Urs Tillmanns, 20. März 2011, 15:08 Uhr

Erfahrungsbericht: Mit dem Tamron 18-270 mm im Zürcher Zoo

Das im Dezember vorgestellte Tamron 1:3,5-6,3/18-270mm Di II VC PZD ist jetzt lieferbar. Wir haben das ultrakurze 15fach-Zoom kürzlich einem Praxistest unterzogen und besuchten damit den aus dem Winterschlaf erwachenden Zoo Zürich. Lesen Sie hier, wo dieses beeindruckende All-in-One-Objektiv seine Vorzüge hat und für welche Fälle es weniger geeignet ist.

«All-in-One Zooms», so nennt Tamron ihre Objektive mit einem besonders grossen Zoombereich. Sie sind haben bei Tramron seit fast zwei Jahrzehnten Tradition. 1992 war das Model 71D 1:3,8-5,6/28-200 mm AF aspherical mit seinem Siebenfachzoom und einer asphärischen Linsenfläche eine Sensation. Seither hat Tamron diese Produktelinie konsequent ausgebaut und ist heute bei einem 15fach Zoom angelangt, das gerademal 96 mm lang und 450 Gramm leicht ist. Dabei ist nicht nur der Brenweitenbereich das Beachtliche – dieser bot schon der Vorgängertyp, der vor zwei Jahren auf den Markt kam – sondern die noch weiter verkürzte Bauweise mit der piezogetriebenen Autofokuseinrichtung und der mechanischen Bildstabilisation.

Das Objektiv bei 18 mm (links) und 270 mm Zoomstellung (rechts)

Ein Objektiv für alles?

Ganz klar, dass Objektive mit einem derart grossen Zoombereich sehr vielfältig eingesetzt werden können. Besonders in der Reisefotografie findet ein 15fach-Zoomobjektiv seine Liebhaber, weil das Objektiv relativ klein und leicht ist, wenig Raum einnimmt und von der weitwinkligen Übersichtsaufnahme bis zum herangezoomten Detail weite fotografische Möglichkeiten öffnet. Hinzu kommt seine Nahgrenze mit 49 cm Objektabstand, das im gleichen Schwung interessante Nahaufnahmen zulässt.

Tamron 18-270 mm in 18mm-Weitwinkelstellung und 300fache Ausschnittsvergrösserung

Tamron 18-270 mm in 270mm-Telestellung und 300fache Ausschnittsvergrösserung

Mit seinem Brennweitenbereich von 18 bis 270 mm, was beim Vollformat 27 bis 405 mm entsprechen würde, ist das Objektiv ideal für die Reportage- und Reisefotografie. Ein kompaktes Objektiv, wenig Platzbedarf in der Foto- oder in einer gewöhnlichen Handtasche und seltener Objektivwechsel sind die praktischen Vorteile, verbunden mit einer schnellen Arbeitsweise, durch schnelle Veränderung des Bildwinkels.

Blitzschneller Wechsel von der Übersichtsaufnahme mit 18mm zum Teledetail mit 270 mm

Der 15fache Zoombereich, mit dem Tamron unverändert einen Marktrekord hält, deckt in der Praxis ein breites Kreativfeld ab. Um dies zu veranschaulichen haben wir einen Rundgang durch den Zoo in Zürich gemacht, dessen Bewohner jetzt das Erwachen des Frühlings geniessen und sich als ideale Motive präsentieren. Sie sind geduldig und kameragewohnt, und an vielen Freigehegen kommt man bis etwa sieben bis zehn Meter an die Tiere heran, was mit der längsten Telestellung von effektiven 420 mm (entsprechend Kleinbild) sehr schöne Detailaufnahmen und Tierporträts ermöglicht.

Beeindruckender Ausschnitt – aus sicherer Distanz

Natürlich geht es bei einem Objektiv mit diesen Abmessungen und einem solchen Brennweitenbereich nicht ohne Kompromisse. Dieser liegt logischerweise in der Lichtstärke. 1:3,5-6,3 klingt nicht gerade berauschend, was die Einsatzmöglichkeiten bei wenig Licht einschränkt – mindestens theoretisch. In der Praxis kommt hier der VC-Bildstabilisator (VC bedeutet Vibration Compensation) zu Hilfe.

