Pressespiegel zum Wochenende vom 29./30. November 2008
Die Schweizer Illustrierte ist von Pech und Pannen verfolgt. Nachdem die Nummer 46 über den Wahlerfolg von Barack Obama wegen der Konkurrenz aus dem eigenen Haus am Kiosk bereits Mitte der Woche vorzeitig gebündelt wurde (fotointern.ch berichtete darüber), stellt die Ausgabe 48 der SI vom 24. November Leser und Werbekunden erneut vor eine Bewährungsprobe. Die Schweizer Illustrierte erschien im Print nicht nur ohne Logo und Header, sondern auch mit einem nicht sehr verkaufsfördernden Titelbild (Abbildung: Online Version, mit Logo).
Die Schweizer Illustrierte hatte sich entschlossen, ihr Wochenmagazin dennoch auszuliefern, – aus „ökologischen Gründen“. Das Druckzentrum von Rinigier hätte das Heft vermutlich in Wochenendarbeit innerhalb von 24 Stunden nachdrucken können. Ob die Inseratekunden die eher ökonomische als ökologische Lösung akzeptieren, bleibt offen. So dürfte die mit einer Weihnachtsbeilage („101 shopping“) verschweisste Revue im Versand und am Kiosk mangels Betitelung häufig mit Gratismagazinen verwechselt worden und ebenfalls vor Ablauf des Verfallsdatums dem Altpapier zugeführt worden sein. Dass man auch auf die Verpackung einen originelle Kleber hätte applizieren und das Malheur mindern können, fiel den Kreativen an den Dufourstrasse nicht ein.
Doch auch Titelbild und Inhalt beschleunigen die Abwärtsspirale des für die Schweizer Fotoszene einst geschätzten Traditionsmagazins. Das Titelbild mit Christa Rigozzi (Thomas Buchwalder) ist derart unnatürlich, dass es beinahe originell wirkt. Die Homestory selbst erinnert an einen Unterwäschekatalog. Ein echter Katalog findet sich eingeklebt auf Seite 35 in der gleichen Nummer von BELDONA. Noch peinlicher ist nur die Reportage über die Fernsehjodlerin Melanie Oesch (sie mit einem Schimmel, er mit einem schwarzen Pferd). Während wir erfahren, dass der Schimmel ein Wallach ist, hätten wir über „den“ oder „die“ Schwarze gerne mehr erfahren, oder beseer nicht.
Wie man gute People-Reportagen macht, zeigen Michael Merz (Text) und Michael Sieber (Fotografie) im Magazin zum SonntagsBlick. Sie waren zu Besuch bei der Beststellerautorin Susanna Tamaro auf ihrem Landgut in der Toscana und bei ihren Tieren. Tamaro hat Geschmack, und die beiden Autoren zeigen Stil. Wetten, dass sich eine SI auf diesem Niveau auch und wenn nicht gar besser verkaufen würde? Den kitschigen Beitrag „Ueli Maurer mit Sohn auf dem Bachtel“ ab Seite 21 im Blick am Sonntag (Text, der Chefredaktor selbst, Bilder Starreporter Karl-Heinz Hug) blättern wir rasch durch. Der rote Teppich im Blick für den angehenden Bundesrat wird kaum Pressegeschichte schreiben.
Auch der seit Wochen angekündigte Beitrag über Christoph Blocher in DAS MAGAZIN ist nicht sehr geglückt. Von Michel Comte hätte man als visuelle Ergänzung doch mehr als eine Auftragsarbeit erwartet. Vielleicht hat sich der Fotograf niveaumässig dem Text von Thomas Zaugg angepasst, den man kein zweites Mal lesen muss.
Auf Seite 17 der Sonntags-Zeitung fasst Peter Rothenbühler das missglückte Projekt Blocher/Comte zusammen. Comte ist nicht von New York eingeflogen worden, sondern lebt 55 Autobahnminuten von der Werdstrasse entfernt in Lachen/SZ. „Starfotograf“ könnte bedeuten, dass Comte mehrheitlich „Stars“ fotografiert. Die kreative Leistung zum Beitrag in DAS MAGAZIN könnte darin bestanden haben, dass Comte Christoph Blocher ohne Brille fotografierte. Wir sind Peter Rothenbühler dankbar dafür, dass der Doyen der Schweizer People-Presse etwas ausspricht, das man denkt und nicht zu schreiben wagt.
Noch deprimierender wirkt in DAS MAGAZIN der Beitrag von Daniel Binswanger über die Architektur in Las Vegas. Alle Aufnahmen stammen aus dem Buch von Robert Venturi von 1972. Die Ausstellung zum Buch im Museum Bellpark, Kriens ist übrigens sehenswert.
