Wenn sich heute die jüngste Generation kaum mehr an Diafilme erinnert, wie soll sie denn wissen, dass solche ehemals auch in der Schweiz, in Fribourg, hergestellt wurden? Filmhistoriker Gert Koshofer hat die Geschichte recherchiert und berichtet von eigenen Erfahrungen.
Fribourg 1946: Ein 46jähriger Mann stieg mit dem Modell einer kleinen Maschine unter dem Arm von seinem Chalet in der «Impasse de la Butte» hinunter zur Tellko SA in der Rue de l’ Industrie. Er hatte im Keller seines Chalets eine Versuchsbegiessmaschine gebaut und wollte den Direktoren der Tellko beweisen, dass es möglich wäre, auch Colorpapier zu produzieren. Dieses kleine Unternehmen war vor nunmehr 75 Jahren, 1935, von drei Italienern in Fribourg gegründet worden und hatte bisher nur respektable Schwarzweiss-Fotomaterialien hergestellt.
Die Tellko an der Rue de l’ Industrie in Fribourg in den 1950er Jahren (2)
Verdienst von Dr. Wilhelm Schneider
Der Mann mit der kleinen Maschine war kein Geringerer als Dr. Wilhelm Schneider (1900-1980). Er hatte Mitte der 1930er Jahre bei der Agfa in Deutschland wesentliche Grundlagen für das Agfacolor-Verfahren geschaffen, mit dem ab 1936 Dia- und Schmalfilme und später auch Farb-Negativ/Positiv-Materialien für Foto und Kino hergestellt werden konnten. Seit 1941 hatte er die Wissenschaftlichen Farbenphotographischen Laboratorien der Agfa Filmfabrik in Wolfen geleitet. Dieses Werk fiel 1945 der sowjetischen Siegermacht in die Hände. Doch Dr. Schneider hatte sich im Tross der Amerikaner, die zunächst Wolfen erobert hatten, nach München absetzen können, wo er im Februar 1946 auf Drängen des US-Colonels Ranger ein Manuskript mit dem hintergründigen Titel «Wegweiser zum Agfacolor-Verfahren für jedermann» verfasste. «We take the brain» war das Motto der anglo-amerikanischen Befreier Deutschlands, die sich nun der Rezepte und Patente des besiegten Landes bemächtigten. Dazu gehörte auch das wertvolle Agfacolor-Verfahren, über welches Dr. Schneider alles wusste.
Dr. Wilhelm Schneider vor seinem Chalet in Fribourg, fotografiert 1952 vor seinem Chalet in Fribourg (1)
Doch die Tellko lud ihn im Juni 1946 nicht deswegen ein, nach Fribourg über zu siedeln – sie war an der Optimierung ihrer Schwarzweiss-Materialien interessiert. In ihrem Verwaltungsrat sass allerdings ein Herr Sandoz, Bildhauer und mehrfacher Millionär, zudem verwandt mit den gleichnamigen Chemie-Industriellen. Er war sehr an der Farbfotografie interessiert und gab Dr. Schneider die Chance, als Technischer Direktor von Tellko seine Pläne zu realisieren und bald schon auf der bestehenden Giessanlage Colorpapier zu produzieren. Nun fehlte nur noch ein eigener Farbnegativfilm dazu, «fremde» von Agfa, Gevaert in Belgien und Ferrania in Italien kamen schon bald auf den Markt und Dr. Schneider wusste um die kommende Marktbedeutung von Farbfotopapieren. Ferraniacolor Negativfilm und Papier waren allerdings auch Dr. Schneider und der Tellko zu verdanken gewesen. Ferrania hatte nämlich mit Tellko im September 1948 einen Vertrag geschlossen, um aus der Schweiz genaue Fabrikationsvorschriften für Farbfilme und –papiere zu erhalten. Dr. Schneider selbst reiste oft zu den Italienern, um sie zu beraten.
Diverse Produkte von Tellko: Telcolor Farbnegativ Kleinbild-, Roll- und Planfilme (oben), Lonex-Schwarzweisspapier und Telcolor Kleinbildfime für Tages- und Kunstlicht (unten).