Der VC Mechanismus besteht aus einer beweglichen Linse, dem VC Element, das die Vibrationen durch Bewegungen parallel zur Bildebene ausgleicht. Kontrollorgane sind ein Positionsdetektor und eine Steuereinheit, in welcher zwei Gyro-Sensoren die horizontalen und vertikalen Vibrationen erfassen und an den Mikroprozessor melden. Dieser berechnet den Rotationswinkel und gibt entsprechende Steuerbefehle an die Antriebseinheit, die das VC Element mit drei Magneten entgegen der Vibrationsrichtung verschiebt. Dieser Vorgang wiederholt sich 4000-mal pro Sekunde.

In der Praxis arbeitet der Bildstabilisator von Tamron verblüffend gut und lässt einen Gewinn von mindesten zwei bis vier Belichtungsstufen zu. Selbst Aufnahmen in den Terrarien und Aquarien des Zürcher Zoos, in denen recht spärliche, den Tieren bekömmliche Lichtverhältnissen herrschen, waren aus freier Hand auch bei langen Zoomstellungen sehr scharfe Aufnahmen möglich.

Schneller Autofokus durch Piezoelement

Eine weitere Bedingung für gelungene Aufnahmen ist die schnelle Scharfeistellung, welche bei den Tamron-Objektiven von einem Piezo-Element angetrieben wird. Das PZD (Piezo Drive) arbeitet nach dem Prinzip der stehenden Welle, welche dadurch entsteht, dass eine hochfrequente elektrische Spannung an das piezoelektrische Element angelegt wird.

Eine Metallspitze an der Piezokeramik wird durch die Drehbewegung des Elements dabei in eine elliptische Rotation versetzt und treibt mittels Reibung den Rotor an. Motoren, die mit stehenden Wellen angetrieben werden, lassen sich sehr kompakt bauen und tragen damit zur Kompaktheit der Objektive bei. In der Praxis bewährt sich dieses System durch ein sehr leises Funktionsgeräusch und eine schnelle und präzise Autofokuseinstellung. Übrigens ist die Piezo-Steuerung in der Objektiv-Variante für Sony-Kameras nicht vorhanden, weil dort die Fokussierung kameraintern erfolgt.

Neben dem Zoomring und dem Fokussierring verfügt Objektive über drei Bedienungstasten, die es zu beschreiben gilt: An der AF/MF-Taste wird zwischen automatischer und manueller Scharfeinstellung umgeschaltet. An der VC-Taste kann der Bildstabilisator ausgeschaltet werden, was meines Erachtens eigentlich kaum Sinn macht und sogar mit der Gefahr verbunden ist, dass man den Bildstabilisator versehentlich ausschaltet. Weiter gibt es einen Zoom-Lock, mit dem die Zoom-Funktion in der Weitwinkelposition arretiert werden kann, damit das Zoom beim Transport nicht selbsttätig ausfährt. Vielleicht sinnvoll, nützlicher wäre es meines Erachtens, wenn man das Zoom in jeder Brennweitenstellung fixieren könnte, was bei Vertikalaufnahmen nützlich wäre.

Aufwändige Konstruktion

Ein Objektiv mit einem derart grossen Zoombereich und so kompakten Abmessungen, stellt an die Optik höchste Anforderungen. Tamron hat hier ohne Zweifel eine Höchstleistung vollbracht, die nur dank dem Einsatz von zwei Asphären und zwei LD- bzw. AD-Linsen (gelb). AD heisst «Anomale Dispersion» und bezeichnet Glassorten mit einer geringen Abhängigkeit der Brechzahl des Glases von der Wellenlänge des Lichts, mit denen die chromatische Aberration (Farbstreufehler) über den gesamten Brennweitenbereich gut korrigiert werden kann. Nachteil: Diese Fluorphosphatgläser sind nicht nur auf Grund der Rohstoffe sehr teuer, sondern sie verlangen vor allem nach sehr komplexen Fertigungs- und Bearbeitungsverfahren, damit die für fotografische Objektive erforderliche Reinheit erzielt werden kann. Das verteuert das Objektiv.

Ebenfalls zur kurzen Bauweise und optimalen Korrektion optischer Fehler tragen die beiden asphärischen Linsen (blau) bei, die im neuen 18-270 mm-Objektive Verwendung finden, mit denen speziell der Öffnungsfehler, die Koma und die Verzeichnung verbessert werden können. Die Herstellung der von der Kugelform abweichenden Linsenfläche erfolgt heute – und vor allem bei Produkten in dieser Preisklasse – durch den Verbund einer sphärischen Linse mit einer speziellen Kunststoffschicht, die zur asphärischen Fläche verformt wird.

