David Meili, 29. Mai 2011, 10:12 Uhr

Neue Impulse für die Regionalpresse, Ai Weiwei und Biss in den Schritt

Pressespiegel zum Wochenende vom 28./29. Mai 2011

Mit einem für unsere Szene bemerkenswerten Beitrag zeigt Kurt-Emil Merki in Der Sonntag auf, wie Die Südostschweiz den Zeitungsmarkt am oberen Zürichsee aufmischt. Nachdem die Zürichsee Zeitung die Flagge gestrichen hat, dringen die Bündner vor, – und mit Erfolg. Sie konnten die abonnierte Auflage in einem aus demographischen Gründen schrumpfenden Markt steigern. Das Rezept der Redaktion in Uznach sind gut recherchierte Beiträge. Der Schritt zur professionellen Fotografie liegt nahe. Menschen mögen Bilder und Videos.

Mittelfristig dürfte sich bei den Zürcher Landzeitungen nur noch Der Landbote dank seiner hohen journalistischen Qualität halten.  Colette Gradwohl und ihr Team leisten eine hervorragende Arbeit. Wäre auch einen Beitrag wert. Kurt-Emil Merki schrieb seinen Beitrag nicht uneigennützig. „Seine“ Zeitung expandiert mit Christian Mensch, einem sehr geschätzten Journalisten in den Raum Basel. Viellleicht überzeugt die journalistische Qualität LeserInnen und die Werbung für ein abonniertes Printmedium. Patronale Züge zeigt Der Sonntag mit der  Selbstdarstellung der Familie Wanner auf der Lenzburg.

Sibylle Berg hat im Auftrag des SonntagsBlick magazin die „Schweiz“ bereist. Die Redaktion hat Preise vorrecherchiert. Daran lässt sich nichts krtisieren. Der Text versteht sich als „literarisch“. Man kann ihn so haben, wenn man ihn so lesen will. Man hat ihn (aus Kostengründen) nicht fotografisch begleitet. Es ist definitv kein auszeichnungsfähiges Meisterwerk des Reportage-Journalismus, ob man „die Berg“ mag oder nicht. Den Rest des Magazins beurteilen wir nicht.

Der SonntagsBlick war mit dieser Ausgabe nie so peinlich, auch nicht in Bildern. Wenn man guten Boulevard mit guter People-Fotografie machen möchte, sollte man sich an der Dufourstrasse kompetent beraten lassen. Le MatinDimanche hat die Themen getroffen, und mit sehr guten Aufnahmen von Philipp Schmidli illustriert. Die SVP zeigte sich unangemeldet auf dem „Grütli“ und quer im Layout. In Lausanne versteht man etwas von der Kraft der Bilder.

Nachtrag: Der SonntagsBlick Sport, wie jeden Sonntag, hervorragend. Sehr gutes Bild von Sven Thomann von Patty Schnyder. Der NZZamSonntag liegt ein schönes Programm des Menhuin Festival in Gstaad bei. Antonin Scherrer hat als Redaktor auf Schwarzweissfotos gesetzt. Hergestellt wurde es bei Müller Marketing&Druck AG in Gstaad. Alles hat Stil, mit dem Hauptsponsor HSBC.

Im Fussball spricht man von Geisterspielen. Dass Vernissagen ohne den Künstler stattfinden müssen, der sie konzipiert hat, gibt es in unserer Zeitzone kaum. Doch sowohl im Kunstmuseum Luzern wie im Fotomuseum Winterthur war Ai Weiwei sehr präsent. Physisch sass er in einem Kerker in China. Gerne hätte man auch Chinesen eingeladen, wie kulturell sehr gebildete Leute aus der Botschaft in Bern oder den Delegationen in Genf, dem IOC in Lausanne. Selbst am Zürichberg findet man bei der FIFA kompetente Gesprächspartner. Von unserer Seite besteht kein Grund, nicht immer wieder einen Brückenschlag zu wagen, und die Fotografie ist mit dem Fussball eines der besten Medien zur Völkerverständigung. Doch dann erwartet man wohl auch eine Gabe von der anderen Seite.

Die in den vergangenen Tagen am meisten aufgerufene Newssite im Raum Zürich betraf die dem Tages-Anzeiger zugespielten Akten der Staatsanwaltschaft zum Fall von  Carl Hirschmann. „Biss in den Schritt“ ist beim Vorwurf für Zwang zum Oralsex auch anderswo ein Thema. Natürlich möchte man wissen, wie man eine Frau auf einer Terrasse zum Oralsex zwingt, und wer sie ist. Wenige Stunden nach der Meldung auf Newsnetz wurden Bilder der Klägerin angeboten. Doch bis zum Erscheinen unseres Pressespiegels hat niemand diesen Schritt zur Publikation gewagt. Wir können uns selbst regulieren und haben Respekt vor der Frau, die den Mut hatte, gegen Hirschmann zu klagen.
(Bildnachweis: Fotomuseum Winterthur, Ausstellung Ai Weiwei, den wir gerne wieder einmal in Freiheit sehen möchten)

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