Fortschritte bei Telcolor
Aber 1950 war es nach knapp fünfjährigen Vorarbeiten so weit: Der Telcolor Kleinbildfilm für 20 Aufnahmen und das Telcolor-Papier kamen in der Schweiz auf den Markt. 1951 konnten auf der Züricher Photo- und Kino-Ausstellung auch Roll- und Planfilme vorgestellt werden. In einem deutschen Pressebericht hiess es darüber: «Die ausgestellten Bilder bis zur Grösse von 50 x 60 cm (…) zeichneten sich durch hohe Farbbrillanz und Naturtreue aus und vor allem fielen die Weissen auf, die keinen farbigen Belag mehr zeigten (…)» Dr. Schneider hatte bei Telcolor – im Team mit den ihm zunächst nach Fribourg gefolgten Agfa-Chemikern Dres. Dehio, Fröhlich, Mareis, Schilling und Tanzen – wichtige Verbesserungen in dem auch Telcolor zugrunde liegenden Agfacolor-Verfahren erreicht: eine universelle Abstimmung des Negativfilms für wahlweise Aufnahmen bei Tages- oder Kunstlicht, die optionale Einentwicklung einer Silbermaske zur Kontraststeuerung, den Fortfall der Gelbfilterschicht im Colorpapier und dessen einfachere Verarbeitung. Telcolor-Papier wurde nämlich mit nur noch zwei Bädern verarbeitet, das Bleich- und das Fixierbad waren dabei kombiniert. Die Entwicklung von Film und Papier war frei gegeben, aber in der Tellko-Entwicklungsanstalt wurden von dem Film in der Anfangszeit zwei im Filmpreis einbegriffene Kontaktkopie-Streifen auf Telcolor-Papier angefertigt. Einer war auf die Tageslicht-Wiedergabe, der andere auf die Kunstlicht-Wiedergabe der Farben ausgefiltert. Das war nützlich für die Bestellung der Kopien und Vergrösserungen. Farblich sollen die frühen Telcolor Negative und Papierbilder mit denen von Ferraniacolor gleich gewesen sein, weil Ferrania die Farbkuppler von Tellko bezog. Umgekehrt lieferte es die Filmunterlage für Telcolor.
Titelseite eines Telcolor-Prospekts aus den frühen 1950er Jahren. Das Bild hat Dr. Wilhelm Schneider aufgenommen, und seine Sekretärin stand ihm Modell. (1)
Von Ciba übernommen
Die Filmempfindlichkeit des Telcolor Negativfilms war anfangs bei Tageslicht wie 13/10 °DIN (ISO 16/13°) und bei Kunstlicht wie 14/10 °DIN (ISO 20/14°) ähnlich niedrig wie bei den anderen europäischen Farbnegativfilmen. 1963 erschien dann der höher empfindliche Telcolor Negativfilm mit 16 DIN (ISO 32/16°) – allerdings nicht mehr von Tellko selber produziert, sondern von Ferrania zugeliefert. Inzwischen war Tellko im Dezember 1960 von der Ciba übernommen worden. Das Hauptinteresse lag nun bei dem Silberfarbstoff-Bleichverfahren, also bei Cibachrome, dem Vorgänger der heutigen Ilfochrome-Materialien. Cibachrome war im Frühjahr 1962 bei der «Photorama 62» im Kongresshaus Zürich und dann im März 1963 auf der Kölner photokina vorgestellt worden. Im April 1964 richtete Ciba in der Schweiz als Testmarkt einen Kopierservice für Amateurbilder ein. Für 2,50 Franken konnte man in Fribourg ein 9 x 13 cm grosses Bild von Telchrome und anderen Diafilmen herstellen lassen – auf «Cilchrome-Print» wie das Material vorübergehend in Anlehnung an die Zusammenarbeit von Ciba und Ilford genannt wurde. 1967 wurde der enttäuschende Praxistest für Amateure beendet und Cibachrome ausschliesslich als Fachmaterial frei gegeben.
Telcolor Test- und Werbeaufnahme am Neuenburgersee aus den frühen 1950er Jahren (2)
Aus Fribourg auf dem Weltmarkt
Zurück zu Telchrome: Das war, von der Ciba Photochemie, der Nachfolger der Telcolor Diafilme. Deren erster, noch niedrigempfindlicher Typ (IS0 16/13°), war schon von 1953 bis 1955 auch als Rollfilm hergestellt worden. 1958 kam dann der – nach dem Vorbild des Agfacolor CT 18 Films aus Leverkusen – wie 18 DIN (ISO 50/18°) zu belichtende verbesserte Telcolor Diafilm heraus. Er wurde um 1961 sogar nach Argentinien, Australien, Dänemark (dort als «Merchrome»), Frankreich, Griechenland, Italien, Malta, Neuseeland, Österreich, Portugal; Spanien und in die Türkei exportiert, wo Telcolor –Umkehranstalten eingerichtet worden waren. Das war in Anbetracht der geringen Fribourger Produktionskapazität eine erstaunliche Leistung. Für Westdeutschland lieferte die Berliner Firma Sirius Filmtechnik Karl Draser den Diafilm kurze Zeit unter den Vertriebsmarken «Siricolor» und «Adina» (für den Kaufhof), ohne seine wahre Herkunft mitzuteilen. Erst der Ende 1963 als Verbesserung von Telcolor erschienene Telchrome Diafilm kam dann regulär in Westdeutschland auf den Markt, wo er in Anbetracht der starken Konkurrenz, insbesondere von Agfa-Gevaert und Kodak, wenig erfolgreich war. Nachdem schon 1964 der Telcolor Negativfilm aufgegeben worden war, wurde 1965 auch Telchrome zugunsten der Weiterentwicklung von Cibachrome im neuen Werk in Marly bei Fribourg aufgegeben.
