David Meili, 16. November 2008, 09:11 Uhr

„Cheese, Herr Blocher“, „Bitte keine Bilder“. sagte Samuel Schmid und Hundegeschichten

Pressepiegel zum Wochenende vom 15./16. November 2008
DAS MAGAZIN kündigt für die Ausgabe vom 29. November 2008 eine grosse Reportage über alt Bundesrat Christoph Blocher an, für die Michel Comte Porträts in der Reaktion an der Zürcher Werdstrasse aufgenommen hat. Das vorgezogene Making-Of ist Newsnetz/Tages-Anzeiger einen Beitrag wert, der zu einigen bissigen Kommentaren führte.

So fand Larry Flynt über zwei Stunden den Beitrag hervorragend. Sein Posting wurde innerhalb von Minuten gelöscht, als ihm Erwin C. Dietrich dazu gratulierte. Beim Aufräumen,l Nachgooglen undLöschen durch den Chef blieben allerdings eine witzige Teilnehmer dem Forum bewahrt.

Newsnetz sucht fieberhaft nach einer Lösung, um seine erfolgreichen und beliebten Kommentarseiten in sichere Bahnen zu bringen, ohne für Postings zu viele Barrieren aufzubauen. So werden Beiträge mit Fantasienamen ab sofort nicht mehr aufgeschaltet. Indirekt wird der Zugriff auch mit Cookies kontrolliert. User, die den Opera-Browser bis aufs Letzte abgesichert haben, beklagen sich, dass sie keine Beiträge mehr posten können.

Ob Michel Comte von Christoph Blocher aussergwöhnliche Bilder gelingen, bleibt in Frage gestellt. Sein Ruhm basiert zu einem Grossteil auf geschickter PR, Fleiss und vergangenem Ruhm. Doch lassen wir uns überraschen, auch wenn das Thema eher in die Weltwoche als in DAS MAGAZIN gehört. Die Zusammenarbeit der Zürcher SVP mit Spitzenfotografen begann Ende der siebziger Jahre, als das Porträt des damaligen Ständeratskandidaten Jakob Stucki von René Groebli für die Wahl von Stucki matchentscheidend war.

Der von Christoph Blocher einst als „unser halber Bundesrat“ bezeichnete  Samuel Schmid rührte die Fernsehzuschauer bei der Direktübertragung seiner Demission mehr als die im Pressezentrum anwesenden Journalist/innen. „Bitte keine Bilder…„, verlangte Schmid, als er wegen Nasenbluten, bewirkt durch Blutverdünner, kurz die Pressearena verliess. Zuvor hatte er einen der seriösesten Bundeshausjournalisten verbal entnervt angegriffen. Mit dem nur noch auf seine Pensionierung fixierten Bundesratssprecher Oswald Sigg als Wachsfigur im Hintergrund wirkte die Szene im Fernsehen surreal.

Die meisten Fotografen hielten sich an den Wunsch, doch Blick zögerte nicht, Blut und Tränen auch im Bild zu zeigen. In Sonntag.ch werden „die Medien“  von Bundesrätin Doris Leuthard gerade zu des Rufmords bezichtigt, und Oswald Sigg doppelt nun im Windschatten nach. Der mit Sigg befreundete Freiburger Professor Urs Altermatt lässt sich vernehmen, dass „Dämme gebrochen sind“. Die für den Beitrag in Sonntag.ch verantwortlichen Journalisten waren zuvor mehrheitlich bei der gerügten Konkurrenz tätig.

Wenn sich Samuel Schmid auf seinen Hundespaziergängen vom harten Amt eines Bundesrats erholt hat, wäre es ein Zeichen von Grösse, jenen Fotografen und Kameraleuten zu danken, die ihn in seiner Amtszeit fair begleitet haben. Und aus dem Kreis der vorzeitig pensionierten VBS-Kader findet sich sicher jemand, der die nicht immer glücklichen Regierungsjahre in einem Gedenkband aufpoliert. Der Kreis schliesst sich, wenn die Herausgeber auf Bilder der nun verfehmten Bundeshausfotografen angewiesen sind.

Was man in der News-Fotografie zeigen und nicht zeigen darf, ist relativ. So ging am Samstag ein Bild der Agentur Keystone um die Welt, das ein ratloses Touristenpaar beim Versuch zeigt, in Rom-Fiumicino bei der Alitalia einzuchecken. Die beiden Passagiere sind deutlich identifizierbar. In der Version des Pressebildes in hoher Auflösung sind sogar Kofferetiketten lesbar. Es ist kaum anzunehmen, dass die Personen auf dem Schnappschuss ihr Zugeständnis für eine Publikation gegeben hätten. Es stellt sich die Frage, ob kommerzielle News-Bilder von unfreiwilligen Akteuren ethisch verantwortbar sind.

