David Meili, 2. November 2008, 09:50 Uhr

Paparazzi chancenlos, alle setzen auf Grün und Alles für die Katz

Pressepiegel zum Wochenende vom 1./2. November 2008
Nachdem die italienische Zeitung „La Repubblica“ die Bombe platzen liess und eine offizielle Bestätigung für die Erpressung von Susanne Klatten durch einen veritablen Gigolo erhielt, waren die Bildredaktionen in Deutschland und in der Schweiz gefordert. Von der unauffälligen und diskreten Mittvierzigerin gibt es sehr wenige Bilder. Obwohl sie sich mit ihrer Familie oft und gerne in der Schweiz aufhält, wurde sie von der People-Presse bewusst nicht „bearbeitet“. Die wenigen faden Bildchen, am Freitag noch nahezu kostenlos erhältlich, waren plötzlich gesucht.

Der Sonntags-Blick verfügte über einen Heimvorteil und begann mit seiner gesamten Mann/Frauschaft massiv zu recherchieren. Auf Seite 2-3 erfahren wir nun fast alles über die Erpresserbande. Die Bildstrecke erinnert an Porträts einer Halloween-Party, die in der gleichen Redaktionsnacht möglicherweise einige der besten Kräfte schwächte. Nur am Rande erfährt man, dass der Lover Helg Sgarbin Offizier der Schweizer Armee ist. Wetten, dass Blick mit dieser Information am Montag nochmals zuschlägt, und hoffentlich mit besseren Bildern.

Die SonntagsZeitung verpasste das Thema gründlich und bringt auf Seite 2 (!), dass in Zürich in der Halloween-Nacht Eier auf Fassaden geworfen wurden. Auch in Rorschach habe ein 16-Jähriger 140 Eier in einem Versteck aufgespart. Vielleicht wird man im nächsten Jahr einen Bildreporter nach Rorschach entsenden.

Auch DAS MAGAZIN aus dem gleichen Medienunternehmen bringt an diesem Wochenende kaum visuelle und journalistische Highlights. Für die Illustration eines Beitrags über Teambildung wurden Samuel Schlegel und Reto Vonarburg (Schlegel/Vonarburg) verpflichtet. Jenseits vom guten Geschmack ist das Porträt von Miss Earth von Maurice Haas auf der zweitletzten Seite. Auch wenn das Weltbild der gebürtigen (und wunderschönen) Perserin Nasanin Nuri ebenso diffus ist wie das ganze Missen-Projekt, hätte man sie vorteilhafter darstellen können.

Doch alles, was als „grün“ bezeichnet werden kann, stösst zumindest in der Werbewirtschaft auf grösstes Interesse. Mit Spannung erwartete man in der vergangenen Woche das Erscheinen des neuen Magazins GRUEN der Schweizer Illustrierte. Die mit 124 Seiten voluminöse Publikation soll in Zukunft vierteljährlich erscheinen. Der Einstieg ist gelungen. Die Herausgeber schafften es, zumindest die erste Nummer mit hochkarätiger Werbung auf eine sichere Basis zu stellen. Im Gegensatz zur Konkurrenz, die zumeist mit Agenturbildern arbeitet, finden sich gute Bildreportagen. So illustriert Anne Gabriel-Jürgens einen Beitrag über die homöopathischen Mittel von Similisan. Flurina Rothenberger und Marcus Gyger bringen uns den Pilzkoch Thuri Maag und sein Nobelrestaurant „Neue Blumenau“ in Lömmenswil/SG näher. Leider ist die Website www.si-gruen.ch an diesem Wochenende offensichtlich noch nicht aufgeschaltet.

Coop lanciert mit Verde ein Gratismagazin mit vergleichbarem Profil, das Cosmopolitan und NZZ Folio beigelegt wird.  Inhalte sind Reportagen und Produkteempfehlungen rund um das gesamte Bio- und Drittweltsortiment mit Leitfiguren wie Melanie Winiger. Die beiden Projekte lassen sich nicht vergleichen, doch nach den ersten Ausgaben wird deutlich, dass man zunehmend Mühe haben wird, neue Themen und Bilder zu finden. So hat GRUEN alle Ökoautos und alle Ökostars in der ersten Ausgabe bereits vorgestellt, und selbst Coop dürfte vierteljährlich nicht so viele Bioprodukte hervorbringen, wie Verde darstellen kann.

Ebenfalls neu auf dem Zeitschriftenmarkt und verknüpft mit den Kampagnen von Coop ist das Magazin von SLOW FOOD. Die in Italien entstandene Organisation hat in der Schweiz Mühe mit ihrem Profil, da kein Bedarf an der Rettung von unserem auf dem Markt bereits erfolgreichen kulinarischen Erbes mehr besteht.  Zudem hat SLOW FOOD mit der exklusiven Bindung an Coop bei langjähringen Mitgliedern an Sympathie verloren. Das neue Magazin versucht durch Features und Reportagen die Botschaft hinüberzubringen. Es ist inhaltlich, visuell und redaktionell sorgfältig und vielleicht etwas zu perfekt realisiert. Ob der Markt es wirklich braucht, bleibt offen.

Das vermutlich seltsamste Gourmet-Magazin ist primär gar nicht für den Menschen bestimmt. Die Pet-Care Division Purina von Nestlé legt in Delikatessen-Geschäften ihr ***GOURMET Magazine auf und bietet aus dem gleichen Verlag auch LE MENU an. Doch auch das GOURMET Magazine enthält Rezepte für Menschen  und kombiniert sie mit entsprechenden Leckerbissen für die Katze. Die bezaubernde Chefredakteurin Magali Clavel hat einen Informations- und Produktemix geschaffen, der Katzenliebhaber/innen zweifellos anspricht. Sogar Katzenmusik (Meditationsmusik für Mensch und Katze) wird empfohlen. Das Heft ist schön illustriert, und selbst ein Fotowettbewerb fehlt nicht.

Und wie zeigt man den ersten Schnee auf der Regionalseite? Reto Oeschger vom Tages-Anzeiger hat die Aufgabe bestens bewältigt und ein riesengrosses, einsames Schwein im verschneiten Zürcher Zoo respektvoll abgelichtet. Der Schnee fiel in der Nacht zum Mittwoch, Redaktionsschluss war um Mitternacht. Auch wenn die Aufnahme vom Vorjahr stammt, freut man sich mit dem Schwein.

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