Wann die Fotografie – die am 19. August 1839 als die Erfindung von Lous Jacques Mandé Daguerre öffentlich verkündet und vom französischen Staat der Menschheit zum Geschenk gemacht wurde – nach Luzern kam, wissen wir nicht genau. Zuerst waren es naturwisssenschaftlich Interessierte, die sich die notwendigen Geräte und Utensilien aus Paris kommen liessen, und alsbald zogen Wanderfotografen umher und boten die neue Kunst auf Jahrmärkten und als Kurzaufenthalter an. Wahrscheinlich war es der aus Paris stammende H. Kompass, der als erster seine Dienste in der Löwenstadt anbot. Weitere folgten nach ihm, wie zum Beispiel Joseph Broglie, den wir zur Frühzeit der Fotografie auch in vielen anderen Schweizerstädten antreffen. Der erste in Luzern sesshafte Fotograf dürfte der vielfältig tätige Charles Mahler gewesen sein, der wahrscheinlich ab 1849 am Schwanenplatz ein Atelier betrieb.
Die Ausstellung zeigt eine Menge fotohistorische und Luzern-geschichtliche Highlights
Die Popularität der neuen Kunst wuchs schnell. Mit dem Aufkommen der «Carte-de-visite»-Bildchen, die mit dem Kollodiumverfahren kostengünstig produziert werden konnten, gehörte es zum guten Ton, von sich ein Konterfei verschenken zu können und später, als die «Kodak»-Box 1888 ihren Siegeszug antrat, wurde es Mode, dass man selbst fotografierte und so seine Erlebnisse in eigenen Bildern festhielt. Luzern war als Motivstadt prädestiniert dazu. Der Pilatus, der See und das noch unberührte Hinterland bot eine Fülle an Fotografier-Gelegenheiten, besonders auch für Touristen, die immer zahlreicher in die Löwenstadt kamen.
Die Fotografie hat das kulturelle und soziale Leben Luzerns während fast 180 Jahren dokumentiert
«Es sind Fotosujets, die rund um die Welt bekannt sind und den internationalen Ruf Luzerns als Touristendestination alle Ehre machen» schreibt Markus Schürpf in der Einleitung des die Ausstellung begleitenden Buches. «Tatsächlich müssen die Fotografien von Luzern in die Millionen gehen – und dank der modernen Mobiltelefonkameras kommen tagtäglich neue hinzu.»
Die Berufsfotografen von Luzern sind mit einer spannenden und repräsentativen Auswahl vertreten
Die Ausstellung «Luzern. Fotografiert: 1840 bis 1975» zeigt zum ersten Mal als Gesamtschau diese Entwicklung der Fotografie in der Stadt und im Kanton Luzern auf. Die ausgestellten Werke von über 80 Fotografinnen und Fotografen aller Epochen erzählen von längst vergangen Zeiten und machen die gesellschaftlichen, kulturellen und baulichen Veränderungen auf eindrückliche Weise sichtbar. Die Ausstellung thematisiert darüber hinaus die vielfältigen Gebrauchsweisen des Mediums in den Bereichen Stadt- und Landschaftsfotografie, Porträt, Presse, Industrie, Tourismus und Architektur.
Auguste Garcin: «Blick vom Gütsch», Luzern, um 1880, ZHB Luzern Sondersammlung
Eine spannende Vielfalt der Exponate entsteht dadurch, dass sich Kurator Markus Schürpf nicht nur auf die Fotogeschichte der Stadt Luzern konzentrierte, sondern auch den Fotografen der ländlichen Regionen gebührend Platz einräumte. Sie betrieben die Fotografie oft mit einer spärlichen Auftragslage als Zweitverdienst und wurden neben den Gesellschafts- und Porträtbildern der Landbevölkerung auch gerufen, um aktuelle Ereignisse, wie Unfälle, Brände aber auch Bauzustände in Bildern festzuhalten.
