Urs Tillmanns, 22. März 2020, 11:15 Uhr

Wer stellt noch Filme her?

Knapp 20 Jahre nach dem Beginn der «digitalen Transformation» existieren nach wie vor – beziehungsweise bereits wieder – 18 Unternehmen, die Filme und/oder Fotopapiere herstellen.

In den zurückliegenden zwei Jahrzehnten hatte sich die Filmindustrie der grössten Herausforderung ihrer Geschichte zu stellen: Dem Paradigmenwechsel vom Film als primärem fotografischen Aufnahmemedium hin zum Digital Imaging als primärem Aufnahmemedium. Es fand ein fundamentaler Strukturwandel statt.

Aufgrund des sehr starken Nachfragerückgangs nach Fotofilm hatten mehrere Unternehmen beschlossen, ihre Filmproduktionswerke zu schliessen. So trennte sich Agfa zunächst von seiner Consumer-Filmproduktion in Leverkusen (Ausgliederung als AgfaPhoto). AgfaPhoto stellte dann jedoch nur kurze Zeit später die Fotofilm- und Papierproduktion im Werk in Leverkusen ein. Konica (Japan) stellte seine Filmproduktion im gleichen Zeitraum komplett ein. Einige Jahre später folgten Forte (Ungarn), Ferrania (Italien), Fotokemika (Kroatien) und Ilford Imaging (Schweiz).

Die beiden grössten Filmhersteller Kodak und Fujifilm schlossen ihre internationalen Werke und konzentrierten ihre Filmproduktion an ihren jeweiligen Stammsitzen. Trotz dieser massiven Konsolidierung haben allerdings nicht nur die meisten Filmhersteller diesen historischen Paradigmenwechsel inzwischen erfolgreich bewältigt, sondern es sind sogar einige neue Unternehmen entstanden und antizyklisch aktiv geworden, wie z.B. InovisCoat, Adox und Film Ferrania. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über alle aktuell tätigen Film- und Fotopapierhersteller gegeben. Die Auflistung erfolgt in alphabetischer Reihenfolge:

 

1  Adox (Deutschland)


Das von Mirko Böddecker 1992 gegründete und auf den Vertrieb klassischer Fotomaterialien spezialisierte Unternehmen Fotoimpex sah sich zu Beginn des Digitalbooms mit dem Wegfall von Produkten und Herstellern beziehungsweise Lieferanten konfrontiert. Man entschloss sich, diese Ausfälle nach Möglichkeit Schritt für Schritt durch eigene Herstellung zu ersetzen. Der traditionsreiche alte Markenname Adox wurde erworben, und die Adox Fotowerke als Tochterunternehmen von Fotoimpex gegründet. Es wurden Maschinen und Anlagen gekauft: Vielfach von Herstellern, die sich aus dem Markt zurückgezogen hatten, wie z.B. von AgfaPhoto (Leverkusen), Konica, Forte und Ilford Imaging. Teilweise wurde auch bereits recht früh in komplett neue Maschinen investiert, wie beispielsweise in Maschinen zur Planfilm- und Papierkonfektionierung. Ausserdem wurden Know-how, Rezepturen, Markennamen eingekauft und neue Mitarbeiter eingestellt, die vorher bei den anderen Herstellern beschäftigt waren. Die jüngsten zentralen Erweiterungsschritte bildeten der Erwerb von Produktionsanlagen von Ilford Imaging (Schweiz) (Fotointern berichtete) sowie die Verdoppelung der Produktionsfläche durch den Neubau einer zusätzlichen Werkshalle am Stammsitz in Bad Saarow. www.adox.de, www.adox.ch

 

2  Agfa (Belgien)

Agfa hatte im belgischen Werk in Mortsel (früheres Gevaert Werk) ununterbrochen Filme für vorwiegend industrielle Anwendungen produziert. Derzeit produziert Agfa dort primär Röntgen filme, SW-Luftbildfilme, Mikrofilme (als OEM Produzent für Dritte), PCB-Filme und Filmträgermaterialien. Einige dieser Filmtypen – insbesondere aus dem Bereich Luftbildfilme – werden von Handelsunternehmen gekauft und unter deren Handelsmarkennamen den Fotografen angeboten. www.agfa.com

