Urs Tillmanns, 21. März 2010, 16:40 Uhr

Mit der Ricoh GXR unterwegs

Ricoh hat mit der GXR und dem Modularprinzip ein völlig neues Kamerakonzept vorgegeben. Vorteil: Nicht nur das Objektiv ist wechselbar, sondern mit diesem der Sensor. Wir haben die neue GXR in der Praxis erprobt.

Ricoh ist zwar kein Gigant der Branche, jedoch bezüglich der Kamerakonstruktionen und deren Eigenschaften immer wieder für eine Überraschung gut. So ist das neue Modularkonzept der Kamera bei ihrer Erstvorstellung anfangs November letzten Jahres branchenweit auf grosses Interesse gestossen und als sehr zukunftsträchtiges System mit guten Marktchancen beurteilt worden.

Eigentlich logisch …

Der Grundgedanke war eigentlich naheliegend, wenn man weiss, dass das Objektiv einer Kompaktkamera eine feste Einheit mit dem Bildsensor bildet. (Oft kommt diese Baugruppe auch von einem darauf spezialisierten Hersteller und wird von einem «Assembler» in die Gehäuse der Kameras montiert.) Wenn man nun ein Grundgehäuse konstruiert, welches die Kamerasteuerung, Einstellelemente und das Display umfasst, sowie einen Modulanschluss, so hat man, bzw. Ricoh, das Grundelement eines Systems geschaffen, das für viele weitere Komponenten offen ist – übrigens nicht nur für unterschiedliche Brennweiten, wie wir gleich noch sehen werden. Abgesehen davon hat der GXR-Benutzer noch einen weiteren Vorteil: Die GXR ist die einzige Kamera mit Wechselobjektiven, bei der die Staubgefahr definitiv gebannt ist.

Dass die verschiedenen Module nicht alle mit einem Paukenschlag auf den Markt kommen können, ist naheliegend. Die Teile wollen von Grund auf neu konstruiert werden, es braucht Zulieferer welche z.B. auf bestimmte Elektronikteile und andere Baugruppen spezialisiert sind, dann kommt das investitionsträchtige Aufgleisen der Produktion, bis die Teile schliesslich in den Verkauf gebracht werden können. Zwei Objektive hat Ricoh zusammen mit der Kamera bereits auf den Markt gebracht, und eine Reihe weiterer Module sind derzeit in der Planung und Entwicklung.

Zwei Objektive – ein System

Das Kameragehäuse wirkt kompakt und leicht, und man merkt ihm nicht an, dass dies das Herz eines Systems ist. Dazu gibt es derzeit zwei Objektive – Module genannt – die über seitliche Gleitschienen in das Gehäuse gesteckt und festgeklickt werden.

Gerade mit dem Normalzoom 24-72 mm (1:2,5-4,4/5,1-15,3 mm VC) (S10-Modul) ist die GXR eine Kompaktkamera, die man leicht überall hin mitnehmen kann und mit dem Dreifachzoom für die meisten Praxissituationen gewappnet ist. Sie bringt in dieser Kombination mit Akku, Speicherkarte und Umhängeriemen 380 Gramm auf die Waage und macht einen sehr wertigen Eindruck. Man hat die Kamera sicher in der Hand, was auch auf die angenehme und griffige Pulverbeschichtung zurückzuführen ist. Die Bedienelemente sind sehr übersichtlich und logisch angeordnet, und für den Wenigdenker leicht zu bedienen. Für den Vieldenker hingegen gibt es in der Menüstruktur noch einige nützliche Überraschungen.

Das Universalzoom 24-72 mm in Weitwinkelstellung und 300% Ausschnitt

Das Universalzoom 24-72 mm in Telestellung und 300% Ausschnitt

Das Universalzoom 24-72 mm besteht aus stolzen 11 Linsen – vier davon mit asphärischen Flächen –in 7 Gruppen, fokussiert mit der Hinterlinse, um eine kürzere Fokussierzeit zu erreichen und ist mit einem von Ricoh neu entwickelten Bildstabilisator ausgestattet, welcher dem Objektiv das Kürzel «VC» (für «Vibration Correction») verpasst. Nützlich bei lichtschwachen Situationen ist die respektable Anfangsöffnung von 1:2,5, welche den Vorteil einer kürzeren Verschlusszeit fördert. Dass mit dem Normalzoom Nahaufnahmen bis zu einem Zentimeter Objektabstand und einer Bildfeldgrösse von 17 x 13 mm möglich sind, ist beachtlich, jedoch für Ricoh-Kenner nicht umwerfend: Ricoh hat ihre Kameras schon immer mit solch extremen Nahaufnahmemöglichkeiten ausgestattet.

