Normlichtarten
Für Farbstichbestimmungen, Spektralmessungen und Farbabmusterungen (Vergleich von Vorlage und Kopie bzw. Druck) kann nicht eine beliebige Lichtquelle verwendet werden. Neben der Forderung, dass dieses Licht «unbunt», das heisst, der Mittelpunktsvalenz (siehe CIE-Farbendreieck, Repetitorium 5) entsprechen muss, sollten auch alle Wellenlängen des sichtbaren Lichtbereichs vorkommen und keine Spektrallinie besonders dominieren.
Es liegt auf der Hand, dass Lichtquellen, in deren Spektralverteilung nicht alle Wellenlängen vertreten sind (zum Beispiel Gasentladungslampen), eine aussagefähige Abmusterung verhindern und auch nicht als Aufnahmelicht innerhalb der Farbfotografie – wo der Dreifarbenauszug ja bei der Aufnahme gemacht wird – gebraucht werden können. Als Mass für die Eignung einer Lichtquelle zur Farbabmusterung und als Beleuchtungslichtquelle innerhalb der Farbfotografie dient der nach DIN 5035 definierte Farbwiedergabe-Index Ra. Ermittelt wird der Farbwiedergabe-Index mit Testfarben, wobei die Übereinstimmung des Farbeindrucks dieser Testfarben bei Beleuchtung mit der zu untersuchenden Lichtquelle mit dem Farbeindruck bei Beleuchtung mit einer Bezugslichtart visuell und messtechnisch verglichen wird. Ist die Übereinstimmung 100%ig, beträgt der Farbwiedergabe-Index 100. In den technischen Datenblättern von Leuchtenherstellern ist der Farbwiedergabe-Index angegeben.
Für Farbabmusterungen und für die Verwendung als Aufnahmelichtquelle in der Farbfotografie sollte Ra mindestens 85 sein. Dieser Wert kann beispielsweise von Glühlampen, Halogenlampen, Halogen- Quecksilberlampen, Xenon-Lampen und HMI-Lampen erreicht werden sowie von speziell für diesen Zweck im gleichen Leuchtenkörper (zum Beispiel Leuchttisch) gemischten Leuchtstofflampen oder Leuchtdioden.
Um für die Betrachtung von Gegenständen, die Farbabmusterung und die Korrekturfilterbestimmung bei der Farbstichermittlung einheitliche Voraussetzungen zu schaffen, genügt es nicht, nur den zu verwendenden Lichtquellentyp anzugeben. Denn künstliche Lichtquellen können von Exemplar zu Exemplar eine gewisse Streuung aufweisen und zudem empfindlich von der Betriebsspannung abhängig sein. Vielmehr muss eine genau bestimmte spektrale Strahlungsverteilung festgelegt werden.
Für die Festlegung internationaler Normen über die Lichtart ging CIE zunächst vom Glühlampenlicht aus. Bei dieser Lichtart ist eine Normierung verhältnismässig einfach, weil durch das Einhalten der vorgeschriebenen Betriebsbedingungen eine genügend konstante Strahlungsverteilung erreicht werden kann. Normiertes Glühlampenlicht mit einer Verteilungstemperatur von 2856 K wird als Normlichtart A bezeichnet.
Als nächsten Schritt versah man eine Lichtquelle der Normlichtart A mit einem blauen Konversionsfilter und gelangte so zu einer spektralen Strahlungsverteilung mit der Verteilungstemperatur von 6750 K, die charakteristisch für ein Tageslicht ist. Diese Lichtart wird als Normlichtart C bezeichnet. Gegenüber echtem Tageslicht hat die Normlichtart C jedoch den Nachteil, praktisch kein UV zu enthalten. Dies wäre kein Nachteil, würde man immer nur nicht fluoreszierende Proben und Objekte betrachten. Viele Farbstoffe, so auch optisch aufgehellte Papiere, fluoreszieren jedoch. Ihr farbliches Aussehen wird durch den UV-Anteil von natürlichem Tageslicht ganz entscheidend verändert. Aus diesem Grund hat CIE im Jahr 1963 eine weitere Normlichtart definiert, die dem natürlichen mittleren Tageslicht samt UV-Anteil entspricht. Gegenüber der Normlichtart C unterscheidet sich diese neue Normlichtart vor allem im unsichtbaren Spektrumsteil zwischen 300 und 380 nm. Diese Lichtart wird als Normlichtart D65 bezeichnet, wobei die Zahl 65 auf eine Farbtemperatur von 6500 K hinweist. Im Gegensatz zu den früheren Normierungen wählte man für die Lichtart D65 nicht eine bestimmte bekannte Lichtquelle.
