David Meili, 4. Juli 2010, 10:24 Uhr

Blüttler, E-Books und Negerli von Aldi

Pressespiegel zum Wochenende vom 3./4. Juli 2010
Bis anhin zeigte kein Event so deutlich wie die WM 2010 auf, wie den Printmedien und der mit ihr verbundenen Pressefotografie die Felle davonschwimmen. Mit dem Ausscheiden von Teams, die für Schweizer Leser/innen von Interesse sind, wurde die Berichterstattung massiv heruntergefahren.

Es macht keinen Sinn, nach einer durchschlafenen Nacht eine Zeitung zu kaufen, wenn man bereits Minuten nach dem Spiel im Fernsehen zu einer fundierten Analyse durchzappt und dann 3D-Simulationen sieht, die im Printmedium nicht wiedergegeben werden können.

Was macht die „stärkste“ Sport-Zeitung der Schweiz? Der Blick zieht Stehsatz aus der Schublade und begraust uns mit Blüttlern an der Verzasca, dann im Maggia-Delta (gleichgeschlechtliche Männer um die 60) und am dritten Tag mit der Werdinsel (Kinder spielen neben gleichgeschlechtlichen Blüttlern).

Nun enttäuscht uns der SonntagsBlick. Wir haben eine Steigerung erwartet. Doch er bringt auf der Titelseite nicht Zicken-, doch Zeckenalarm in den Badis. Schuld sind nicht die Wanderbären aus Slowenien, es sind die Stadtfüchse. Die von uns geschätzte Fotografin erwähnen wir für einmal nicht.

„Auch ich bin Hayek„, dachte sich Chefredaktor Hannes Britschgi und widmet ihm sein Editorial. „EINMAL ZITIETRT MICH HAYEK nach Biel“. Man beachte die Typographie. Damit überbietet er Frank A. Meyer an unfreiwilliger Ironie (Interview mit Radio DRS 1, kultig).  Cool blieb Karl-Heinz Hug, der die Prominenz an der Trauerfeier im Kursaal Bern teilweise im Bild erfassen konnte. Fotos vom Apero auf der Terrasse durften nicht gemacht werden, der Schmerz sei zu gross…

Wir müssen nur noch eine Nacht schlafen. Am Montag bringt die Schweizer Illustrierte 14 Seiten über die Abdankungsfeier.

Sabine Wunderlin begleitete Walter Roderer und seine Freunde zum Geburtstagsfest auf einer Kreuzfahrt – auf dem Greifensee. Silvia und Christoph Blocher freuen sich. Für Promi-Bilder reichte die Zeit, denn das Schiff muss bis zum Dessert fünf bis sieben Runden drehen, bis der Heimathafen Maur wieder erreicht ist.

Im magazin zum SonntagsBlick werden wir fündig. Sandro Diener präsentiert eine Fotosession mit einem rothaarigen (?) Model in einer ehemaligen Nervenklinik im Piemont. Aufhänger ist ein bei JobScout24 gewonnener Schnuppertag für Alexis Giradin aus Neuchâtel. Girardin würde abschliessend seine Freundin nicht mit dem beinmageren Model tauschen, der Schreibende auch nicht.

Der Beitrag von Thomas Zaugg über das E-Book in DAS MAGAZIN hat unter Fachkolleg/innen bereits zu Diskussionen geführt. Zaugg kennt sich in der Geschichte von Multimedia und der Entwicklung  nicht aus. Der Hype für E-Books war vor zwanzig Jahren, z.B. an den jährlichen Multimedia-Kongressen in Cannes. In Japan setzte sich das E-Book durch, für Lehrmittel, Bücher für Service-Monteure und viele andere Anwendungen. Technik und Geschäftsmodelle lagen 1990 vor.

Zaugg hat eine völlig andere Pertspektive und sieht das E-Book als „Revolution“ im verkrusteten Buch-Verlagswesen auf unseren Breitengraden. Er entdeckt, wie ein traditioneller Verlag kalkuliert. Die meisten seiner Erkenntnisse kann man überlesen. Zaugg hat die vergangenen zwanzig Jahre der Diskussion in der Branche verpasst und sein Wissen weitgehend zusammengegoogelt und einige Gespräche geführt. Das können wir auch, und auf diesen Beitrag  für ein für die Fotografie ebenso relevantes Thema verzichten.

Es fragt sich, ob der Aufbau des Beitrags für ein Magazin noch zeitgemäss ist.  Sowas lernt man vielleicht noch am MAZ. Für den Lesenden wäre vielmehr eine Diskussion mit innovativen Persönlichkeiten aus dem Verlagswesen, wie André Gstettenhofer, interessant und seine Erfahrungen müsste ein Journalist auch hinterfragen. Im Beitrag steckt sehr viel Kleinarbeit, doch wer liest sich da durch?

Tom Haller bringt in der gleichen Ausgabe von DAS MAGAZIN Porträts des Bieler Lehrers Alain Pichard, hervorragend. Schade, dass die Bildstrecke nicht über eine weitere Doppelseite hinweggezogen wurde.

Es war nicht einfach für sonntag.ch, ein trauriges Bild von Yangzom Brauen zu finden. Sacha Ercolani beschreibt den Trennungsschmerz nach fünf Jahren Beziehung zu Guido Förweisser. Brauen hat ein sehr interessantes, schlecht lektoriertes Buch über ihre Familiengeschichte geschrieben. Ercolani hat (mit Bildern) auf Seite 15 von sonntag.ch eine Liste der „zu habenden“ Singles aufgestellt. Weder Yangzom Brauen noch René Prêtre dürften darüber erbaut sein. Wir nehmen an, dass sie das Blatt aus Baden gar nicht lesen.

Kurt-Emil Merki äussert sich auf der Medienseite in sonntag.ch zum  Verkauf von „Le Nouvelliste“ an die Gruppe Hersant. Es war ein Gnadenakt. Die über Jahrzehnte unter schlechtem Management leidenden Westschweizer Blätter werden nun konsolidiert. Für die Pressefotografie ändert sich nichts. Wer für die Blettli arbeitet, wird mit symbolischen Abgeltungen gelöhnt. Wer sich dagegen wehrt, wird aus der Szene ausgeschlossen. Und dann wird den ebenso mies bezahlten Freiberuflichem vom Text eine Kamera, die sie selbst erwerben, um den Hals gehängt. Merki greift kurz. Im nach wie vor gewerkschaftlich mit-kontrollierten Frankreich wären diese Bedingungen unwürdig.

Die versprochenen Negerli von Aldi folgen, da der Scanner einen neuen Treiber braucht. Schönen Sonntag.

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