Das S10-Modul bietet noch die Möglichkeit VGA-Videos mit 640×480 Pixel aufzunehmen, was im HD-Zeitalter kaum jemanden vom Hocker hebt, jedoch immer noch ein geeignetes Format fürs Internet und einfache Bewegungspräsentationen ist. Auch sind mit der gleichen Bildqualität auch Serien mit ca. 30 Bildern pro Sekunde möglich. Und letztlich kann man noch das Seitenverhältnis zwischen 16:9, 4:3, 3:2 und 1:1 wählen.

Wenn man bei der GXR über die Objektive spricht, muss man im gleichen Atemzug auch auf den Sensor das Moduls eingehen, da dieser ja mit dem Objektiv eine feste Baugruppe bildet. Darin zeigt sich ein weiterer Vorzug des Systems, da Ricoh künftig seine Module dem Markttrend anpassen kann – und dieser dürfte künftig eindeutig (und hoffentlich) in Richtung grösserer Sensoren gehen. Bezüglich ihres Sensors kann das Normalzoom 24-72 mm allerdings kaum prahlen, denn es ist mit einem 1/1,7″ CCD Sensor ausgestattet, auf dessen Oberfläche von 7,6 x ,5,6 mm vernünftige 10 Millionen Bildpunkte angeordnet sind. Sie befindet sich damit in bester Gesellschaft, zum Beispiel mit einer Canon G11. Der Sensor zeigt bei lichtschwachen Situationen ein recht gutes Rauschverhalten, mindestens bis ISO 800. Bei ISO 1’600 ist dieses noch passabel, und bei ISO 3’200 muss man sich an analoge Zeiten zurück erinnern, wo wir bei dieser Empfindlichkeit auch mit einer beachtlichen Körnigkeit leben konnten.

Das Makro-Objektiv 50 mm und 300% Ausschnitt

Bezüglich Sensorgrösse und Bildqualität trumpft das Makro-Modul A12 mit noch besseren Karten auf. Der integrierte CMOS-Sensor des 1:2,5/33 mm Macro entspricht der APS-C Grösse und bietet auf stolzen 23,6 x 15,7 mm – immerhin 8,3 mal grösser als der 1/1,7″-Sensor des S10-Moduls – 12,3 Millionen Bildpunkten Platz. Dadurch sind die einzelnen Pixel grösser als im S10-Modul und entsprechend weist die Kombination auch einen höheren Dynamikumfang auf. Die Brennweite von kleinbildentsprechenden 50 mm gibt bei offener Blende einen sehr schönen unscharf aufgelöste Hintergrund (Bokeh), die vor allem bei Porträts den Blick auf das Hauptmotiv lenken. Grössere Pixel wirken sich natürlich auch auf ein besseres Rauschverhalten aus, das auch bei ISO 1’600 noch nicht störend ist und selbst bei ISO 3’200 beachtlich gering bleibt.

Das Rauschverhalten des 24-72mm Moduls bei ISO 400, 800, 1600 und 3200

Das Rauschverhalten des 50mm Moduls bei ISO 400, 800, 1600 und 3200

Das Makro-Modul A12 ist aus 9 Linsen in 8 Gruppen aufgebaut, darunter eine asphärische Linse. Die Scharfstellung erfolgt über ein Floating-Element, welches verschiedene Aberrationen korrigiert, die vor allem bei Nahaufnahmen auftreten können. Allerdings ist diese Konstruktion etwas ungünstiger für extreme Nahaufnahmen, was zur Folge hat, dass das A12 eine kürzeste Aufnahmedistanz von 7 Zentimetern hat, was jedoch immer noch ein Bildfeld von ca 40 x 30 mm ergibt. Mit der manuellen Fokussierung MF und dem Schärfeeinstellring am Objektiv ist ein sehr genaues Fokussieren bei Nahaufnahmen möglich.

Auch was die Video-Funktion anbelangt, ist das A12- dem S10-Modul überlegen. Mit einer Auflösung von 1’280 x 720 Pixel, dem Seitenverhältnis von 16:9 und einer Bildfrequenz von 24 Bildern pro Sekunde ist diese Kamera-/Modul-Kombination im HD-Qualitätsbereich angesiedelt und lässt dank HDMI-Ausgang direkte Wiedergaben auf grossformatigen Monitoren zu.