Spektrale Strahlungsverteilung der wichtigsten Normlichtarten
Das hat zwar den Nachteil, dass die Strahlungsverteilung D65 technisch nicht ganz so einfach und daher oft auch nicht so exakt simuliert werden kann. Der Vorteil ist jedoch gleichzeitig eine lückenlose Serie von Tageslicht-Normlichtarten im Bereich von 4000 bis 25000 K mit dem Bezeichnungsbuchstaben D festlegen konnte. Möchte man beispielsweise für die Farbtemperatur von 5500 K eine genormte Strahlungsverteilung benutzen, so kann diese dem CIE-Tabellenwerk für die Tageslichtart D unter der Normenbezeichnung D55 entnommen oder berechnet werden. Für die grafische Industrie und die Fotografie hat auch die Normlichtart D50 Bedeutung erlangt. Dieses annähernd neutralweisse Tageslicht wird zur Abmusterung von fotografischen Vorlagen sowie zur Beurteilung von Digitalproofs im Vergleich unter sich und mit den Druckresultaten aller Druckverfahren verwendet. Infolge des Metamerie-Effekts (siehe übernächsten Abschnitt) kann das Aussehen der Farben auf modernen Digitalproofs nur unter einem Normlicht D50 mit der Farbtemperatur von 5000 K korrekt beurteilt werden.
Die Praxis der Abmusterung
Die kritische Abmusterung fotografischer Vorlagen wie Diapositive unter sich, Diapositive mit Andrucken oder Prints sowie Prints unter sich, erfolgt mit der Normlichtart D50. Zwar könnte die Abmusterung von Aufsichtsbildern unter sich ebenso gut mit der Normlichtart D65 erfolgen. Dies würde aber bedeuten, dass im Fotostudio zwei verschiedene Normlichtarten vorhanden sein müssten, was nicht besonders sinnvoll wäre. Für das Abmustern von Durchsichtsvorlagen wird ein Leuchttisch mit der Normlichtart D50 benötigt. Beim vergleichenden Abmustern zwischen Durchsichts- und Aufsichtsbildern oder Aufsichtsbilder unter sich dagegen wird zusätzlich noch ein adäquates Aufsichtslicht der Normlichtart D50 benötigt. Da Diapositive heute kaum mehr eine Rolle spielen, genügt für die Abmusterung innerhalb der digitalen Fotografie mit einem Inhouse-Drucksystem eine Aufsichtslichtquelle.
Ich selbst setze dazu GrafiLite ein (grafilite.com), eine energiesparende Lichtquelle mit einem platzsparenden Lampendesign. Die Leuchte liefert zwar (leider) nicht 100% korrektes D50, ist dafür aber bezahlbar und in der Praxis durchaus genügend.
Metamerie
Das menschliche Auge kann verschiedene Farben als absolut identisch empfinden. Beispielsweise können gleiche Farbtöne durch sehr verschieden anteiliges Mischen von Spektralfarben entstehen. Derartige Farben, die zwar für das Auge gleich aussehen, jedoch anders zusammengesetzt sind, bezeichnet man als metamere oder bedingt-gleiche Farben.
