Urs Tillmanns, 3. August 2019, 10:26 Uhr

Buchtipp: Fred Jaeger «Persil und Petticoat – Köln von 1949 bis 1959»

Das Buch «Persil und Petticoat» dokumentiert eine Zeit des Aufbruchs und des Neubeginns der Stadt Köln nach dem Zweiten Weltkrieg. Köln war eine der am meisten bomardierten Städte Deutschlands, wobei nicht nur die die Stadt umgebenden Industrieanlagen Ziel der Alliierten waren, sondern auch ein prachtvolle und pulsierende Altstadt. Für das «Wirtschaftswunder», der Wiederaufbau der Stadt in kürzester Frist, ist Köln ein erstklassiges Beispiel. Nicht nur die Schuttberge machten schnell Neuem im alten Stil Platz, sondern die schwer geprüfte Bevölkerung fand rasch auch wieder zu normalem Leben zurück. Man hatte wieder Arbeit, man konnte wieder einkaufen, man amüsierte sich und auch mit dem berühmten Kölner Karneval fanden die Menschen das Lachen wieder.

In diese Zeit des Aufbaus und der Normalisierung fällt die wichtigste Schaffensperiode des Kölner Fotografen Fred Jaeger. Der frühere Frontfotograf konzentrierte sich auf eine positive Welt, auf Menschen, die ein neues Lebensgefühl wiedergefunden hatten und vorwärts in die Zukunft schauten. Seine Fotos widerspiegeln ein aufblühendes Leben in einer weitgehend noch zerstörten Stadt, den Drang der Menschen neu zu beginnen und das Leben wieder in vollen Zügen zu geniessen. Fred Jaeger hat dieses frivole Leben ebenso dokumentiert, wie Szenen des Alltags, das Leben auf der Strasse und die Welt der Arbeit. Er hat es dabei verstanden, die Trümmer der Stadt – mit Ausnahme einiger Luftaufnahmen – auszublenden und damit den Krieg in die Vergangenheit zu rücken.

Der Titel «Persil und Petticoat» ist treffend für die Fünfzigerjahre. Das Waschmittel einerseits, mit dem man die Vergangenheit reinwaschen wollte, die Petticoats anderseits, die den Spass des Lebens und die neue Freiheit symbolisieren. Man trifft sie immer wieder in den Bildern von Fred Jaeger, denn die gesellschaftlichen Anlässe, von einfachen Tanzpartys über vornehme Bälle bis hin zu Misswahlen, waren nicht nur seine beliebte Motive, sondern wahrscheinlich auch eine einträgliche Aktivitäten des Fotografen.

Das Buch ist in vier grosse Kapitel unterteilt: Alltag, Vergnügen, Karneval und Sport. Eine wohl sehr geschickt gewählte Unterteilung, welche den wichtigsten Schaffensbereichen von Fred Jaeger entspricht. Seine Fähigkeit war, die Situationen blitzschnell zu erfassen und einmalige Momente, oft kuriose Szenen, im Bild festzuhalten. Mit der Bildauswahl von Eva Neubert und Britta Schmitz ist so ein Buch entstanden, das nicht nur das Lebenswerk von Fred Jaeger unvergänglich macht, sondern charakteristisch ist für die damalige Zeit des Wiederaufbaus und der wiedergewonnen Lust am Leben.

Urs Tillmanns

 

Die Buchbeschreibung des Verlages

Fred Jaeger (1918–1999) lebte und arbeitete als freier Bildreporter in Köln. Vor allem in den 1950er Jahren fotografierte er bei gesellschaftlichen Anlässen und bedeutenden Ereignissen in seiner Heimatstadt. Er dokumentierte Kinopremieren und den Katholikentag, Modeschauen und Sportveranstaltungen, lichtete zahlreiche Prominente ab und fing das Treiben auf der Strasse ein. Er hielt herrliche Szenen im Karneval ebenso fest wie die Atmosphäre in den Kellerbars. Aus einem Hubschrauber gelangen ihm spektakuläre Ansichten des Doms. Eva Neubert und Britta Schmitz sichteten für diesen Bildband das rund 85’000 Negative, Vintages und Kontakte umfassende Archiv des Fotografen. Ihre Auswahl bietet hinreissende Einblicke in Alltag, Stimmung und Zeitgeist dieser Ära: entfesselte Feste und ausgelassene Bälle, schicke Mode und auf Hochglanz polierte Autos, Filmbegeisterung und Kaufinteresse. Die Bilder erzählen von der wieder erblühten Lebenslust der Kölner und ihrer Sehnsucht nach Abwechslung: Ein Jahrzehnt Köln erwacht zum Leben.