Eblingen am Brienzersee fotografiert 1959 von Gert Koshofer auf Telcolor Diafilm. Die Farben haben sich bis heute erstaunlich gut gehalten. (1)
Erfahrungen mit Telcolor-Dias
Den Verfasser, Gert Koshofer, verbinden mit den Schweizer Diafilmen eigene gute Erfahrungen. Seine ersten Dias von 1959, denen Anfang der 1960er Jahre weitere Aufnahmen folgten, haben sich bis heute sehr gut gehalten. Die Farbwiedergabe ist «warm», das heisst etwas gelbbetont, mit leicht violetten Schatten, aber insgesamt erfreulich leuchtend. Seine Telchrome-Dias aus der Zeit um 1964 sind dagegen im Laufe der Jahre rötlicher geworden, waren also weniger konstant.
Mit Telcolor verbunden sind die Erinnerungen des Verfassers auch an einen Besuch in Fribourg im Sommer 1961, wo Dr. Andreas Schilling als Leiter der Filmprüfstelle – eine Position, die er bis 1945 auch bei Agfa in Wolfen innegehabt hatte – zusammen mit Schneiders Nachfolger Dr. Ziegler sich von ihm erfolgreiche Vergleichstests von Telcolor mit Konkurrenzfilmen projizieren liess. Das war in einem Kellerraum an der Rue de l’Industrie, der Verfasser wusste noch nicht, dass es von dort gar nicht so weit zu Dr. Schneiders Chalet war. Dieser hatte sich Ende 1960 von Tellko zurückgezogen, da er vom Silberfarbstoff-Bleichverfahren nicht viel hielt. Das habe «schon bei Agfa nicht richtig funktioniert» meinte er, als ihn der Verfasser endlich im Juni 1980 in Fribourg zu einem Interview besuchte. Das war sicher eine Fehleinschätzung von Cibachrome gewesen. Doch mit einer Äußerung hatte der dann 80jährige Chemiker sicher recht, als er über Agfacolor und damit auch über Telcolor sagte: «Hätte ich das Zeugs nicht erfunden, hätte ich heute meine Ruhe.» Er fand sie mit seinem Tode am 2. August 1980.
Norman Rothschild, früherer Redakteur der grössten Fotozeitschrift der Welt «Popular Photography»in New York, testete 1964 den neuen Telchrome-Diafilm. Die schon damals warme Farbwiedergabe dieses Films ist inzwischen noch rötlicher geworden. (1)
Gert Koshofer, DGPh
Bildquellen:
1 Sammlung Gert Koshofer
2 Sammlung Urs Tillmanns / Schweiz. Kameramuseum Vevey
Danke für den informativen Artikel. Übrigens; wenn man auch wegen der „Härte“ des Materials Dias oft maskieren musste, ist und bleibt Cibachrome (neben dem sehr aufwändigen Day-Transfer-Verfahren) bis heute das beeindruckenste Material um zu erstklassigen Papierprints zu kommen.
Ein Cibachrome-Panorama-Bild hängt seit Jahren-der vollen Sonne ausgesetzt- an meinem Fenster. Ueber 18 Monate allerdings auch eine Belichtung aus einem ZBE-chromira. Die Farben sind immer noch einwandfrei. Habe eine lichtgeschützte Kopie zur Gegenkontrolle. Jenes RA4-Panoramaposter von 1992 war nach 3 Monaten in der Vitrine verblasst. Es hätte UV-laminiert werden sollen. Es ist erschreckend mit was für Schrottqualität sich renomierte Fotofirmen nur beschäftigten. Der Höhepunkt war eine Maschine welche den Film beim Schnellentwickeln zerstörte, das Printresultat war miserabel, egal ob man da die Daten noch auf CD bekam. BTW: Das System war von Kodak. Was man nicht alles unternimmt nur damit die Kohle stimmt. Schrottprodukte wie Flaschenboden-Objektive und dergleichen sind out!
Tellko war meines Wissens ein vorgänger von Cibachrome, welches einen interessanten starken Silber-Reflexionseffekt erzeugte. Ich habe ein kleines antiques Alpenpanorama in Farbe.
Liebe Kommentar-Einsender,
auch ich schätze die Qualität (Farben, Schärfe und Stabilität) von Cibachrome & Ilfochrome sehr. Mit dem Zitat von Dr. Schneider über das diesen Materialien zugrundeliegenden Silberfarbstoff-Bleichverfahren wollte ich sie keineswegs abwerten.
Übrigens hatte auch Agfa-Gevaert mit Agfachrome CU 410 vorübergehend ein gutes, mit Cibachrome vergleichbares Material nach dem Silberfarbstoff-Bleichverfahren hergestellt.
Herr Przewrocki meint Telcolux auf hochreflektierender Basis. Das war kein Vorgänger von Cibachrome, da dieses Material fotochemisch dem Telcolor-Papier (Agfacolor-Verfahren) glich.
„Vorgänger von Cibachrome“ waren die englischen Ilford Colour, Ilfachrome und Ilfochrome Prints (1953 bis 1963). Diese dienten vor allem als Kopiermaterialien für die entsprechenden Farbdiafilme von Ilford.
Gert Koshofer