Pressespiegel zum Wochenende vom 25./26.Oktober 2008
Gemäss Kleinreport spart das Verlagshaus Ringier massiv, vor allem bei Medien, die sich bis anhin durch einen engagierten Fotojournalismus auszeichneten. Besonders betroffen ist der Blick mit seinen Derivaten und die führungs- und ziellose Schweizer Illustrierte. Die Redaktionen setzen den Sparplan auch bei Bildern und Exklusivbeiträgen um. Man greift auf smart übertitelte Agenturmeldungen zurück und auf „Penny-Pics“ von Microstock-Agenturen, – oder auf „Symbolbilder“ aus dem eigenen Archiv.
Ob man die Krise im Inseratemarkt nicht auch als Chance sehen kann, um überholte Geschäftsmodelle über Bord zu werfen, wird offensichtlich nicht andiskutiert. Doch Leser/innen sind zunehmend auf gute und exklusive Bilder sensibilisiert. Professionell illustrierte Tageszeitungen wie Le Temps, Basler Zeitung und Magazine wie DAS MAGAZIN und das Magazin des SonntagsBlick halten sich in einem rezessiven Umfeld bestens.
Die inhaltlich schwache Ausgabe des SonntagsBlick von diesem Wochenende sollte kein Vorbote dafür sein, was uns inskünftig aus dem Hause Ringier erwartet. Eine Fotoreportage im engeren Sinn findet man nicht. Viele Beiträge sind durch „zur Verfügung“ gestellte Bilder, Archivleichen (Heiner Gautschy, – hätte eine grossartige Story abgegeben und verdient) oder gar Symbolbilder illustriert.
Im Magazin zum SonntagsBlick stammen die Bilder über die Titelstory (007) von der Agentur Dukas, dabei fanden die Dreharbeiten beinahe vor der Haustür statt. Immerhin hatte Sabine Wunderlin Gelegenheit, Luzerner Originale zu porträtieren. Den Text schrieb Erwin Koch, einst Edelfeder von DAS MAGAZIN. Martin Guggisberg hatte die Ehre, Klaus Wowereit im Gespräch mit Chefredaktor Hannes Britschgi im Hotel Dolder Grand abzulichten. Dann sorgt in der Mitte des Hefts ein mehrseitiger Unterschwäschekatalog von Coop City für gute Laune. Schade, dass wir nicht erfahren, wer die Bilder gemacht hat. Als ob das Thema noch nicht längst erschöpft wäre, besucht Gabrielle Kleinert Daniel Libeskind, den Architekten des Shoppingcenter Westside nicht in Bern, sondern in seinem „Home“ in New York. „Hier … lebt der Architekt mit seiner Frau“, erfahren wir.
Beim Blick sind immer noch mutige Leute am Werk. FIFA-Boss Sepp Blatter baute bei der Autobahnausfahrt in Spiez mit seinem Mercedes SL 63 AMG, einem der besten und leistungstärksten Autos der Welt einen Kollisionsunfall. Nach dem geringen Blechschaden wollte die Berner Kantonspolizei auch die medialen Bremsspuren verwischen und schraubte kurzerhand das Nummernschild des Unfallverursachers ab. Den Golf des Opfers liess man am Strassenrand stehen.
Inzwischen war ein aufmerksamer Lokalreporter des Berner Oberländer (Name der Redaktion bekannt) bereits vor Ort. Doch er hatte eine gefährliche Mission. Erst Tage nach dem Unfall tauchten Bilder mit dem im Gras stehenden Luxussportwagen und dem Nummernschild des VIP auf. Die lokale Presse wagte nicht, den prozesserfahrenen FIFA-Boss herauszuforden. Blick brachte die Wahrheit.
DAS MAGAZIN profiliert sich nach einigen Wochen mit eher dürftiger Bebilderung wieder einmal fotografisch. Die Aufnahmen von Herbert Augsburger hätten sich wie der Textbeitrag von Guido Mingels nicht auf zwei Ausgaben erstrecken sollen. Doch das Schlimmste kommt noch: Angesagt ist ein Sequel für die Ausgabe des kommenden Wochenendes.
