Urs Tillmanns, 27. Oktober 2019, 10:00 Uhr

Mit dem Laowa 100mm Ultra Macro 2:1 noch näher ran

Schon die Bezeichnung des Objektivs «Laowa 100mm f/2.8 2x Ultra Macro APO» lässt aufhorchen: Ein Vollformatobjektiv mit 100mm Brennweite und Lichtstärke 1:2,8 für Makroaufnahmen bis zweifache Vergrösserung und apochromatischer Korrektion, hat im Markt eine unbestrittene Alleinstellung. Kommt hinzu, dass das Objektiv nicht nur im extremen Nahbereich seine Stärken hat, sondern auch auf Unendlich brauchbar ist und somit auch für Landschaften, Strassenbilder oder Porträts interessant ist. Bei all diesen fotografischen Möglichkeiten ist für mich der Nahbereich die interessanteste – dafür ist das Objektiv ja auch konstruiert.

 

Das Laowa 2,8/100mm 2x Ultra Macro APO ist ein Makroobjektiv, das sich von Unendlich über den Abbildungsmassstab 1:1 hinaus bei zur zweifachen Vergrösserung einsetzen lässt. Damit ist es im Markt einzigartig und mit seiner apochromatischen Korrektion für Nahaufnahmen aller Arten einsetzbar.

 

Die Verwendung des Objektivs für Aufnahmen in natürlicher Grösse (links) und im Masstab 2:1 (rechts) erschliesst eine faszinierende Makrowelt

Das im Mai dieses Jahres vorgestellte Objektiv (Fotointern berichtete) macht mit seiner währschaften Metallkonstruktion einen sehr wertigen Eindruck und ist mit Canon EF-, Nikon F- oder Sony E-Anschluss zum Richtpreis von 598.00 Franken erhältlich. Bei der Canon-Version ist eine Blenden- und EXIF-Datenübertragung vorhanden, während bei der Nikon- und Sony-Variante die Blende manuell eingestellt werden muss. Das Objektiv besteht aus einem massiven Metalltubus, verfügt über eine manuelle Innenfokussierung und kommt mit einem aufgeschraubten UV-Filter daher. Die optische Konstruktion der drei Versionen ist identisch, bis auf die Anzahl der Blendenlamellen: Das Objektiv für Canon hat deren 9, dasjenige für Nikon 7 und die Sony-Variante 13 – letztere sollte damit theoretisch das schönste Bokeh ergeben.

 

Aufnahmen 1:1 und mehr …

Mit der Möglichkeit Objekte in natürlich Grösse und bis zu zweifacher Vergrösserung zu fotografieren, erschliesst man sich eine faszinierende Makrowelt. Auf der Webseite des Herstellers Venus Optics finden Sie fantastische Bildbeispiele entsprechender Aufnahmen von Kleintieren und biologischen Objekten zu finden. Bei solchen extremen Nahaufnahmen liegt die Schärfentiefe im Millimeterbereich (siehe Bildbeispiel unten) und verlangt nach einer ungewohnten Arbeitsweise: man wählt den Abbildungsmassstab am Objektiv vor und stellt die Schärfe durch Verändern der Entfernung der Kamera zum Objekt ein. Ein Makroeinstellschlitten, wie es diese beispielsweise von Novoflex gibt, ist dabei ein nützliches Hilfsmittel – Autofokus hingegen ein Fremdwort. Die auffallende Schärfentiefeskala des Objektivs macht nur im Normalbereich Sinn – im Nahbereich ist sie bedeutungslos, ja sogar «verwirrend».

 

Die Schärfentiefe beträgt bei 1:1-Aufnahmen wenige Millimeter, wie diese Bildbeispiele mit einer Blendenreihe zeigen. Die gelbe Linie im Bild unten links zeigt die Lage der Schärfenebene an, das Bild rechts davon ist ein Extremausschnitt.

Ich habe mir das Objektiv jedoch nicht angeschafft, um damit auf Käferjagd zu gehen, sondern um Reproduktionen von planen Vorlagen zu machen, vor allem, um damit speditiv alte Diapositive und Negative zu digitalisieren. Bei solchen planen Vorlagen spielt die geringe Schärfentiefe kaum eine Rolle.

