Stellen Sie sich vor, Sie würden seit 50 Jahren intensiv fotografieren und hätten ein Archiv mit Tausenden von Fotos. Es ist eine Sammlung mit Bildern aus allen Bereichen des Alltags, aus vielen Ländern und Städten, die sich im Laufe der Zeit zur Unkenntlichkeit verändert haben und deren Ansichten meist nostalgischen Charakter haben. Oder es sind Strassenszenen, wie sie heute kaum mehr vorkommen sowie Porträts von Menschen, die wir nur noch durch Fotos in Erinnerung haben. Oder es sind Digitalbilder neuestens Datums, denen oft eine gesunde Prise Humor und Situationskomik eigen ist. Stellen Sie sich weiter vor, Sie müssten daraus eine Auswahl treffen, nicht nur ihrer emotional liebsten Bilder, sondern auch jenen, die Unbedarfte als «gute Fotos» empfinden. Und stellen Sie sich weiter vor, das ganze Bildmaterial, das Sie schon mal auf «nur noch» etwa 600 reduziert haben, sei in eine logische Abfolge zu bringen, um daraus einen attraktiven Bildband zu gestalten.
Genau dieser Aufgabe hat sich Werner Gadliger zusammen mit seiner Lebenspartnerin Ines Anselmi gestellt und in aufwändiger Arbeit nicht nur die vom Herausgeber vorgeschlagene alphabetische Reihenfolge der Bilder nach Aufnahmeorte berücksichtigt, sondern sie haben versucht in diesem Schema eine möglichst originelle Gegenüberstellung der Bilder auf den Doppelseiten zu erreichen.
Das ist ihnen vortrefflich gelungen. Zwar wirkt das Buch beim ersten Durchblättern etwas ungeordnet, weil man vielleicht eher die chronologische Abfolge der Bilder in einer Retrospektive erwartet hätte, doch sind es die originellen Gegenüberstellungen der Motive, welche dem Buch seine Spannung verleihen. Nach Vorgabe des Verlages ist die Bildabfolge alphabetisch nach den Aufnahmeorten systematisiert, was der Leser allerdings erst realisiert, wenn er das Bilderverzeichnis am Ende des Buches konsultiert. Schade, dass der Aufnahmeort nicht bei jedem Bild steht – man würde auf diese Weise diese Logik schneller erfassen.
In den Bildern von Werner Gadliger spiegelt sich das Leben wider – das Leben von Menschen in anderen Kulturkreisen, in teils ernsten, teils lustigen Situationen, die der Fotograf blitzschnell erfasst und damit unvergänglich gemacht hat. Es zeigt aber auch typische Landschaften und Stadtansichten, deren Identität erst durch das Bilderverzeichnis verraten wird und ansonsten viel zur Spannung des Buches beitragen.
Das Buch ist eine grossartige Monografie geworden, welche nicht nur das vielfältige und ausdauernde Schaffen von Werner Gadliger dokumentiert, sondern auch sein bildgestalterisches Flair und seine Fähigkeit Situationen, insbesondere Strassenszenen, reaktionsschnell zu erfassen, zum Ausdruck bringt. Das Buch ist gleichzeitig ein spannendes Zeitdokument, welches uns an wenig bekannte Destinationen entführt oder bekannte Metropolen in bisher ungesehenen Ansichten zeigt.
Für wen ist dieses Buch? «Nebenschauplätze» wird seinem Titel gerecht und zeigt uns das breite Schaffensspektrum von Werner Gadliger mit spannende Strassenszenen und Impressionen bekannter und unbekannter Orte. Es ist ein attraktiver Bildband, der uns die vielfältige Ausdrucksweise in der Fotografie vor Augen führt, die gerade für junge Fotografen Vorbildfunktion haben dürfte. Das Buch dokumentiert das Schaffen eines zeitgenössischen Fotografen, der sein Handwerk beherrscht und seinen Sinn für Bildgestaltung pflegt – und dies seit mehr als 50 Jahren.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Herausgebers
Der Zürcher Fotograf Werner Gadliger (*1950) suchte in seinem umfangreichen Negativ- und Digitalarchiv der letzten 50 Jahre nach Nebenschauplätzen und wurde fündig, sodass eine welt- und weitläufige Bildfolge in alphabetischer Reihenfolge Ordnung der Örtlichkeiten entstand.