Die Ricoh GXR in der Praxis

Die Ricoh GXR macht einen sehr wertigen Eindruck und ist sauber verarbeitet. Die Anordnung der Bedienelemente sowie die Menüstruktur lehnen sich an andere Kompaktmodelle von Ricoh an. Ricoh-typisch ist auch die individuelle Belegung von Tasten und Funktionen, insbesondere der drei Modi «My1», «My2» und «My3», aber auch der Funktionstasten «Fn» und «ADJ» (Adjust)-Taste.

Die GXR meistert auch Winterstimmungen im Gegenlicht problemlos

Das Modusrad ist praktischerweise mit einer Taste verriegelt, damit dieses nicht versehentlich verstellt werden kann. Damit ist ein häufiger Praxisfehler ausgeschlossen, und es ist eigentlich verwunderlich, dass es kaum andere Kameras mit dieser sinnvollen Sicherheitsvorrichtung gibt. Im Modus «M» (manuelle Belichtung) wird die Blende mit Hilfe des Auf/Ab-Einstellrads und die Verschlusszeit den ADJ-Schalter verändert. Eine einfache Lösung, die bei anderen Kameras eine umständliche zusätzliche Funktionsumschaltung erfordert.

Nahaufnahmen waren schon immer eine Spezialität von Ricoh-Kameras

In die «Direct»-Taste verliebt man sich schnell, weil darüber alle wichtigen Einstellungen kontrolliert, bzw. vorgenommen werden können. Dazu gehören die Belichtungskorrektur, Empfindlichkeitseinstellung, Weissabgleich, Autofokusfelder, Belichtungsmesszonen, Bildeinstellungen, Auflösung und Seitenverhältnis, Auto-Belichtungsreihe, Blitzbelichtungskorrektur und Serieaufnahmen sowie Zeit- und Blendeneinstellung für die manuelle Einstellung. Dies alles auf einen Tastendruck.

Über «Scene» sind die Motivprogramme Video, Sport, Nachtmodus, Makro-Zoom, Porträt, Landschaft und Schrägkorrektur einzustellen. Letztere ist eine Ricoh-Eigenheit, mit der schräg fotografierte Objekte in der Kamera rechtwinklig gestellt werden können, was bei Reproduktionen von Gemälden oder Schriftstücken sehr nützlich ist. Dabei erkennt die Kamera ein schräg fotografiertes Rechteck und schlägt dem Fotografen die entsprechende Korrektur vor. Akzeptiert er diese, wird das korrigierte Bild in einer zweiten Datei abgelegt, so dass das Originalbild unverändert bleibt.

Mit der GXR unterwegs am Autosalon in Genf. Das gute Rauschverhalten der Kamera begünstigt Available Light Aufnahmen

Dass die GXR keinen Dreh-/Schwenkmonitor besitzt, mag auf den ersten Blick als Nachteil empfunden werden. Zwar sind diese sehr praktisch, vor allem für Tiefperspektiven und Über-Kopf-Aufnahmen, doch hätte der verstellbare Monitor eine massive Vergrösserung des Gehäuses zur Folge gehabt, welche der Kamera kaum vorteilhaft gestanden hätte. In den meisten Fällen ist der Drehmonitor auch nicht unbedingt nötig, da die heutigen Grossflächenmonitoren ein hervorragendes Schrägeinsichtsverhalten haben – auch das 3-Zoll-Display der Ricoh GXR.

Wer dennoch «ums Eck» fotografieren möchte, kann sich den sehr praktischen elektronischen Aufstecksucher anschaffen, den es zur GXR als Zubehör gibt. Dieser ist um 90 Grad nach oben neigbar und ermöglicht so tiefe Standorte. Wie der Monitor löst er 920’000 Bildpunkten auf und kann über einen Dioptrieneinstellung dem Auge des Betrachters angepasst werden.

Sehr nützlich und auch nur bei wenigen Kameras zu finden, ist die elektronische Wasserwaage auf dem Monitor, welche über die Display-Taste ausgeschaltet oder gegen eine Gitterstruktur umgeschaltet werden kann. Selbstverständlich funktioniert die elektronische Wasserwaage sowohl bei Querformat- als auch bei Hochformataufnahmen.

Eine weitere spannende Funktion ist die Intervallschaltung, mit welcher automatisch Bilder in Intervallen von fünf Sekunden bis zu einer Stunde aufgenommen werden können. Damit können Bewegungsabläufe dokumentiert oder beispielsweise Räume überwacht werden.

