Pressespiegel zum Wochenende vom 13./14. September 2008
Eines der am meisten beachteten News-Bilder der Woche stammt nicht von einem Pressefotografen, sondern von einem Leser der Bild-Zeitung. Es zeigt die beiden SPD-Spitzenpolitiker Kurt Beck und Frank- Walter Steinmeier in Gedanken versunkenen bei einem Spaziergang. Man hat Zweifel, dass jemand mit dem Handy diese professionell anmutende Aufnahme geschossen hat. Offensichtlich stand der Hobby-Reporter zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und die Geschichte ist glaubwürdig.
Um bei der Bild-Zeitung zu bleiben: Paris Hilton wurde von Ihrer Mutter Kathy ins Ivy’s eingeladen und fuhr danach im Bentley bei Mc Donalds vor, weil sie offensichtlich noch nicht satt war. Auch diese Aufnahmen sind zu gut, um zufällig entstanden zu sein. Und überhaupt, wenn man die Bilderstrecke aufmerksam durchgeht, fragt man sich, ob die Aufnahmen am gleichen Tag entstanden sind. Doch Bildleser/innen und auch wir lieben moderne Märchen, selbst wenn sie von Paris und ihren Paparazzi inszeniert sind.
Unser Ski-Springer und Olympia-Gewinner Simon Ammann hat eine wunderschöne Russin geheiratet oder eben nicht. Die People-Presse hat einen Rückzieher gemacht. Sonntags-Blick und Schweizer Illustrierte fehlt damit eine Story für das Wochenende. Wir würden dem sympathischen Sportler einen glücklichen Flug ins Eheleben gönnen. Schadlos hält sich die Schweizer Illustrierte in der vergangenen Woche mit dem Liebesglück von Hakan Yakin und einer Tanja aus Bern, – in einem Pool in Katar. Die Aufnahmen sind derart kitschig, dass wir den Namen des Fotografen zu seinem Selbstschutz hier nicht erwähnen.
Andi Pol, der bereits mehrfach für seine Reportagen ausgezeichnet wurde, illustriert im Das Magazin einen Beitrag von Rico Cerwinski. Albinos werden in Tansania wie Tiere verfolgt und für Medizinalzwecke verarbeitet. Ob die Story von Cerwinski nicht etwas überdreht ist, bleibt offen. Pol konnte der Versuchung nicht widerstehen und hat die Opfer des Knochenhandels im Stil von Leni Riefenstahl abgebildet. Die Knochenhändler selbst sind bewusst in der schrecklichen Banalität ihres Alltags in Szene gesetzt.
Wie kann man das Unfassbare illustrieren, fragen sich jeweils am 11.9. die Bildredaktoren. Der Tages-Anzeiger vom 10. September 2008 hat einen hervorragenden Textbeitrag von Luciano Ferrari mit einer aussergewöhnlichen Aufnahme des Ground Zero von Joe Woolhead (DUKAS) ergänzt. Woolhead hat vermutlich aus einem Hubschrauber mit einem Extremweitwinkel die Leere des Platzes mitten in den Wolkenkratzern erfasst und den Schattenwurf perfekt miteinbezogen. Leider können wir das Bild nicht direkt in unseren Beitrag übernehmen, doch es findet sich auf der Site von Joe Woolhead:
http://www.joewoolhead.blogspot.com/
Die Geschichte um den Baby-Bauch der französischen Justizministerin Rachida Dati ist um ein Kapitel reicher geworden. Fotos der werdenden Mutter sind immer noch Mangelware. Aus Angst vor der Verletzung der Persönlichkeitsrechte greift man auf ältere Bilder zurück. Nun hat auch die Tagespresse Interesse an der Frage nach dem mutmasslichen Vater. Da man selbst in Magazinen wie Voici und Closer keine Spekulationen anstellen kann, die direkt mit Namen verbunden sind, greift man auf einen Trick zurück. Man lässt ganz einfach die deutsche Bild-Zeitung vermuten, es könnte sogar der Staatspräsident selbst sein und empört sich über dieses „abstruse“ Gerücht. Der gleiche Mechanismus spielt auch mit Bildern, die man als Ausriss aus einer anderen Zeitung, z.B. aus Belgien an Stelle des Originalbilds abdruckt.
„Heftli“, die irgendwo aufliegen, z.B. beim Zahnarzt, in Hotelzimmern oder in Flugzeugen führen bei Kulturkritikern ein Schattendasein. Swiss Society, herausgegeben von Robert Gloor, hebt sich markant von dem ab, was man oft lustlos durchblättert. Die Publikation überzeugt durch hervorragende Fotoreportagen. Zudem wird das Hochglanzmagazin in Basler Qualität bei der Birkhäuser AG hergestellt. Die aktuelle Ausgabe enthält eine grossartige und perfekt ins Zeitschriftenformat eingefügte Reportage über „Upper Egypt“. Höhepunkt der Nummer ist ein Beitrag von Kurt Amsler (Rolex Awards 2006) über den grössten Fisch der Welt. Swiss Society ist in diesen Monaten attraktiver als ein hochgelobtes Kulturmagazin. Patient/innen und Hotelgäste nehmen das Magazin schamlos mit und lassen die Konkurrenz links liegen.