Urs Tillmanns, 1. September 2021, 07:00 Uhr

Berufsausbildung: aus drei mach eins

Die Gründe, weshalb die drei Ausbildungsrichtungen der Fotofachhandelsberufe reorganisiert und zu einer neuen Berufsbezeichnung zusammengeschlossen werden sollen, sind vielfältig. Erstens hat sich das Aufgaben- und Ausbildungsspektrum der Fotoberufe gewandelt. Die Silberfotografie ist auf ein bescheidenes Niveau zurückgegangen, anstelle der Laborarbeiten ist die digitale Bildbearbeitung getreten, und neu werden bisherige Randgebiete immer wichtiger, wie Video, soziale Medien oder Virtual Reality. Zweitens ist die Anzahl der Auszubildenden zurückgegangen, von etwa 150 vor 20 Jahren zu knapp 40 in diesem Jahr. Ist der Beruf unattraktiv geworden? «Wenn man die Anzahl der Lehrstellengesuche als Gradmesser nehmen würde, dann ganz sicher nicht. Bei vielen Arbeiten die Fotomedienfachleute ausüben, kann man seine Kreativität ausleben und der Kontakt mit Kunden, denen man Fotosupport anbieten darf, machen den Beruf sehr attraktiv» kommentiert Alex Mächler, Präsident des Berufsverbandes Imagingswiss. Und drittens hat eine Umfrage der B&Q (Kommissionen Berufsentwicklung & Qualität), die alle fünf Jahre unter den Ausbildungsbetrieben durchgeführt werden muss, ergeben, dass sich die meisten Betriebe aufgrund ihres Leistungsprofis nicht auf eine bestimmte Fachrichtung festlegen können oder wollen.

 

Rund 30 Interessierte waren an dem Informationsnachmittag in Zürich anwesend. Alex Mächler, Präsident von Imagingswiss, moderierte den Anlass

«Unser Beruf muss wieder attraktiver werden, damit wir junge Berufssuchende für die Fotografie und ihre modernen Technologierichtungen begeistern können» sagt Alex Mächler, der am letzten Montag zu einem Informationsnachmittag in die Berufsschule für Gestaltung in Zürich einlud. «Ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, ist ein neues Berufsbild, das diesen Veränderungen und dem Wunsch unserer Verbandsmitgliedern Rechnung trägt» fügt Mächler hinzu.

Das Konzept des neuen Berufs Fotomediafachfrau / Fotomediafachmann EFZ ist in groben Zügen festgelegt, nun geht es an die Detailarbeit, die bis Sommer 2022 abgeschlossen sein soll. Bereits dann sollen die ersten Kandidat/innen nach dem neuen Bildungsplan ausgebildet werden. Die wichtigsten Änderungen gegenüber dem heutigen Modell sind:

• Eidgenössisches Fähigkeitszertifikat (EFZ) ohne Fachrichtungen
• Berufsbezeichnung Fotomediafachfrau EFZ / Fotomediafachmann EFZ
• Lehrstoffplan Schule wird mit der Ausbildung im Betrieb abgestimmt.
• Bildungsplan wird mit 4 Handlungskompetenzbereichen definiert (siehe Bild unten)
• Überbetriebliche Kurse pro Jahr 4 Tage (12 statt 10 Tage)
• Foto-, Video- und Audioaufnahmen erstellen, verarbeiten und präsentieren
• Administrative Arbeiten ausführen
• Support bei Kundenanliegen (Troubleshooter)
• Bei Werbe- und Marketingmassnahmen mitwirken

 

Im Rahmen des Informationsnachmittags hat neben den generellen Orientierungen und der Moderation von Alex Mächler, Franziska Wettstein von der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) über den Zusammenschluss der drei Fachrichtungen zum Generalisten informiert sowie den Inhalt der Ausbildung und des Bildungsplans und die Anforderungen der Berufsbildner erläutert. Danach ging Marco Bärlocher, Projektleiter der Bildungsverordnung, auf das Qualifikationsprofil des neuen Berufes ein, erklärte, was darin alles neu sein wird sowie die Mindestanforderungen, die an die Ausbildner gestellt werden. Jürg Thalmann von der Schule für Gestaltung St. Gallen erläuterte den Rahmenlehrplan mit der Idee und der Umsetzung der Handlungskompetenzen und zeigte die Unterschiede zum bisherigen Schema auf. Dann informierte Sara Foser über die Auswirkungen der Neuausrichtung auf die Überbetrieblichen Kurse, welche beispielsweise von 10 auf 12 Kurstage verlängert werden sollen. Und schliesslich vermittelte Chefexperte Samuel Fankhauser die Ausführungsbestimmungen zum Qualifikationsverfahren des ersten Lehrabschlusses im Jahre 2025.