Betrachten wir ein weisses Papier zusammen mit einem leicht rotgefärbten bei rotem Dunkelkammerlicht, so sehen beide Papiere gleich aus. Diese Erscheinung, nach der die verschieden gefärbten Papiere bei Betrachtung mit rotem Licht gleich aussehen, wird als Metamerie bezeichnet. Dass bei Beleuchtung mit farbigem Licht unterschiedliche Körperfarben gleich aussehen können, wissen wir alle aus Erfahrung, und so haben wir mit dieser Form der Metamerie kaum Probleme. Problematischer sind zwei Körperfarben, die beispielsweise bei einem bestimmten Tageslicht absolut identisch aussehen, die aber bereits bei geringfügiger Änderung der spektralen Zusammensetzung des Lichts ihr Aussehen verändern und verschiedenfarbig werden. Solche metamere Farbabweichungen treten nur dann eklatant und störend auf, wenn die zu vergleichenden Farben mit verschiedenen Pigmenten (oder generell mit verschiedenen farbgebenden Mitteln) hergestellt worden sind.
Definitionsgemäss versteht man unter metameren Farben Farbvalenzen, die zwar zu verschiedenen Farbreizen gehören, aber unter bestimmten Bedingungen für das menschliche Auge gleich aussehen. Bei bedingt-gleichen Körperfarben ist die spektrale Zusammensetzung des beleuchtenden Lichts eine der wichtigsten Voraussetzungen für gleiches Aussehen. Ändert man die relative spektrale Strahlungsverteilung des Betrachtungslichts, wird die visuelle Gleichheit im Allgemeinen aufgehoben.
UGRA Farbtemperatur-Indikator
Von UGRA gibt es den Farbtemperatur-Indikator mit sechs nebeneinander liegenden Feldern. Wird dieser Indikator unter dem Normlicht von 5000 K (D50) betrachtet, weisen alle Farbfelder dieselbe Farbe auf. Wird der Indikator dagegen unter einer nichtstandardisierten Lichtquelle betrachtet, erscheinen mehr oder weniger deutliche Farbunterschiede. Zum farbverbindlichen Betrachten eines Proofs muss daher eine Lichtquelle verwendet werden, bei welcher der Farbtemperatur-Indikator in allen Feldern das gleiche Grün anzeigt.
Im Gegensatz zu metameren (bedingt-gleichen) Farben gibt es isomere, das heisst, unbedingt-gleiche Farben mit gleichen Farbreizfunktionen, die unter allen Umständen für das Auge identisch aussehen und die daher in der Fotografie und im Farbdruck problemlos darstellbar sind.
In der Farbfotografie und im Farbdruck können metamere Farben – selbst bei gleichem Licht – unterschiedlich erscheinen. Typisch dafür ist das Blau von bestimmten Blumen (zum Beispiel Astern, Clematis), das einen beträchtlichen Anteil von langwelligem Rot reflektiert, welches vom menschlichen Auge nicht wahrgenommen wird. Gleiches gilt für das Olivgrün oder Jeansblau von Kleiderstoffen sowie für metallisierte Lackfarben.
Farbräume
Farbräume hatten im Bewusstsein der chemisch arbeitenden Fotografen keine Bedeutung. Wir dachten nicht daran, dass wir bei der fotografischen Aufnahme eigentlich im RGB-Farbraum arbeiteten (die getrennten Schichten eines Farbfilms sind auf Blau, Grün und Rot empfindlich), der bei der Filmentwicklung ohne weiteres Dazutun in den YMC-Farbraum «konvertiert» wurde. Aus den Farbkupplern in der blauempfindlichen Schicht entsteht der subtraktive Farbstoff Yellow, aus denjenigen in der grünempfindlichen Schicht wird Magenta und in der rotempfindlichen Schicht bildet sich Cyan-Farbstoff. Durch subtraktive Farbmischung entsteht in der Durchsicht das farbige Negativ.
Das Farbnegativ
RGB- und YMC-«Farbräume» in der analogen Fotografie
Digitalfotografen kennen meistens nur den RGB-Farbraum in dem ihre digitalen Originalaufnahmen entstanden sind und der auch für die Darstellung auf dem Bildschirm verwendet wird. In diesem Farbraum nehmen wir die Bildkorrekturen und die Arbeiten zur grundsätzlichen Bildaufbereitung vor. Für den Druck kann dieser Farbraum jedoch nicht verwendet werden. Bilddaten im (additiven) RGB-Farbraum müssen daher separiert, das heisst, in den (subtraktiven) CMYK-Farbraum (Vierfarbendruck) bzw. CMY-Farbraum (Dreifarbendruck) transferiert werden.