DAS MAGAZIN leistet sich immer wieder gute, internationale Fotografie. Die stark bearbeiteten Aufnahmen von Antonin Kratchovil, der die Gegenwart in Schwarzweiss mit dem „Groove“ historischer Aufnahmen aus der Weltwirtschaftskrise zusammenbringt sind grossartig, die von der Redaktion eingefügten Bildlegenden peinlich. Noch peinlicher ist das beigelegte Magazin (!) SWISS LEADER. Inhaltlich, fotografisch und gestalterisch glaubt man eine Autowerbung vor sich zu haben, deren Niveau weit unter dem Image der als Sponsor auftretenden deutschen Edelmarke liegt.
Mutig ist die eingeheftete Werbebeilage von Globetrotter Travel Service mit beachtlichen 24 Seiten. Reiseleiter von Globetrotter, Transa und Globotrek sind gute Fotograf/innen und treten auch als Bildautor/innen in Erscheinung. Die Werbebeilage verleitet dazu, einen Bilck auf Globetrotter Das Reisemagazin für Weltentdecker zu werfen und mit einer bescheidenen Mitgliedschaftsgebühr im Klub zu abonnieren. Doch aufgepasst, im düsteren Herbstnebel stillt das Magazin kein Fernweh, – es macht Lust auf Abenteuer.
Auf Seite 9 von Das Magazin hat Mitbewerber Kuoni mit sehr viel technischem Aufwand eine Geschäftsantwortkarte als Abzugsbild mit der bizarren Foto einer blond-nordischen Tempeltänzerin (Goa oder so) aufkleben lassen. „Folgen Sie Ihren Sehnsüchten…“, lautet der Slogan. Doch wer träumt davon, den Tanzschritten einer losgelösten Mittvierzigerin zu folgen und wer löst die Karte von der Seite?
Erotik, Pornographie und Sexgewerbe sind wertneutral betrachtet seit dem19. Jahrhundert eine wichtige Stütze der Fotowirtschaft. Nun kämpfen die „Kioskheftli“ massiv ums Überleben, weil sich der Markt auf Internet, Teletext und Fernsehen mit SMS Response verlagert hat. Was bleibt, sind Zeitschriften wie der KONTAKTBLITZ, der sich mit einer nicht beglaubigten Auflage von 15’000 Exemplaren immer noch am Kiosk verkauft. LIBOSAN bietet ein unter Cellophan verschlossenes Booklet an, das vor allem der Werbung für die vom gleichen Unternehmen vertriebenen DVD, Hygieneartikel und Hilfsmittel dient. Beide Zeitschriften kombinieren Bildreportagen mit eindeutigen Tipps und Inseraten.
Wir sind Marco B. begegnet, der die Fotografie in diesem Gewerbe zu seinem Beruf gemacht hat. Sein Werdegang ist beispielhaft: Über Jahre war er Anzeigenleiter in der Lokalpresse, durch Outsourcing wegrationalisiert und dann Akquisiteur im Sex-Business. Hier entdeckte Marco seine Leidenschaft für die Fotografie, denn Kunden und Kundinnen gaben nur Inserate auf, wenn sie auch über verkaufsfördernde Fotos verfügen konnten. Marco begann sich für die Fotografie zu interessieren und lebt heute davon.
In den vergangenen Jahren hat sich die Szene wesentlich verändert. Die Ansprüche der Leser und Internet-User sind sehr viel höher. Modelle aus Osteuropa bewerben sich in den Clubs und Bordellen mit Sedcards, für die sich auch Stars der Modeszenen nicht schämen müssen. Lokale Escort-Services, Studios und freiberuflich Tätige müssen nachziehen und sind bereit, für gute Aufnahmen einen marktüblichen Preis zu bezahlen. Ein Stufe tiefer liegen jene Inserate, in denen mit unscharfen Handybildern die Phantasie bewusst angeregt wird. Dank Internet äussern sich die „Consumer“ in Foren gnadenlos. So werden auf Sites wie sexabc Bilder und die danach erlebte Realität verglichen. Der Markt spielt.
Marco B. hält sich als glücklicher Familienvater privat von der Szene fern. Auch die persönlichen Schicksale der „Sexarbeiterinnen“, die ihm bei Fotosessions Familiäres anvertrauen und oft Fotoalbums von ihren Kindern in Moldavien oder Thailand hervorholen, hält er auf Distanz. Ohne strikte Trennung von Beruf und Privatleben kann er diesen Job nicht ausüben. Doch die Fotografie fasziniert ihn zunehmend. Mit seiner Canon und langbrennweitigen Zooms trifft man ihn in der Freizeit im Besucherbereich der Nordpiste am Flughafen Zürich-Kloten beim Planespotting.