Emil Götz: «Blick über die Seebrücke Richtung Bahnhof und Pilatus», Luzern, um 1935, ZHB Luzern Sondersammlung
Die Ausstellung ist in folgende Bereiche unterteilt:
Frühe Techniken
Daguerreotypien und Ambrotypien / Ferrotypien / Glasnegative und Papierabzüge / Carte-de-visite-Fotografie / Fotoalben
Entwicklung der Fotografie in Luzern
Pioniere der Fotografie / Erste Fotostudios / Hochblüte der Fotoateliers
Ländliche Fotografie
Einsteiger und Allrounder auf dem Lande / Fotografen in Willisau / Fotografen in Sempach / Fotografen in Hochdorf / Fotografen in Beromünster / Fotografen im Entlebuch / Fotohaus Friebel in Sursee
Fotothemen
Tourismus und Fotografie / Aufbau und Abbruch / Stadtansichten und Panoramen / Totenbilder / Studio- und Industriefotografen / Fotostudio des Modehauses Ackermann / Fasnacht / Hochzeitskatastrophe auf dem Vierwaldstättersee / Weltausstellung der Fotografie 1952 / Fotojournalismus / Zeitschrift «Camera»
Interaktive Fototechnik
Stereofotografie / begehbare Camera obscura
Sonderaktivitäten
Ausstellung: «Kindheit. Fotografiert» / Historisches Fotoshooting (zu bestimmten Zeiten)
Rahmenprogramm (Auswahl):
• Vermittlung für Schulklassen, um sich mit dem technischen, sozialen und gesellschaftlichen Wandel seit Beginn des Mediums Fotografie auseinanderzusetzen.
• Podiumsgespräch «Fotografie: unbeachtete Kunst oder erhaltenswertes Kulturgut?» (Donnerstag, 18. Juni 2020, 18:30-20:00 Uhr)
• Stadtrundgang zu historischen Schauplätzen der Fotografie (Samstag, 5. September 2020, 09:30-11:30 Uhr)
Die Ausstellung richtet sich an ein breites Publikum: Fotografie- und Geschichts-Interessierte, Technikversierte, Stadt- und Landbewohner und Familien. Die Fotografie ist bis heute ein Medium, das in der Gesellschaft auf breites Interesse stösst. Deshalb sollen sich auch die Besucherinnen und Besucher einbringen können. Im Foyer des Museums lädt ein originaler Hintergrund aus einem ehemaligen Wolhusener Atelier dazu ein, sich selbst in Szene zu setzen. Die Bilder können unter dem Hashtag #luzernfotografiert gepostet werden. So soll eine virtuelle Ausstellung von und über Luzern und seine Bewohner*innen entstehen, welche die Weiterentwicklung der Fotografie bis heute abbildet.
Impressum Kurator: Markus Schürpf, Fotobüro Bern
Projektkoordination: Marisa Sigrist
Szenografie: Markus Schürpf, Muriel Utinger
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Historischen Museums Luzern
Die Ausstellung ist noch bis 27. September 2020 zu sehen.
«Luzern. Fotografiert» – Das Buch zur Ausstellung
Eine bleibende Erinnerung an die noch bis 27. September 2020 zu sehende Ausstellung, dürfte das gleichnamige Buch sein, das im Verlag «Hier und Jetzt» erschienen ist. Der Autor ist zugleich der Initiant und Gestalter der Ausstellung Markus Schürpf, der das Büro für Fotogeschichte in Bern (Foto-ch.ch) leitet. Die Recherche, die Bildmaterialbeschaffung, Gestaltung und Aufbau der Ausstellung sollen knapp ein Jahr gedauert haben, während das Buch dazu Schürpf in drei Monaten von der Feder floss.
Das Buch versteht sich als Streifzug durch die Fotogeschichte von Stadt und des Kantons Luzern und bietet weit über den Rahmen der Ausstellung hinaus ein breites Spektrum an Hintergrundinformationen zu unzähligen Fotografen und deren Bedeutung in der Stadt und der Region von Luzern. Viele spannende Anekdoten und informative Zusammenhänge machen das Buch besonders lesenswert, ganz abgesehen von manchen biografischen Details zu vielen bekannten und unbekannten Fotografennamen. Schürpf war dazu an der Quelle: Als Leiter des erwähnten Büros für Fotogeschichte, in welchem über 18’000 Fotografennamen registriert und knapp 3000 mit exakten Biografien erfasst sind, konnte der Autor beim Schreiben des Buches auf erlässliche Primärquellen zurückgreifen.