Im Gegensatz zur chemischen Fotografie erfolgt diese Farbraum-Transformation nicht zwangsläufig unbemerkt und automatisch. Beide erwähnten Farbräume, sowohl RGB wie auch CMYK sind nicht standardisiert, wodurch wir uns eine ganze Menge von Schwierigkeiten bei der Umrechnung einhandeln! Zudem ist RGB nicht unbedingt gleich RGB: Tasten wir ein Farbbild auf einem Scanner oder mit der Digitalkamera ab, so resultieren pro Bildpunkt drei Filterwerte, die wir dann als RGB-Werte bezeichnen. Diese Werte sind jedoch mit den RGB- Farben des Farbmonitors (leider) nicht identisch. Belichten wir diese RGB-Daten auf ein fotografisches Material und verwenden wir zur Belichtung je einen Rot-, Grün- und Blaufilter oder einen RGB-Dreifarbenlaser, handelt es sich nicht eigentlich um ein RGB-System, denn die Produktions-Grundfarben der Fotografie sind Cyan, Magenta und Yellow (CMY).
Gleiches gilt, wenn wir einen RGB-Bilddatensatz aus der Digitalkamera auf einen fotorealistisch arbeitenden Tintenstrahldrucker ausgeben. Zwar schicken wir in den meisten Fällen ein RGB-Bild auf den Drucker. Dieser druckt jedoch mit den subtraktiven Farben CMY oder CMYK (K bedeutet dabei Schwarz) bzw. mit zusätzlichen (Light-) Farben bei FineArt-Printer in seinem eigenen Drucker-Farbraum. Die Farbraum-Transformation erfolgt in diesem Fall für den Benutzer ebenfalls automatisch direkt im Drucker bzw. über dessen Treibersoftware oder über eine RIP-Software.
Die internen Farbtransformationen von einem Farbraum in den anderen erfolgen in den meisten Bildbearbeitungsprogrammen sowie in den oben erwähnten Druckertreibern über den LAB-Farbraum, den wir aus dem Repetitorium 6 bereits kennen. Die Vorteile dieser indirekten Umrechnung liegen auf der Hand: LAB hat einen sehr grossen Farbumfang (grösser als RGB und CMYK), ist geräteunabhängig, empfindungsmässig gleichabständig und lässt sich rasch und kompakt digital codieren. Die Umrechnung von RGB (oder CMYK) nach LAB und umgekehrt ist in jedem Fall verlustfrei.
Dreidimensionale Darstellungen eines RGB-Farbraums in zwei verschiedenen Ansichten. Dargestellt ist der Farbraum eines TNT-Computer- Monitors.
Weitere (standardisierte und geräteunabhängige) Farbräume sind LCH, HSB sowie die von Fernsehen oder Photo-CD bekannten Farbräume YUV, YIQ und YCC, die wir in der nächsten Folge alle noch näher behandeln werden. Neben diesen geräteunabhängigen Farbräumen gibt es nahezu unendlich viele geräteabhängige Farbräume. Das ist leicht zu verstehen, wenn Sie sich ein fotografisches Dia auf dem Normlicht-Leuchttisch vorstellen und dessen Farbumfang mit demjenigen des davon hergestellten Datensatzes vergleichen, den Sie auf einem Computer-Monitor betrachten. Dabei haben Sie es bereits mit zwei ganz verschiedenen Farbräumen zu tun, nämlich mit demjenigen des fotografischen Materials und dem gänzlich anders gearteten Farbraum des Monitors. Betrachten Sie dann Drucke, welche von diesem Datensatz auf verschiedenen Drucksystemen (bis hin zum farbigen Druck in einer Tageszeitung) hergestellt wurden, erhalten Sie eine Ahnung von der Vielfältigkeit der verschiedenen Farbräume und von der Schwierigkeit, diese ineinander zu verrechnen, ohne dabei die ursprüngliche Charakteristik der Originalaufnahme zu verlieren!
Text © by Jost J. Marchesi
Abbildungen: Archiv Jost J. Marchesi
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Am nächsten Freitag in der 8. Folge: «Farbräume und Farbprofile»