nicht-Mitglieder zu übertragen.

Die DV beschloss, CHF 100.– als einmalige Unterstützung an die neu gegründete Zweigsektion Bern (neu formierter «Photographen-Verein Bern») zu überweisen, nicht aber ohne den Hinweis des Kassiers, dass «dringend Ausweis, was mit dem Geld geleistet wird, da sehr oft Sektionsmitglieder nicht Mitglied des Schweiz. Photographen-Vereins seien» erbracht werden müsse. Diskutiert wurde ebenso die monatlichen (!) Ausstellungen unter den Mitgliedern und die Durchführung eines Meisterkurses im Monate September, was allgemein sehr begrüsst wurde. Statuarisch war festgelegt, dass der Verband – er fungierte dazumal als Sektion des Schweizer Gewerbeverbandes – einen Hilfsfonds unterhielt, welcher «zur Wahrung von beruflichen Interessen /…/ und Unterstützung von Mitgliedern, die unverschuldet Unglück erfuhren», diente. Eines aus heutiger Sicht erhabenes Ansinnen, bedenkt man die Zeit, als Europa das erste Male im Kriege versank und noch keine Sozialversicherungen wie heute bekannt waren.

 

Vorstandssitzung in Basel

Anlass zu besonderen Diskussionen gab die «unloyale Konkurrenz». Präsident der gleichnamigen Kommission, Herr Kling-Jenny, referiert, dass «Massnahmen betreffend den Missständen im Hausiererwesen mit Vergrösserungen» getroffen werden müssten. Es seien diesbezüglich immer noch Klagen von Vereinskollegen zu vernehmen. Man bittet alle um Unterstützung hierzu. Ein Schreiben an die Kantonsregierungen sei versendet worden, mit dem Hinweis, dass das schwindelhafte Geschäftsgebaren gewisser Schundfabrikanten nicht tragbar sei. Nach reichlicher Diskussion wird folgendes angeordnet: «Die Kommission für illoyale Konkurrenz wird beim Eidg. Justizdepartement Schritte einleiten & einen Erlass zu erwirken suchen, der das Hausieren mit Vergrösserungen in der Schweiz gänzlich verbietet.» Es fällt auf, dass für viele Angelegenheiten eine eigene Kommission waltete. So. z.B. auch bei einer internationalen Kollektivausstellung, der «Burga Leipzig 1914», welche die Teilnehmer aus der Schweiz koordinierte und als «Schweizerischen Zentralstelle für Ausstellungswesen» in Zürich bezeichnet wurde.

 

Statutenrevision

Am 7. Februar 1917 wurde Herr Gewerbesekretär Krebs, welcher das Büro im Bürgerhaus in Bern (Versammlungsort) hatte, in die Vorstandssitzung gerufen, um einen Statutenentwurf auszuarbeiten: Infolge der Gründung verschiedener Berufsverbände (Lokale Sektionen) musste der «Schw. Phot. Verein» in einen «Verband schweiz. Photographenverein» als Zentralverband geändert und zusammengeführt werden. Aufgrund der 1912 geänderten Gesetzgebung des Bundes musste die Gesellschaft auf die Form des Vereins verzichten und sich als Genossenschaft im Handelsregister eintragen.

Die Sektion Genf, welcher viele Händler angehörten, war nicht begeistert. Die Waadtländer wünschten eine Reduktion des Mitgliederbeitrages und die Zürcher empfanden die Sache als etwas breit und weitgreifend. Letztere sind zu verstehen, da eine Geschäftsleitung, Spezialkommissionen, ein ständiges Sekretariat und nicht zuletzt die Delegiertenversammlung neu geschaffen wurden. Der Jahresmitgliederbeitrag wurde auf Fr. 12.– vorgeschlagen (zum Vergleich: Eine Mitgliedschaft beim Verband schweiz. Dachpappenfabrikanten kostete Fr. 50.–, der Liter Milch kostet 24 Rp., ein Monatslohn lag bei ca. Fr. 120.–) mit der Begründung, dass «wenn wir unser Platz im immer schwieriger werdenden Existenzkampf behalten wollen, müssen wir die nötigen Opfer bringen. Nur mit angemessenen, finanziellen Mitteln wird unser Verein den vielen Aufgaben, die ihm obliegen, gerecht werden können.» An der Generalversammlung vom 12. Juni 1917 musste die lange Diskussion um dieses Traktandum (Statutenrevision) auf nach dem Essen verschoben werden, da einige Punkte Anlass für grosse Uneinigkeit gaben. Die Revision wurde nach etlichen Anpassungen angenommen und der Mitgliederbeitrag auf Fr. 15.– festgesetzt. Herr Kling führte neu den nach sieben Jahren abtretenden Präsident Chiffelle Schweizerischen Photographen Verband.

 

Texte: © SBF Yannick Andrea, Präsident SBF
Die Anzeigen aus der damaligen Zeit stammen aus einer Privatsammlung.

Informationen über den Verband «Schweizer Berufsfotografen und Fotodesigner» (SBF) finden Sie unter www.sbf.ch

Der 2. Teil dieser Ausführungen wird am Sonntag, 2. Dezember 2018 als Top Story auf Fotointern publiziert.

 

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