Zum ersten und vermutlich zum letzten Mal ist der skandalumwitterte Autofriedhof der Firma Messerli in Kaufdorf im bernischen Gürbetal für die Öffentlichkeit zugänglich. Nach nahezu dreissig Jahren Rechtsverfahren soll er im kommenden Jahr rückgebaut werden. Der Kunstschaffende Heinrich Gartentor (bürgerlich Martin Lüthi und Präsident von Visarte) ermöglichte die Publikumsöffnung über die Sommermonate durch die Kombination mit einer Kunstausstellung auf internationalem Niveau. Doch die meisten Besucher/innen kommen mit der Kamera und können sich an den verrosteten Autos der vierziger bis sechziger Jahre nicht satt sehen.
„Ich bin das Mädchen für alles“, sagt Herr Brunner, der mit dem Autofriedhof so gut wie verwachsen ist und die Eintritte mit einem Kugelschreiber gewissenhaft abstreicht. Brunner führt auch Gruppen durch den gespenstischen Märchenwald, lästert über Umweltbehörden und Politiker und betont immer wieder, was für Kulturgut bei der Auflösung des Autofriedhofs verloren gehen wird.
Kultur findet sich in der Kunstausstellung. „Links herum und dem Waldrand entlang…“, – vermutlich hat Brunner den Zugang zur Gegenwartskunst auch nach mehreren Wochen an der Reception des Events noch nicht gefunden. Doch die Ausstellung ist für Kulturinteressierte weit spannender als die morbiden, verrostenden Limousinen. So ist der in München dozierende Res Ingold wieder einmal in der Schweiz präsent, mit geordneten Fundstücken aus seiner imaginären Airline (darunter Kameras!). Bachmann/Banz überrascht und Chantal Michel, die im benachbarten Toffen aufgewachsen ist (wussten wir nicht) präsentiert mit dem vergammelten Lieferwagen „Georges“ ein diskursfähiges Objekt in der Nachfolge von Louise Bourgois. Erst in späteren Gedanken wird deutlich, was Kai Rheineck zur Ausstellung beigetragen hat. Seine Installation „Kein Dienstweg“ regt zum Nachdenken und zum Fotografieren an.
Vermutlich jeder zweite Besucher kommt zum Fotografieren. Kunststudenten findet man im Dialog mit stillen Amateuren. Man staunt, wie gut ausgerüstet und kompetent Hobbyfotografen sind. Selbst das Management eines grossen deutschen Autoherstellers habe sich nach einem Meeting in Interlaken in Kaufdorf umgesehen. Doch am 12. Oktober ist der Zauber zu Ende. Herr Brunner wird sich in seinen wohlverdienten Ruhestand zurückziehen und der Autofriedhof wird wie der Auftritt der Künstler/innen Geschichte sein.
Kaufdorf ist mit der S-Bahn ab Bern problemlos zu erreichen, Autofriedhof und Ausstellung liegen unmittelbar beim Bahnhof. Mit dem Auto erreicht man den Friedhof (es ist ein „Friedhof“ und kein Abbbruch) in zehn Minuten ab Ausfahrt Münsingen über Belp.
Sucht man Autofriedhof auf Flickr, so stösst man auf zahlreiche Bilder von dort: http://www.flickr.com/search/?q=autofriedhof
Viel Spass!
Mehr Bilder: http://www.photo-vinc.com/Galleries/Various/Car%20Junk/slides.html
12. Oktober
Dem Autor ist in seiner „gründlichen“ Recherche entgangen, dass es sich um den 12. Oktober 2008 handelt und der Autofriedhof, wie man der Homepage entnehmen kann, schon lange geschlossen ist.
Ich habe allerdings gehört, dass der Besitzer (Messerli) Bescher zum Preis von CHF 50.– noch immer auf das Gelände lässt.
Ich war mehr als einmal dort und weiss in der Zwischenzeit auch, dass Messerli bereit wäre, Autos zu verkaufen. Es gibt so etwas wie eine Shortlist. Dadurch hat sich das Verhältnis zur Gemeinde und den Behörden nicht sehr positiv entwickelt. Man darf ja auch nicht alles online publizieren, was man weiss. Und- danke für den Kommentar.