 

3  Carestream (USA)
Carestream ist die Ausgründung der früheren Kodak Healthcare Sparte. Sie sind einer der grössten Produzenten von Röntgenfilm und auch als OEM-Produzent für Silberhalogenid-Fotopapier tätig, das auf die Entwicklung im Prozess RA-4 ausgelegt ist. www.carestream.com

 

 

4  Film Ferrania (Italien)

Nachdem bei Ferrania im Zeitraum von 2009 bis 2011 die Produktion auslief, hatten sich 2013 nach einer Besichtigung der Werksanlagen zwei italienische Unternehmer (N. Baldini und M. Pagni) dazu entschieden, das ehemalige Forschungs- und Entwicklungszentrum mit der dort befindlichen kleinen Pilot-Beschichtungsmaschine für einen Neustart der Produktion unter dem Namen Film Ferrania zu nutzen (siehe Bericht in PhotoKlassik 1.2014). Über eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne wurde das nötige Kapital beschafft, um alle notwendigen Maschinen zu erwerben. Nach zahlreichen grossen Rückschlägen läuft jetzt ganz langsam die Produktion des Film Ferrania Schwarzweissfilms P30 an. www.filmferrania.it

 

5  FilmoTec (Deutschland)

FilmoTec in Wolfen wurde 1998 von ehemaligen ORWO-Mitarbeitern gegründet. Das Produktprogramm umfasst Negativ-Kamerafilme, Positiv-Kopierfilme, Duplikat-Positivfilme, Duplikat-Negativfilme, Ton-Negativfilm sowie Leader-Filme, Überwachungsfilme, Holografiefilme und Spezialfilme. Laut Aussage des Geschäftsführers in einem Interview mit dem «Handelsblatt» stellt FilmoTec die Emulsionen selbst her, lässt sie dann jedoch bei einem Partnerunternehmen beschichten (zum Zeitpunkt des Interviews war das Harman technology). Einige dieser Filmtypen – insbesondere die beiden Kamera-Aufnahmefilme – werden von Handelsunternehmen gekauft und unter deren Handelsmarkennamen den Fotografen angeboten. www.filmotec.de

 

6  Fujifilm (Japan)

Fujifilm ist neben Eastman Kodak der grösste Filmhersteller weltweit, ausserdem der Marktführer bei Silberhalogenid-Farbfotopapier (Prozess RA-4) sowie bei Farbdiafilm. Neben den klassischen Fotofilmen werden auch Röntgenfilme, Mikrofilme, Überwachungsfilme, Archivierungsfilme und Spezialfilme hergestellt. Beim Sofortbildfilm ist Fujifilm seit Jahren unangefochtener Marktführer und verfügt mit dem Instax System über eines der erfolgreichsten Fotoprodukte überhaupt am Markt. www.fujifilm.com

 

7  Foma (Tschechien)

Foma hat sich auf die Herstellung von Schwarzweiss-Fotofilmen und Fotopapieren primär des unteren Preissegments spezialisiert. Ausserdem werden Röntgenfilme und technische Spezialfilme produziert. www.foma.cz

 

 

8  Harman technology / Ilford Photo (England)

Nach der Insolvenz 2004 hatte sich Ilford in zwei Unternehmen aufgespalten: Einmal in das Management-Buy-Out Harman technology in Mobberley (England), welches sich auf die Produktion klassischer Schwarzweissfilme und Fotopapiere konzentriert, welche unter dem Markennamen Ilford Photo angeboten werden, und in Ilford Imaging Switzerland in Marly (Schweiz) mit dem Schwerpunkt Farbfotomaterialien und Inkjet. Die Namensnennung des Management-Buy-Out-Unternehmens erfolgte nach dem Gründer von Ilford, Alfred Harman. Während sich Harman technology erfolgreich entwickelte, sein Produktprogramm und seine Marktposition ausbauen konnte, musste Ilford Imaging Switzerland Ende 2013 in Konkurs gehen (siehe Fotointern). Harman technology / Ilford Photo ist neben Eastman Kodak inzwischen der weltweit führende Anbieter von Schwarzweissfotofilm. www.harmantechnology.com, www.ilfordphoto.com