Sonntag.ch wartet mit einer für Pressefotografen traurigen Ankündigung auf. Alle Zeichen stehen dafür, dass die Berner Traditionszeitung „Der Bund“ definitiv eingestellt wird. Über Jahrzehnten war der „Der Bund“ eine Plattform für qualitativ hochwertige Pressefotografie und beschäftigte, fünf Gehminuten vom Bundeshaus, eigene Pressefotografen von Rang. Doch wer den Niedergang des Qualitätsblatts in der Ära Stuber in Bern miterlebte, ahnte schon in den neunziger Jahren ein Ende mit Schrecken.  Den Druckfehlerteufel hätte man im Impressum als ständigen Mitarbeiter aufführen können, und Bildlegenden beachtete man alsLeser kaum mehr, da sie regelmässig vertauscht wurden. Auch nach massiven Investitionen durch die neue Besitzerin Tamedia AG konnten die Berner eine letzte Chance offensichtlich nicht nutzen.

Die direkte Konkurrentin Ringier dürfte vor allem ein Problem mit ihrer Wochenpresse haben. Wie an Kiosken zu beobachten war, wurde die Ausgabe der Schweizer Illustrierten der vergangenen Woche bereits ab Donnerstag „gebündelt“, während die Schweizer Familie nachbestellt werden musste. Die Schweizer Illustrierte hatte sozusagen die ganze Nummer Barack Obama und seiner Familie gewidmet, wie bereits das Magazin zum SonntagsBlick vor dem Erscheinen. Für dieses Thema interessierte sich kaum jemand mehr. Den Erfolg der Schweizer Familie begründete die stets freundliche Kioskinhaberin damit, dass bei kaltem Wetter mehr gelesen und auch mehr Schokolade gekauft werde.

Bei Ringier lernt man teils schnell, teils nicht so schnell. Die Ausgabe der Schweizer Illustrierte vom 17. November führt die Autorasergeschichte weiter, die der SonntagsBlick jedoch bereits aktueller in seiner Ausgabe vom 16. November ausquetscht. Des Rätsels Lösung: Die Schweizer Illustrierte geht Mitte der Vorwoche in Druck und ist ab Freitag jeweils bereits als e-Paper verfügbar.

Der SonntagsBlick tauscht immer mehr Beiträge mit der deutschen Bild-Zeitung aus. So findet sich die  Meldung über das Privatleben von Sepp Blatter in beiden Print- und Online-Zeitungen. Offensichtlich wird die Zusammenarbeit, die bei den Internetversionen technisch bereits besteht auch redaktionell immer enger. Für eine Homestory war der vielbeschäftige Grossvater Blatter offensichtlich noch nicht bereit, und so stützt man sich auf Agenturbilder.

In der Deutschschweiz rüstet die Lokal-und Regionalpresse mächtig auf. Seit einigen Tagen befindet sich www.news1.ch im Betabetrieb und kann nach dem Erstellen eines Accounts auch öffentlich getestet werden. News1 ist im Gegensatz zu Newsnetz der Tamedia-Gruppe ein „Umbrella-Portal“, hinter dem die an vielen kleineren Zeitungen beteiligte NZZ-Gruppe steht. Über ein gemeinsames Portal und eine News-Übersicht gelangt man zu den Angeboten der einzelnen Partner-Medien. Auch wenn technisch noch nicht alles ausgereift ist, hat man in sehr guter Zeit ein beachtenswertes Projekt realisiert.

Es irritiert, wenn man sich schrittweise nicht mehr in news1.ch befindet, sondern mitten in der Aargauer-Zeitung. Man hat  kein Fenster im Fenster (zumindest nicht in Firefox) sondern ist vom Schaffhauser zum Aargauer Leser geworden.

Die erste Meldung in der Beta von news1.ch hat irritiert: „Frau von Wischmaschine“ erfasst. Las sich, wie „Mann beisst Hund„, und wirkte als origineller Platzhalter. Doch dann folgte in einem anderen Medium der Zeugenaufruf der Kantonspolizei Schaffhausen, und man realiserte, dass news1.ch nun ernsthaft live geht.

Während Newsnetz.ch bereits mit Bildstrecken experimentiert, die allerdings von ärgerlicher Werbung unterbrochen werden, ist news1.ch in Sachen Fotografie verbesserungsfähig. Einer der originellsten Beiträge der Woche war lediglich mit einem Symbolbild der Kantonspolizei Solothurn „geschmückt“.

Hier unser Tipp, liebe Kolleginnen und Kollegen von news1.ch,wie man Eure Site attraktiver machen könnte:

„Ein 12jähriger Jack Russell Terrier büchste aus, als ein Landwirt in Lüsslingen SO seinen Stall mistete und rannte auf dem Pannenstreifen der Autobahn via Biel. Nach mehrfachen Versuchen von Autofahrern, den Hund von der Gefährlichkeit des Vorhabens zu überzeugen, wurde die Autobahn mit Tunnel gesperrt. Die Kantonspolizei konnte das Hündchen schliesslich einfangen, das seinen Retter vor der Rückgabe noch in die Hand biss.“ (Zusammenfassung)

Eine Bildstrecke zur Meldung der Polizei hätte unzählige „Hits“ gebracht, ob die Bilder von der Kapo oder von Eurem Lokalkorrespondenten gewesen wären. Ihr habt die Chance verpasst. Den Jack Russell, der längst bei seinem Meister wieder zu Hause ist, könnte man noch porträtieren, – doch allenfalls für die „Tierwelt“.

Den „Hund der Woche“ zeigt die Bild-Zeitung, – ein Bild, das bereits nach zwei Tagen sechstellige Zugriffe verzeichnete.

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