 

Eine Miniatur-Ferrotypie (ca 1860), 20 x 25 Millimeter gross, links 1:1 und rechts 2:1 fotografiert. Man erkennt jedes Detail …

 

Für Sammler ist eine Makro-Einrichtung nützlich, um die geliebten Kostbarkeiten zu dokumentieren. Das Laowa-Objektiv lässt bei dieser 1:1-Aufnahme jede Papierfaser erkennen

 

Das Objektiv lässt sich auch im Normalbereich verwenden und ist dann ein lichtstarkes 100er (Aufnahme ungeschärft)

 

Dias und Negative zu Hauf …

Falls Sie schon im analogen Zeitalter fotografiert haben, dürften auch Sie zu jenen Fotoliebhabern gehören, die noch schachtel- und magazinweise alte Dias und Negative horten. Zwar kräht kein Hahn mehr danach, aber trennen möchte man sich auch nicht davon. Schliesslich haben einem viele dieser Bilder einmal fasziniert, es sind Erinnerungen an einmalige Erlebnisse, und auch nach heutiger Sichtweise hat es Spitzenbilder dabei, die man am liebsten in digitaler Form in die Neuzeit retten möchte.

Wahrscheinlich reichen sämtliche Regensonntage mehrerer Jahre nicht aus, um einen solchen Bilderberg, der sich im Laufe der Jahrzehnte angesammelt hatte, mit einem Scanner zu digitalisieren. Scannzeit und Nachbearbeitung dauern viel zu lange, die Qualität ist nicht mit allen Flachbettscannern gleich gut, und das ganze Handling mit einem Scanner ist zu umständlich. Natürlich gibt es auch Spezialscanner für solche Aufgaben, zum Beispiel von Reflecta, doch schien mir die Reproduktion der Dia und Negative mit dem Laowa-Makroobjektiv im Massstab 1:1 oder gar mit Ausschnittvergrösserungen bis 2:1 auf einer Leuchtplatte die elegantere Methode zu sein.

Die ersten Tests bei der 1:1-Reproduktion von Dias waren verblüffend, wobei hinzugesagt werden muss, dass ich sämtliche Bilder nachträglich geschärft habe, um die Kantendefinition zu verbessern. Dazu gibt es verschiedenen Methoden. Ich bediene mich in der Regel der «Unscharf-Maskierung». Das Ergebnis sind kornscharfe Digitaldaten, die dem Originaldia oder -negativ exakt entsprechen.

Nun musste eine Einrichtung her, um den Bilderberg von Dias und Negativstreifen speditiv abbauen zu können, und diese fand ich bei Kaiser:

Zweckdienlich, und auch für andere Senkrechtaufnahmen nützlich, ist das Kaiser Reprostativ RS 2 CP, das aus einem reflexfreien, mattgrauen Grundbrett mit aufgedrucktem Feinraster und einer 60 cm hohen Führungssäule mit höhenverstellbarem Kameraarm mit Handkurbel besteht. Praktisch: Die Säule lässt sich einklappen, so dass das Gerät in einem mitgelieferten Transportkoffer Platz findet und so auch ausser Haus eingesetzt werden kann. Das Reprostativ ist für durchschnittliche DSLR- oder Systemkameras konzipiert, doch gibt es für grössere Kameras im Kaiser-Sortiment auch schwere, allerdings dann nicht mehr unbedingt transportable Reprostative.

Die zweite Zubehöreinheit ist das Kaiser FilmCopy Vario Kit bestehend aus der FilmCopy Vario (2457) Halterung und der Leuchtplatte Slimlite Plano (2453). Der FilmCopy Vario ist eine solide Haltevorrichtung zum Digitalisieren von Kleinbilddias in Rahmen 5 x 5 cm. Die mitgelieferten Führungsleisten mit der Formatmaske 36 x 24 mm sind für Kleinbild-Filmstreifen (Dias oder Negative) nützlich. Die Halterung kann für Formate bis 6 x 9 cm genutzt werden. Mit dabei ist die Kaiser Slimlite Plano mit einer Leuchtfläche von 22 x 16 cm und einer Tageslicht-Qualität von CRI=95 bei 5500K, die sich natürlich auch für andere Zwecke verwenden lässt. Um bei der Auflage der kleineren FilmCopy Vario Halterung Streulicht zu vermeiden, ist wird eine entsprechende Auflagematte mitgeliefert, die rutschfest ist und das Zerkratzen der Leuchtfläche verhindert.

