David Meili, 3. September 2008, 09:55 Uhr

Medientipp: Kriegsreporter prozessiert gegen Ringier

Der Fotoreporter Carl Just berichtete während 20 Jahren von den Kriegsschauplätzen der Welt. Als Folge davon leidet er unter chronischen Angstzuständen. Der Ringier-Verlag hat ihm gekündigt. Jetzt klagt Carl Just gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber.

Schweizer Fernsehen, Rundschau, Mittwoch, 3. September ab 20.50 Uhr.

4 Kommentare zu “Medientipp: Kriegsreporter prozessiert gegen Ringier”

  1. Ich habe mir die Sendung angeschaut. Leider konnte Ringier keine Stellung beziehen, da es sich um ein laufendes rechtliches Verfahren handelt. Aus der Sendung ging hervor, dass Carl Just zweifellos traumatisiert ist. Seine Reportagen waren auch von einem grossen sozialen Engagement geprägt (vor allem im Nahen Osten).
    Just konnte nach einer Erschöpfungsdepression im Medienhaus in den Bereichen Kultur und Sport weiterarbeiten, versuchte jedoch seine Probleme, – wie er offen bekannt gab, – mit Alkohol zu lösen.
    Der Film hinterliess zwiespältige Gefühle. Ringier wurde als Medienunternehmen auch nicht an den Pranger gestellt.
    Meine persönliche Meinung:
    Die (wenigen) globalen Agenturen ziehen ihre Leute regelmässig aus Krisengebieten zurück, wie auch die Hilfswerke. Letztlich sind es keine „Fälle“, sondern Menschen. Fotoreporter ist ein Traumjob, auf dessen Risiken man sich einlässt. Wie der Film die Arbeitsweise dokumentiert hat (Funktelefon, Kofferschreibmschine und Nikon) ist eher peinlich. Die Welt der Reportagefotografie hat sich in Krisengebieten rasch verändert. Man wird eingeflogen und hat die ganze IT-Infrastruktur und Panzerwesten zur Verfügung. CarlJust war noch nicht „embedded“.

  2. Nachtrag
    Wie der Mediendienst http://www.persoenlich.ch in der Ausgabe von heute schreibt, hat sich das Verlagshaus Ringier vor Gericht mit Carl Just in einem Vergleich über eine finanzielle Abgeltung geeinigt, jedoch jegliche Mitverantwortung von sich gewiesen.
    Just dürfte insofern ein Einzelfall bleiben, da heute nahezu alle der spezialisierten Kriegsreporter nicht mehr im Angestelltenverhältnis, sondern auf Auftragsbasis arbeiten. Selbst öffentlich-rechtliche Fernsehstationen lassen ihre Leute nicht mehr an die Front, sie delegieren ihre Reportagen an lokale Auftragsfirmen (z.B. im Irak oder im Libanon), – oder übernehmen sie von Zulieferern von CNN.

  3. Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort. Ich fand es ja sehr beeindruckend, dass auch einmal ein Fotograf darüber klagt (im doppelten Wortsinn), dass dieser Job als Kriegsreporter ein äußerst anstrengender und an Körper und Seele gehender ist. Manchmal werden die Fotografen ein wenig wie „coole Jungs“ dargestellt, das stört mich ein wenig (wenn ich an den Film von/über James Nachtwey denke). Ich glaube, dass niemand unberührt von so einem Schauplatz zurückkommt. Zu Ihrem Nachtrag: das passt mit dem überein, was ich am Abend mit Fotografen diskutiert hatte – in Österreich werden angestellte Fotografen nicht in Kriegsgebiete verschickt, es geschieht sehr wohl auf freiwilliger Basis. „Man muss das auch wollen“, wie mir ein Agenturchef mitteilte, „dass man dort hingeht“.
    Danke für Ihre Bemühungen, beste Grüße, MK

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