 

9  InovisCoat / Inovisproject (Deutschland)

InovisCoat wurde von ehemaligen Mitarbeitern von Agfa in Leverkusen gegründet. In Monheim hatte man 2008 ein neues, modernes Werk für die Herstellung von Emulsionen und die Beschichtung gebaut. Die Produktionsanlagen wurden weitgehend aus dem geschlossenen Agfa-Werk übernommen, zum Teil modernisiert und etwas runterskaliert. InovisCoat und Inovisproject sind zwei rechtlich getrennte und selbständige Unternehmen, die sich unter einem gemeinsamen Dach befinden und die gleichen Produktionsanlagen nutzen. Inovisproject ist ein Tochterunternehmen von Polaroid Originals, und stellt die Negativfilmbasis für die Polaroid Sofortbildfilme her. InovisCoat stellt als OEM-Produzent unter anderem Farb- und Schwarzweissfilme für unterschiedliche Handelsmarken her. www.inoviscoat.de

 

10  Eastman Kodak (USA)

Eastman Kodak ist aktuell der weltweit grösste Hersteller von Standard Fotofilm (ohne Sofortbild) sowie der grösste Hersteller von Kinofilm. In beiden Bereichen konnte Eastman Kodak in den letzten fünf Jahren seine Produktion mehr als verdoppeln. Ausserdem werden weitere Filmprodukte wie beispielsweise Kinoprintfilm, Archivierungsfilme und technische Spezialfilme produziert. Die Fotofilme werden von Eastman Kodak zwar produziert, Vermarktung und Vertrieb erfolgen jedoch über das selbständige Unternehmen Kodak Alaris. www.kodak.com, www.kodakalaris.com

 

11  Lucky (China)

Lucky hatte vor knapp zehn Jahren die Produktion von Farbfilm eingestellt, etwas später auch die Produktion von Schwarzweissfilm. Inzwischen wurde die Produktion von Schwarzweissfilm wieder aufgenommen. Ausserdem hat Lucky durchgehend ohne Unterbrechung Silberhalogenid-Farbfotopapier für den Entwicklungsprozess RA-4 produziert. www.luckyfilm.com.cn

 

12  New55 (USA)

Newss hatte zwischenzeitlich 4X5″ Schwarzweiss-Sofortbild-Planfilm hergestellt. Die Produktion musste dann jedoch aufgrund technischer und finanzieller Probleme unterbrochen werden, und derzeit arbeitet man an einer Wiederaufnahme der Produktion. www.famousformat.com

 

13  Pictoriographica (USA)

Optik-Ingenieur Jason Lane stellt eigene Schwarzweiss-Emulsionen her und beschichtet diese auf Glas zu Trockenplatten zur Verwendung in Grossformatkameras. www.pictoriographica.com

 

 

 

14  Polaroid Originals (Niederlande)

Polaroid Originals stellt Farb- und Schwarzweiss-Sofortbildfilme für die traditionellen Polaroid-Kameras her. Ausserdem hat man mit dem I-Type Film einen ganz neuen Filmtyp entwickelt für die ebenfalls neuen «OneStep» Kameras. Die Produktion der Filme erfolgt im eigenen Werk in Enschede, wobei die Negativfilmbasis (jeder Sofortbildfilm hat als Kernelement einen Negativfilm) vom Tochterunternehmen Inovisproject aus Monheim zugeliefert wird. www.polaroidoriginals.com

 

15  Shanghai (China)

Nach einer Produktionsunterbrechung produziert Shanghai wieder seinen GP3 Schwarzweiss-Negativfilm. Dieser Film wird inzwischen auch an Handelsmarken verkauft.