Zwar ist diese Einrichtung mit rund 620 Franken nicht ganz billig, und möglicherweise gibt es auch kostengünstigere Improvisationen. Wichtig dabei ist die Lichtqualität der Leuchtplatte, die stufenlose und exakte Höhenverstellung der Kamera (um bei vorgewähltem Abbildungsmassstabe die Schärfe einzustellen) und eine feste Halterung, welche ein speditives Austauschen der Dias gewährleistet ohne dabei zu verrutschen.

 

Ein Kodachrome 25 Dia von 1988. Die Kantenschärfe etwas verbessert zeigt das Bild jedes Detail

 

Das Dia von 1988 weckt Erinnerungen an New York, als die Zwillingstürme noch standen. Von einem solchen Bild möchte man sich nicht trennen

Die Arbeitsweise mit dem Kaiser FilmCopy Vario Kit lässt ein zügiges Arbeiten zu. Die Dias fallen wie von selbst in die Halterung und lassen sich nach dem Auslösen schnell gegen das nächste Bild austauschen. Um etwelchen Staub zu entfernen benutze ich ein Mikrofasertuch. Etwas behutsamer muss man mit Filmstreifen umgehen – sie sind vorsichtiger anzufassen, und man muss aufpassen, dass man diese nicht zerkratzt.

Bei der speditiven Arbeitsweise verschiebe ich die Nachbearbeitung der Bilddateien auf später, sprich das Schärfen, das Wegpixeln von Staub und anderen Verunreinigungen sowie alle Farb- und Kontrastkorrekturen. Ich schenke mir diesen Aufwand zunächst und bearbeite dann bedarfsweise nur jene Bilder, die mir wirklich wichtig sind, und für die ich dann unmittelbar Verwendung habe.

 

Reproduktion eines Farbnegativs des Kodak-Stands an der PMA-Messe 1994. In ein Positiv gewandelt, Farbe und Kontrast korrigiert und nachgeschärft ist jedes Detail zu erkennen

Übrigens lassen sich auch Schwarzweiss- und Farbnegative vorzüglich reproduzieren und danach gleich in Positive umwandeln. Die Bilder der Farbnegative sehen als Positiv je nach Fabrikat aufgrund der orangeroten Farbmaske recht komisch aus, doch lässt sich die Farbe und der fehlende Kontrast bei der Nachbearbeitung sehr einfach korrigieren.

Das Digitalisieren der «alten Bekannten» mit dieser speditiven Arbeitsweise macht echt Spass. Man muss allerdings dazusagen, dass wir im Digitalzeitalter bezüglich Auflösung und Schärfe verwöhnt sind, und dass wir heute Mühe haben, uns an die damalige Zeit, als schon 400-ISO-Bilder «körnig» wirkten, noch zu erinnern. Das Laowa-Makroobjektiv und die 1:1-Reproduktion bringt diese Tatsache schonungslos an den Tag.

Text und Bilder Urs Tillmanns

 

Das Objektiv wurde uns für diesen Test von Photovision Zumstein zur Verfügung gestellt, wo es CHF 598.00 mit Canon EF-, Nikon F- oder Sony E-Anschluss kostet.

Das Kaiser Reprostativ RS 2 CP  und das das Kaiser FilmCopy Vario Kit  gibt es im Fachhandel oder bei GraphicArt.

Die Makro-Einstellschlitten von Novoflex werden von Perrot-Image SA vertrieben.

Weitere Infos zum Laowa 2,8/100mm 2x Ultra Macro APO finden Sie auf der Webseite von Venuslens.

 

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