Auch wenn der hohen Lichtstärke in der Digitalfotografie nicht mehr die gleiche Bedeutung zukommt wie in der analogen Fotografie, weil höhere ISO-Werte für jede entsprechende Aufnahmesituation eingestellt werden können, führt die Anfangsöffnung 1:3,5-6,3 in gestalterischen Hinsicht zu gewissen Einschränkungen, nämlich beim das sogenannte Bokeh. Das ist die unscharfe Auflösung des Hintergrundes beispielsweise bei einem Porträt, die eine sehr schöne Freistellung und Tiefenwirkung ergibt. Voraussetzung dafür ist eine lange Brennweite und eine möglichst grosse Blende mit geringer Schärfentiefe. Und hier ist natürlich die Anfangsöffnung 1:6,3 bei kleinbildentsprechenden 420 mm Brennweite schon auf der schwachen Seite. Praxistipp: Das Bokeh lässt sich auch in der Bildbearbeitung erzielen respektive verstärken, doch ist der Effekt nie so perfekt wie mit einem hochlichtstarken Extemtele – dafür steht es preislich in keinem Verhältnis.

Volles Tele, offene Blende. Mehr Bokeh-Effekt ist damit nicht möglich

Das ist aber nicht der einzige Kompromiss, der bei einem solchen Objektiv technisch bedingt ist, nämlich die Verzeichnung. Diese kann über diesen langen Brennweitenbereich zwar optimiert, aber nie gänzlich beseitigt werden. So zeigen Weitwinkelaufnahmen eine leichte tonnenförnige Verzeichnis, die bei langen Brennweiten zu einer kissenförmigen wird. Also für Reproduktionen ist ein solches Objektiv nicht gerade ideal.

Das neue 18-270 mm hat hingegen einen anderen Vorteil, der in der allgemeinen Fotografie gewichtiger ist, nämlich seine Nahgrenze von nur 49 Zentimeter über den gesamten Zoombereich. Mit dem geringsten Abbildungsmassstab von 1:3,8 sind in der Telestellung Aufnahmen von einer Objektfläche von ca 90 x 60 mm möglich. Das ist für ein 15-fach-Zoom ganz beachtlich und ist ideal, um in der Reisefotografie da und dort ein interessantes Detail gross darzustellen. Andererseits können mit 18, bzw 28 mm interessante Weitwinkelperspektiven realisiert werden, bei denen ein kleines Objekt im Vordergrund vor einem weit verlaufenden Hintergrund betont werden kann.

Gelungene Tierporträts: Impressionen aus dem frühlingshaften Zürcher Zoo

Fazit

Das neue Tamron 1:3.5-6.3/18-270mm Di II VC PZD ist ein interessantes Universalzoom, das sich durch seine kompakte Bauweise, die sehr guten Abbildungsleitung und die vielfältige Einsatzmöglichkeit auszeichnet. Diese erstrecken sich über einen 15fach Zoombereich vom Weitwinkel bis zum extremen Tele, wobei auch Nahaufnahmen bis 49 cm in allen Brennweitenstellungen möglich sind. Ein ideales Objektiv für Fotografen, die insbesondere in der Reportage- und Reisefotografie auf eine kompakte, aber vielfältig nutzbare Fotoausrüstung wert legen.

Urs Tillmanns

Das Tamron 1:3.5-6.3/18-270mm Di II VC PZD ist für Canon und Nikon Kameras verfügbar, zu einem späteren Zeitpunkt auch für Sony Kameras ohne den PZD-Bildstabilisator.

Für technisch Interessierte hat Tamron auf ihrer Webseite ein sehr interessantes Technologie-Lexikon aufgeschaltet, welches generelle und Tamron-spezifische Fachbegriffe hervorragend erläutert.

Weitere Informationen über das Objektiv finden Sie hier.

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Tamron 1:3,5-6,3/18-270 mm Di II VC PZD
Modellbezeichnung B008
Brennweite 18-270 mm (entspricht KB 27-405 mm)
Lichtstärke 1:3.5 – 6.3
Bildwinkel (Diagonal) 75°33‘ – 5°55‘
Konstruktion 16 Elemente in 13 Gruppen
davon 2 LD und 2 Asphären
Blendenlamellen 7
Kleinste Blende 22
Naheinstellgrenze 49 cm
Kleinster Abbildungsmassstab 1:3,8 (Objektfeld ca 90 x 60 mm)
Filtergrösse 62 mm
Abmessungen 74,4 x 96, 4 mm
Gewicht 450 g
Preis CHF 998.–

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Tamron-Objektive werden in der Schweiz vertrieben durch
Perrot Image SA
CH-2560 Nidau
Tel. 032 332 79 79

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