Urs Tillmanns, 19. August 2021, 15:00 Uhr

Heute ist «Tag der Fotografie»

Das Jahr 1839 wird offiziell als Erfindungsjahr der Fotografie genannt, dies weil am 19. August 1839 nachmittags – fast auf die Stunde genau vor 182 Jahren – die französische Regierung die Erfindung von Louis Jacques Mandé Daguerre (1787-1851) gekauft und diese der ganzen Welt zum Geschenk gemacht hatte. Mit Ausnahme von England, wo Henry Fox Talbot (1800-1877) seine Talbotypien als Fotografien auf Papier einige Tage zuvor hatte patentieren lassen, was die Verbreitung der Daguerreotypien in England verhinderte. Deshalb sind englische Daguerreotypien extrem selten. Aber das ist eine andere Geschichte …

In einer feierlichen Sitzung am 19. August 1839 machte die französische Regierung die Erfindung Daguerres der ganzen Welt zum Geschenk.

Daguerre war jedoch beileibe nicht der einzige Erfinder der Fotografie. Diese lag schon seit langem gewissermassen «in der Luft», indem seit rund vierzig Jahren in fast allen Ländern nach einem chemischen Stoff gesucht wurde, mit dem die Bilder der Camera obscura fixiert werden konnten. Nicéphore Niépce (1765-1833) war der erfolgreichste, dem 1826 die erste Fotografie auf einer asphaltbeschichteten Zinnplatte gelang, die das Scheunendach seines Anwesens in Saint Loup-de-Varennes zeigt. Daguerre und Niépce unterzeichneten 1829 einen Partnerschaftsvertrag, doch verstarb Niépce vier Jahre danach, so dass Daguerre bei der offiziellen Bekanntgabe des Verfahrens am 19. August 1839 als «alleiniger Erfinder der Fotografie» gefeiert wurde.

Die beiden Erfinder Niépce und Daguerre auf der französischen Gedenkmarke zu 100 Jahre Fotografie 1939.  Die Marke weist einen Fehler auf: Am erwähnten 7. Januar 1839 informierte Dominique Arago die Akademie der Wissenschaft über die Erfindung Daguerres, während die Abbildung die Bekanntgabe der Fotografie vom 19. August zeigt.

Die Liste der weiteren Erfinder von fotografischen Verfahren vor 1839 ist lang, und wahrscheinlich wird sie nie ganz vollständig werden. Allen voran ist neben dem bereits erwähnten Engländer Henry Fox Talbot (1800-1877) ist der Franzose Hyppolyte Bayard (1801-1887) zu nennen, dem um 1837 Papierbilder gelangen, doch wurde ihm im Juni 1839 vom französischen Innenminister Duchâtel ein Schweigegeld von 600 Francs bezahlt, um die Veröffentlichung von Daguerres Verfahren am 19. August nicht zu stören.

Auch die Schweiz hat «ihren» Erfinder der Fotografie: Der Berner Tierarzt Andreas Friedrich Gerber (1797-1872) gelang es 1836 mit Hilfe des Sonnenmikroskops Bilder von tiermedizinischen Präparaten anzufertigen, was am 2. Februar 1839 im Schweizerischen Beobachter publiziert wurde. Seine Bilder gelangen ihm wahrscheinlich auf Chlorsilberpapier, einem ähnlichen Verfahren also wie demjenigen von Fox Talbot, und es ist anzunehmen, dass er dies vor allem für seine tiermedizinischen Untersuchungen nutzte.

Die Daguerrekamera von Alphonse Giroux war nach Veröffentlichung des Verfahrens ein Verkaufs- und Exportschlager

Nach der Veröffentlichung von Daguerres Verfahren verbreitete sich dieses rasant in allen Ländern. Daguerres Schwager Alphonse Giroux hatte bereits vorgesorgt und komplette Ausrüstungen zur Herstellung von Daguerreotypien mit der Kamera «Le Daguerréotype» und den erforderlichen Platten und Chemikalien zusammengestellt, die sich schlagartig verkauften. Andere Kameratischler und Optiker zogen nach. Die erste solche Ausrüstung liess sich der St. Galler Maler Johann Baptist Isenring (1796-1860) kommen, um damit als erster kommerzieller Schweizer Fotograf Bilder nach dem neuesten Verfahren anbieten zu können. Diese zeigt er vom 13. bis 27. August 1840 in der vermutlich ersten Fotoausstellung der Schweiz in St.Gallen.

Die Karikatur von Maurisset «La Daguerréotypomanie» übertreibt ulkig die Verbreitung der Daguerréotypie

In den Folgejahren kamen bald neue Verfahren an den Tag, wie das Kollodiumverfahren von Frederic Scott Archer (1851), die Silber-Gelatine Trockenplatte von Richard Leach Maddox (1871) und schliesslich der Rollfilm von Hannibal Williston Goodwin (1887), welcher nach einem langen Patentstreit mit George Eastman der Fotografie für Jedermann zum Durchbuch verhalf.

Das Silber-Gelatine-Verfahren durchlief während rund hundert Jahren zwar viele Verbesserungen, beispielsweise mit der Farbfotografie (1936) und der Sofortbildfotografie (1947), die jedoch alle auf dem gleichen fotochemischen Prinzip des latenten Bildes und dessen Entwicklung beruhten. Erst ziemlich genau hundert Jahre nach der Popularisierung der «Kodak»-Kamera machte eine neue Technologie auf sich aufmerksam – die digitale Fotografie. Anstelle des lichtempfindlichen Films war ein elektronischer Sensor getreten, der das Bild in Bits und Bytes umsetzte und damit die Ära der Gegenwart der elektronischen Fotografie einläutete.

Text und Archivbilder Urs Tillmanns

 

2 Kommentare zu “Heute ist «Tag der Fotografie»”

  1. Sehr geehrter Herr Tillmanns,

    Sie schreiben dass Niépce 1826 die erste Fotografie auf einer asphaltbeschichteten Kupferplatte gelang. Ich habe gelernt man sei sich unter Historikern bzgl. einer genauen Datierung nicht einig. Der Fotohistoriker Beaumont Newhall (Geschichte der Photographie) datierte die Aufnahme z.B. auf das Jahr 1827. Hat sich die Wissenschaft inzwischen auf das Jahr 1826 geeinigt?

    1. Guten Abend Herr Spiegi. Die Datierung der ersten Fotografie ist nicht eindeutig. Helmut Gernsheim, der das Original 1952 fand, ging von 1826 aus, räumte aber ein, dass es auch im Frühjahr oder Frühsommer 1827 hätte sein können (siehe The History of Photography 1685-1914, McGraw-Hill 1969, S 58/59).

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