Die Teilnehmenden zogen sich zu einem Workshop zurück, um das Gehörte zu verarbeiten und eigene Ansichten einzubringen …

… die dann im Plenum diskutiert wurden. Noch ist nichts in Stein gemeisselt.

Danach folgte ein kurzer Workshop, wobei sich die rund 30 Anwesenden nach einem vorgegeben Themenplan zu ihren Wünschen und Anforderungen an die neue Bildungsverordnung äussern konnten. Im grossen Ganzen ergaben die Gesprächsrunden in drei Gruppen ein sehr einheitliches Bild, aus dem vor allem die Überzeugung zu hören war, dass ein neues Ausbildungskonzept, das der technologischen Entwicklung besser Rechnung trägt von Nöten ist, um den Fotofachberuf wieder attraktiver zu machen.

Informations-Abend in Bern am Dienstag, 14. September 2021

Der Informations-Nachmittag wird in ähnlicher Art am Dienstag, 14. September 2021 von 18:00 bis 20:00 Uhr nochmals in Bern durchgeführt. Imagingswiss Mitglieder aber auch weitere Interessierte können sich dazu noch beim Sekretariat des Verbands anmelden.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website www.imagingswiss.ch

Text & Bilder: Urs Tillmanns

 

3 Kommentare zu “Berufsausbildung: aus drei mach eins”

  1. Das Problem liegt in der völlig praxisfernen Ausrichtung und einem System, das träger nicht sein könnte. Wenn Video noch immer als „Randgebiet“ benannt wird und Begriffe wie „Silberfotografie“ am Leben erhalten werden, muss man sich über ein mangelndes Interesse bei potenziellen Lernenden nicht beschweren. Moderne Unternehmen greifen nicht ohne Grund immer mehr auf Quereinsteiger zurück, die mit aktuellem Wissen und realer Praxis jeden Lehrabgänger in den Schatten stellen. Ich arbeite im Foto- und Videofachhandel und hatte in der Vergangenheit Gelegenheit, Unterrichtspläne und -inhalte von Lernenden anzuschauen und wusste nicht, ob ich lachen oder mir an den Kopf fassen soll.

    1. Das Problem in der Trägheit des Systems und Praxisferne zu suchen, ist zu kurz gegriffen. Ich sehe die Problematik eher in der gängigen Vorstellung, man bräuchte seit Smartphone & digitaler Fotografie keine Menschen mehr, die sich professionell mit Fotografie beschäftigen. In Einzelfällen mag das zutreffen, der Grossteil des dabei erstellten Bildmaterials entbehrt (trotz) Vermarktung jeglicher Kenntnis von Bildsprache, Abhebung von Bildklischees und professioneller Standards. Ich habe in meinem Berufsleben die Erfahrung gemacht, dass man moderne Unternehmen nur dann gewinnt und vor allem halten kann, wenn man tatsächlich weiss, was man tut. Das habe ich meiner Ausbildung zu verdanken. Es sollte hier vielmehr darum gehen, junge Leute für eine Ausbildung zu sensibilisieren und zu begeistern.

  2. Der neue Fotomediafachmann*/frau soll richtg gut fotografieren können, die Bildbearbeitung im Griff haben und Ausgabegeräte fütten können. Videos mit Sound herstellen, editieren und präsentieren. Im Laden beratet der Lernende anspruchsvolle und gut informierte Kunden zur Produktewahl. Danach gehts ab ins Büro für Offerten und Preiskalkulationen. Jetzt folgt ein knackiges Marketingkonzept gefolgt von Werbemassnahmen. Ich frage mich: welcher Lehrbetrieb kann das vermitteln? Ich könnte es nicht. (habe 5 Fotografen ausgebildet, 3 waren im Rang)

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