Das Buch konzentriert sich gemäss Zusatztitel auf «Menschen und Maschinen – Berge und Bauern», doch wird ebenso der Bedeutung der Stadt Luzern als Touristendestination Rechnung getragen. Luzern mit dem majestätischen Pilatus gehörte von jeher zu den am meisten fotografierten Städte der Welt – dies nicht erst heute, sondern schon zur Zeit der ersten Daguerreotypisten und Wanderfotografen. Auch sie sind ein Schwerpunkt des Buches.
Das Buch ist in die Kapitel
• Fotografen auf Wanderschaft
• Daguerreotypisten
• Die «Kartomanie»
• Quereinsteiger und Allrounder auf dem Land
• Bauen und Abreissen
• Erste Fotografien für den Tourismus
• Sursee – Foto Friebel
• Tod und Trauer
• Fach-, Industrie und Werbefotografen
• Luzern – Fotostadt auf Zeit
• Die Pressefotografie
unterteilt und deckt damit alle wichtigen Sparten der Fotografie und der fotohistorischen Entwicklung ab.
Dem Buch dürfte noch lange nach der Ausstellung eine wichtige Rolle als Informations- und Nachschlagewerk für fotogeschichtlich Interessierte zukommen. Es ist bisher das umfassendste Werk zur Fotogeschichte Luzerns.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Der Kanton Luzern hat eine reiche Fotografiegeschichte, die mit diesem Band erstmals als Überblick präsentiert wird. Mit der Entwicklung des Tourismus am Vierwaldstättersee entsteht eine vielfältige Fotoszene, die sich vorerst auf die Stadt konzentriert, bald aber auch die ländlichen Zentren wie Beromünster, Sursee, Hochdorf oder Willisau umfasst. Im frühen 20. Jahrhundert wird Luzern mit dem Verlagshaus Bucher und der Zeitschrift «Camera» auch ein wichtiger Vermittlungsort für Fotografie. Die Publikation zeigt die Fotografiegeschichte Luzerns in thematischen Kapiteln zu Personen, Presse und Illustrierte, Gewerbe, Industrie und Tourismus, Architektur und Landschaft, aber geht auch auf den Stand der Dokumentation ein und bietet eine Übersicht der Sammlungen und Archive.
Der Autor
Markus Schürpf (geb. 1961 Aarau AG) ist Kunst- und Fotografiehistoriker, Autor und Kurator. Nach der Fachklasse für Freie Kunst an der Schule für Gestaltung Luzern (1983–1987) Studium der Kunstgeschichte, Ethnologie und Architekturgeschichte an der Universität Bern (1987–1994). Ab 1992 Beschäftigung mit Fotografiegeschichte. Seit 1999 Leitung des Büros für Fotografiegeschichte sowie des Paul Senn-Archivs im Kunstmuseum Bern (seit 2005). Seit 2004 Aufbau des Online-Nachschlagewerks foto-ch.ch. Neben den Projekten, die das Fotobüro realisiert, ist er als Autor, Ausstellungsmacher und Berater tätig. 2010 erhielt er für seine Leistungen bei der Erhaltung von fotografischen Beständen den Kulturpreis des Kantons Bern.
Bibliografie
Markus Schürpf «Luzern. Fotografiert
Menschen und Maschinen – Berge und Bauern
1840 bis 1975»
144 Seiten, gebunden, broschiert
100 Schwarzweiss- und Farbbilder
Format: 18 x 28 cm
Verlag Hier und Jetzt, Baden
ISBN 978-3-03919-507-7
Preis: CHF 29.00
Das Buch kann im Buchhandel oder im Historischen Museum Luzern gekauft, oder hier bestellt werden