Der Inhalt
Fritz Franz Vogel «Kosmokulturpoesie von A bis Z»
A Apulien, Ascona, Au-Zürich
B Baden, Bali, Barcelona, Basel, Bayonne, Bellinzona, Bern, Bilbao, Biarritz, Biel, Bologna, Brighton, Budapest, Buenos Aires, Bukarest, Burgenland
Manfred Papst «Mit genauem, liebevollen Blick»
C Cadiz, Caldas-de-Reinha, Calvi, Cannes, Carrara, Casale, Catania, Castelfidardo, Chartres, Chiavari, Cordoba, Courgenay, Cruas-Meysse, Cordoba
D Dijon, Draguignon
E El-Puerto-de-Santa-Maria, Elsass, England, Englisberg, Ericeira, Estavayer-le-Lac
F Fayence, Frankreich, Fray-Bentos
G Gaucin, Genua, Granada, Grazalema, Gruyères, Gurnigel
H Hamburg, Havanna, Hof, Hvar
I Innsbruck, Istrien, Italien, Ittingen
K Kloten, Kroatien, Kanyiakumari, Kos
L La-Sagne, La Spezia, La-Voulte, Laufenburg, Lausanne, Lesbos, Lenzburg, Lienz, Linz, Lissabon, Le-Puy-e-Velay, Locarno, London, Lons-le-Saunier
M Macerata-Marche, Marche, Medina, Marseille, Mendrisio, Milano, Menton, Milau, Montech, Montauroux, Molivos, Mombello, Munduk, Muggia
N New York, Norditalien, Naxos, Nizza
O Österreich
P Pagliajo, Padang, Palma-de-Mallorca, Pamplona, Paris, Pilsen, Pontarlier, Pont-sur-Sâone, Palermo, Preko, Pula, Punta-del-Este
Q Quissac
R Rijeka, Rikon, Riverside, Ronchamp, Ronda
S São-João-des-Lampas, Saint-Michel-d’Aiguilhe, Salsomaggiore, Schlieren, Säntisgebiet, Salzburg, San-Carlos, San-Nazzaro, Sant-Feliu-de-Guixols, Sommières, Santander, Sarra-di-Scupamena, Schlieren, Sevilla, Sète, Split, Statford-upon-Avon, St. Raphael, Stäfa, Südengland, Südtirol, Strassburg, Szigliget
T Tapolca, Trento, Teba, Tessin, Tinos, Tremona, Trento, Triest, Tschechien, Turin
U Ubud, Uruguay
V Valencia, Venedig, Vevey, Vongy
W Weggis, Wien
Ines Anselmi «Das Exotische im Alltäglichen, das Alltägliche in Exotischen»
Z Zadar, Zonzo, Zugerberg, Zug, Zürich
Verzeichnis der Abbildungen
Zu den Autoren
Inhaltsverzeichnis der Texte
Werner Gadligers Fotografien in Ausstellungen, Medien, Sammlungen und Publikationen
Die Autoren
Werner Gadliger (geb. 1950 in Kehrsatz bei Bern). Nach seiner Fotografenlehre bei Emil Balzer und Hans Hinz in Basel war er als Luftbildfotograf im Helikopter in Österreich, England und in der Schweiz unterwegs, bevor er sich nebst den obligaten Brotjobs künstlerischen Aktivitäten zuwendet und als Fotograf, Radierer und Zeichner tätig ist. Von besonderer Qualität sind seine Fotoserien von Künstlern wie Alex Sadkowsky, Jean Tinguely, Roman Signer, Karl Gerstner, H.R. Giger, Fritz Müller, Carl Bucher und vielen anderen, die Einblick in das lokale und überregionale Kunstschaffen geben. 1977 veröffentlicht Gadliger sein erstes Buch «Fotografien», dem weitere Bücher, Publikationen und Editionen folgen. Seit 1979 lebt Werner Gadliger als Fotograf und Zeichner in Zürich und nimmt an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen teil.
Manfred Papst (geb. 1956 in Davos) studierte Sinologie, Germanistik und Kunstgeschichte in Zürich und schliesst mit einer Arbeit zur Übersetzbarkeit chinesischer Lyrik ab. Danach absolvierte er ein Zusatzstudium in Geschichte und wirkt freiberuflich als Korrektor, Lektor, Übersetzer, DeutschIehrer und Herausgeber für verschiedene Verlage tätig. Er arbeitete beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF) an der Edition der Werke und Briefe Friedrich Glausers mit, war danach Programmleiter des NZZ-Buchverlags und später Ressortleiter Kultur der NZZ am Sonntag, bei deren Kulturredaktion er weiterhin Mitglied ist. Manfred Papst erhielt 2005 den Zürcher Journalistenpreis und 2015 den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik.
Fritz Franz Vogel (geb. 1957 in Luzern) arbeitet seit 1992 produktiv, kooperativ und interdisziplinär in den Medien Text, Fotografie und Buch (Gestaltung, Druckvorstufe und Herausgeberschaft) und befasst sich mit Sammlungen, Forschungen, Lehrtätigkeit, Publikationen und Ausstellungen in den Bereichen inszenierte und dokumentarische Fotografie, populäres und freies Theater, Alphabete und visuelle Kommunikation, Kunst, Körperbilder und Erotica. Er lebt und arbeitet in Diessenhofen TG.
lnes Anselmi (geb. 1948 in Zürich), Ethnologin, Journalistin und Freischaffende in der Kunst- und Kulturpromotion. Sie startete als Texterin in der Werbung. Nach dem Studium der Ethnologie, Europäischen Volksliteratur und Geschichte an der Universität Zürich wirkte sie als Marketing-Chefin einer Entwicklungsorganisation. Nach einem mehrjährigen Exkurs in den freien Journalismus war sie bei der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia als Projektleiterin tätig. Danach arbeitete sie als Video-Journalistin, Lektorin und Fundraiserin einem Online-Kultursender. Heute ist sie selbständig als Gestalterin von Publikationen und Videos.
Bibliografie
Werner Gadliger «Nebenschauplätze»
480 Seiten, ca 600 sw- und Farbbilder
Fester Umschlag, Fadenheftung, Format 30 x 21,5 cm
Herausgeber: Fritz Franz Vogel
Edition ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ.com, Diessenhofen
Preis: CHF 88.00 / EUR 80.00 (plus Versandspesen)
Buchausgabe ISBN 978-3-03858-516-9
eBook-Ausgabe ISBN 978-3-03858-517-6
Erhältlich im Buchhandel oder online beim Fotografen Werner Gadliger