 

Der Inhalt

Vorwort: Und die Trümmer sieht man nicht

Alltag: Ein spannendes Jahrzehnt zwischen Aufbruch und Aufschwung, Wiederaufbau und Wohlstandsglauben.

Der Individualverkehr nahm zu, und der Ruf nach einer autogerechten Stadt behinderte zunächst den Ausbau des öffentlichen Verkehrs

Der Rhein: Lebensader und Wirtschaftsachse, mächtig und bedrohlich, besungen und romantisiert

Von der Schlager- und Tanzmusik zu Rock ’n‘ Roll zu Rockability; Die Musik erlebte eine Revolution

Die Messe gewann ihre Bedeutung als Handels- und Ausstellungsplatz nach dem Krieg schnell zurück

Vergnügen: Die Kriegsjahre hatten jegliche Zerstreuung zunichte gemacht. In Sachen Anüsement bestand Nachholbedarf, der sich Bahn brach …

Ähnlich wie im Tabu fanden auch im Capri Darstellungen der unterschiedlichsten Art statt: Hauptsache, man amüsierte sich …

In der NS-Zeit verboten, erfreuten sich Miss-Wahlen nach dem Krieg rasch wieder grossen Zuspruchs …

Der Williamsbau wurde zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens

Karneval: «Mir sin widder do und dunn wat me künne.»

Zum ersten Mal nach dem Krieg wurde der Karneval am 11.11.1949 um 11 Uhr 11 wieder am Ostermannenbrunnen eröffnet

Sport: Der Sportpark Müngersdorf war einst die grösste deutsche Sportanlage. Nach dem Krieg konnte sie rasch wieder bespielt werden.

Vita: Das Leben geniessen (Fred Jaegger – zum 100. Geburtstag des Fotografen

 

Die Autoren

Fred Jaeger wurde am 27. November 1918 in Köln geboren. Seine Laufbahn als Fotoreporter begann er im Zweiten Weltkrieg an der Westfront in Holland. 1949 kehrte er in seine Heimatstadt zurück und verdiente fortan seinen Lebensunterhalt als freier Fotograf. Seine Bilder erschienen in den großen Magazinen wie »Hör zu« und »Neue Illustrierte« sowie in der lokalen Presse. Ab Mitte der 70er Jahre arbeitete er als Kameramann beim WDR. Er verstarb 1999.

Eva Neubert-Prinzenberg arbeitete als Diplom-Geologin und Dozentin an einer berufsvorbereitenden Schule. Sie verwaltet das Schwarzweiss-Archiv von Fred Jaeger.

Britta Schmitz studierte Volkskunde und Romanistik, arbeitet in der Pressestelle im Emons Verlag und als Fotografin. Seit 2010 erscheint ihr Köln-Kalender im Hochformat. Ihre Fotografien illustrieren den Bildband «Kölner Lieblingsorte», den zweibändigen Bestseller «111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss», den Führer «Melaten. Gräber erzählen Stadtgeschichte» sowie weitere Verlagspublikationen.

 

Bibliografie

Fred Jaeger, Eva Neubert, Britta Schmitz
Persil und Petticoat – Köln von 1949 bis 1959

240 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Format 28,5 x 31 cm, 2018
240 Fotografien von Fred Jaeger
Mit einem Vorwort von Volker Kutscher
Verlag Emons, Köln 
ISBN 978-3-7408-0464-0
Preis: CHF 34.90 / EUR 35,00

Das Buch kann im Buchhandel gekauft, beim Verlag direkt oder  im Ausland hier bestellt werden.

 

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