Alles in allem bietet die Ricoh GXR nicht nur das raffinierte Modul-Wechselsystem, sondern sie ist eine sehr vielseitige und praktische Universalkamera. Vorteil für den Käufer ist die Tatsache, dass er diese mit neuen Modulen immer wieder der technischen Entwicklung anpassen kann und damit längerfristig kauft als bei anderen Kamerasystemen.

Stimmungsvolle Nachtaufnahme mit «P» aufgenommen – einfach so …

Was demnächst noch kommt

Zwei Objektive machen noch keinen Frühling. Ricoh weiss, dass sie, um ein System anbieten zu können, bald mit weiteren Modulen auffahren muss, und bereits sind zwei weitere Objektive angekündigt:

Das nächste Modul wird ein P10 1:3,5-5,6/28-300mm VC sein, ein Zehnfachzoom im Telebereich, das das System bereits diesen Sommer für Sport- und Fernaufnahmen ergänzt. «VC» weist darauf hin, dass das Objektiv bildstabilisiert ist, was bei diesem Brennweitenbereich schon fast ein Muss ist. Es wird zudem eine Ultra-Highspeed-Serienfunktion aufweisen, mit welcher Bewegungsstudien mit 120 Bildern pro Sekunde aufgenommen werden können. Zudem soll das Modul mit einem rückseitig belichteten CMOS-Sensor (vermutlich 1/1,7″ Grösse) ausgestattet sein, dessen Rauschverhalten bei der Entwicklung spezielle Beachtung geschenkt wurde.

Der Abrundung nach oben folgt logischerweise eine Ergänzung nach unten. Im Weitwinkelbereich wird Ricoh zur GXR auf der Photokina (21. bis 26. September 2010) A12 1:2,5/28 mm vorstellen, das mit einem grossen 23,6 x 15,7 mm-Sensor ausgerüstet eine sehr gute Bildqualität mit grossem Dynamikumfang verspricht. Wie beim Makro-Modul A12 wird auch das Weitwinkelmodul über einen Fokussierring verfügen, der eine exakte manuelle Scharfeinstellung zulässt.

Wie es dann auf der Roadmap weiter geht, verrät Ricoh noch nicht, aber es gibt zu diesem System noch einen anderen interessanten Aspekt, den Ricoh auf der Erstpräsentation in Japan verraten hatte: Es sollen nicht nur Wechselobjektive auf den Markt kommen, sondern es ist denkbar, dass das System mit ganz anderen Zubehörmodulen ergänzt, auf die man unbedingt kommt. So wäre eine Kabelanbindung des Objektivs für Aufnahmen an schwer zugänglichen Orten denkbar, oder eine «Wireless Unit» zur drahtlosen Übermittlung der Bilder, man könnte sich auch vorstellen, dass an Stelle des Objektivs ein kleiner Printer eingesetzt wird, um die Bilder sofort ausdrucken zu können, eine Harddisk, um die Bilder auf einem zweiten Medium zu sichern oder ein Miniprojektor, wie das Nikon schon vorgemacht hat. Dem System der GXR sind also kaum Grenzen gesetzt, und man kann gespannt sein, womit uns Ricoh auf der Photokina überraschen wird.

Urs Tillmanns

Weitere Informationen zur GXR finden Sie hier, die technischen Daten gibt es hier .

Preise:

Ricoh GXR Gehäuse 698.–
Ricoh Modul A12 GR Objektiv 2.5 / 33mm = 50mm Macro 998.–
Ricoh Modul S10 Objektiv 2.5-4.4 / 5,1-15,3 = 24 – 72mm VC 568.–
SC-55L Etui für A12 135.–
SC-55S Etui für S10 90.–
VF-2 LCD Sucher 380.–
GF-1 TTL Blitz mit LZ 30 415.–
DW-6 Weitwinkel-Vorsatz GA 19mm zu S10 228.–
TC-1 Tele Vorsatz 135mm zu S10 248.–
CA-1 Fernauslöser 78.–
ST-3 Nackenriemen 60.–
HA-3 Sonnenblende mit Adapter 90.–
LC-2 Objektiv Deckel selbstöffnend 45.–
DB-90 Lithium Ion Batterie 75.–
BJ-9 Ladegerät für DB-90 75.–

.

Ricoh Fotoprodukte werden in der Schweiz vertrieben durch
GMC Trading AG
CH-8304 Wallisellen
Tel. 044 855 40 00
Fax 044 855 40 05

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