 

 

 

16  Slavich (Russland)

Slavich produziert Schwarzweiss-Fotopapier, Holografie- und Spezialfilme. Ausserdem wird als OEM-Hersteller ein Orthofilm produziert, der von Silberra angeboten wird. www.slavich.com

 

17  Tasma (Russland)

Tasma stellt Schwarzweiss-Luftbildfilme und technische Spezialfilme her. Ausserdem kaufen Handelsmarken, wie z.B. Silberra und Astrum/Svema, Tasma-Filme ein, lassen sie für Fotografen konfektionieren und bieten sie dem Markt an. www.tasma.ru

 

 

18  Washi (Frankreich)

Lomig Perrotin beschichtet von Hand seine Schwarzweiss-Emulsionen auf japanisches Washi-Papier und konfektioniert dann diese Filme auf ihrem Papierträger zu Kleinbild-, Mittelformat- und Planfilmen. www.filmwashi.com

 

Deutlich zu differenzieren ist zwischen den oben genannten Herstellern, die über eigene Anlagen zur Emulsionsherstellung, zur Beschichtung und/oder zur Konfektionierung von Filmen und Fotopapieren verfügen, und Handelsmarken, die über keinerlei eigene Produktionsanlagen verfügen, sondern Materialien nur unter eigenem Namen verkaufen. Dies trifft beispielsweise auf Handelsmarken wie AgfaPhoto (Lupus Imaging), Rollei-Film (Maco) und Lomography zu. Inzwischen bieten auch einige kleinere Handelsunternehmen und selbst verschiedene Fotoblogger Filme unter ihrem Namen an. Dabei handelt es sich allerdings entweder nur um umgelabelte Filme aus der normalen Produktion der etablierten Hersteller (allerdings zu höherem Preis als das Originalprodukt) oder um Restbestände alter, vor langer Zeit bereits eingestellter Filme. Leider wird dabei der Kunde nicht über die Tatsache transparent informiert wird, dass es sich eigentlich um altes Material handelt.

Wer dagegen Sicherheit bezüglich der Herkunft seiner Filme haben möchte, findet diese auf jeden Fall bei den Originalfilmen der altbekannten und etablierten Fotofilm-Hersteller wie z.B. Kodak, Fujifilm, Ilford, Foma, Adox und Polaroid Originals.

Recherche und Text: Henning Serger

Aus: photoKlassik II.2020 mit freundlicher Genehmigung der Imaging Media House GmbH
Das Heft kann in der Schweiz bei Ars-Imago für CHF 18.90 bestellt werden.

 

5 Kommentare zu “Wer stellt noch Filme her?”

  1. Jetzt fehlt nur noch die Übersicht welche Filme von welchen Herstellern kommen und welche 70mm filme noch wo erhältlich sind. Colornegativ-Filme in dieser Grösse meines Wissens gar nirgendwo neu zu haben. Dann müssen wir halt auf Tricolor umstellen. Für Laien: Mit drei RGB -filtern jeweils ein Bild belichten und zusammensetzen.

    1. @ Michael: Eine solche Übersicht zu erstellen ist kaum machbar, weil nur in wenigen Fällen bekannt ist, welcher Anbieter welche Filme von wem bezieht. Zudem gibt es auch immer wieder Wechsel der Lieferanten. Aber unsere Marktübersichten von 2019 «Die analoge Filmwelt aktuell – die Farbfilme des Weltmarktes  (Teil 1)» und «Die analoge Filmwelt aktuell – die Schwarzweissfilme (Teil 2)» geben in einigen Fällen doch Aufschluss darüber. 70mm-Material läuft unter „special order“ und ist nicht im öffentlichen Verkauf. Auf Tricolor-Verfahren zurückzukehren dürfte heute schon aus qualitativen Gründen keine Option mehr sein.

  2. @ Michi
    Die 70mm Filme waren für den fotografischen Gebrauch schon zu den Zeiten als mit dem Hasselblad 70mm Magazin gearbeitet wurde ein umständliches unding. Für Kino oder Luftbildfotografie mag das gehen und ist heute noch bei KODAK USA im Filmdepartement erhältlich. Natürlich nur in Riesenrollen.

  3. Der Hersteller InovisCoat wurde im Artikel bereits erwähnt. Es gibt nun seit 2022 den ORWO WOLFEN NC500, einen 35 mm Kleinbildfilm mit interessanten Farben aus Leverkusen.

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