Bei der Weltwoche ist inzwischen durchgesickert, wer in der Redaktion abgebaut wird (es sind Menschen, nicht Kostenstellen). Erstes bekanntes Opfer ist der People-Journalist David Signer, der „nicht ins Team passe“. Signer und weitere Kolleg/innen wurden ab sofort freigestellt. Gleichzeitig sucht die Weltwoche Praktikanten, zum Beispiel für die Bildredaktion mit der Gratisanzeige in einem bekannten Zürcher Stadtmagazin.
Den Rückgang der Werbeeinnahmen sehen einige Verleger als willkommenen Anlass zur Restrukturierung des Personalbestandes. Es ist bezeichnend, dass jene Verlage, die Entlassungen ankündigen (und nicht alle teilen diese auch öffentlich mit) dem Internet bisher wenig Beachtung geschenkt haben. 2009 wird zum Jahr der Bewährung, da bei der abonnierten Presse kaum Neukunden hinzu kommen und Gratisblätter an Reichweite gewinnen dürften. So geht es Blick am Abend glänzend, während die als einzig verbliebene Sportzeitung Sport Blick personell weiter zur Ader gelassen wird. Auch für die Pressefotografen ist diese Entwicklung wenig ermutigend. Letztlich sind noch drei Agenturen mit Newsbildern in der Tages-und Wochenpresse präsent. Der neuste Trend: Man fügt in Beiträge Standbilder von SFDRS ab Bildschirm in Print-Beiträge ein und spart damit Lizenzgebühren.
Thema der Woche in internationalen Blogs und Foren der Reportagefotografie war die Terrorattake auf Mumbai, eine der grössten und dynamischsten Städte der Welt. Bevor Pressefotografen zu den Tatorten kamen und sich den Gefahren der Schusswechsel aussetzten, waren Handybilder auf Internet-Plattformen verfügbar. Im Geschäftszentrum von Mumbai trägt nahezu jeder Passant ein Fotohandy am Ohr, und in Indien ist die Bildkommunikation in der urbanen Welt Teil der Alltagskultur. Die Weltpresse zögerte nicht lange und brachte die Handybilder sogleich auf Fernsehkanäle, auf Webzeitungen und rasch auch ins Print. Verlierer waren für diesmal die professionellen Pressefotografen und ihre Agenturen.
Sportfotografen wird der Zugang zu Events zunehmend erschwert. Während im Fussball aus Sicherheitsgründen immer mehr Bereiche gesperrt werden, bestehen ab diesem Winter auch neue Auflagen bei den Skimeisterschaften. Nach mehreren Unfällen mit Helfern und Funktionären werden nun auch Fotografen und Kameraleute defintiv ausserhalb des Zauns verbannt. Gemäss Tages-Anzeiger vom Samstag, dem 29. November waren während des Trainings in Lake Louise selbst Stative nicht mehr erlaubt. Eine Ausnahme bilden die fest installierten und absicherten Stationen für das Live-Fernsehen. Sportjournalist Christian Andiel erwartet vermehrt verwackelte Bilder. Doch das Stativ dient beim stundenlangem Warten an der Piste selten zur Aufnahme von Fotos, sondern um bei aufgepflanzter Kamera die Hände und die Akkus in den Hosentaschen warm zu behalten.
fotointern.ch hat die neue Kirchenzeitung reformiert. („.“=Punkt) nach den ersten Ausgaben kritisiert, weil die Zeitschrift keine Bildnachweise brachte und beinahe ausschliesslich mit Symbol- und PR-Bildern arbeitete. Nun ist nach einigen personellen Veränderungen und offensichtlich vielen internen Diskussionen eine wunderbare Wandlung eingetreten. In der Ausgabe vom 28. November finden sich tatsächlich einige Bildnachweise (verbesserungsfähig).
Mit einem „Dossier“ bringt reformiert. vermutlich erstmals eine hervorragende Text- und Bildreportage auf Seiten, die in der Regionalredaktion Bern produziert wurden. Thema ist „Menschen mit Behinderung“, wobei man sich fragt, ob der Titel wirklich auf den Inhalt zutrifft. Redaktor ist Martin Lehmann. Die Bilder realisierte Flavia Trachsel. Flavia Trachsel? In der Zürcher Kulturszene ist sie mit ihrer Diplomarbeit an der Hochschule der Künste von 2008 aufgefallen. Trachsel gilt als eines der kommenden Talente der jungen Fotoszene in der Schweiz. Seit Jahren engagiert sich die Rollstuhlfahrerin auch in karitativen und kirchlichen Institutionen im Kanton Bern. Dies ist ihre andere, wenig bekannte Seite. Die persönliche Erfahrung zum Thema setzte sie grossartig in Bilder um.
Am Rande: Die Bild-Zeitung generiert über Bild-Online rasch wachsende Umsätze (und Gewinne) mit Online-Shopping. Angeboten wurden schon mehrfach Volks-Computer und sogar echte Volks-Wagen. Die neuste Volks-Kamera steht ab Donnerstag in den Regalen von Lidl. Als Novität für Bild hat sie Chefredakteur Kai Diekmann bei der Bambi-Verleihung eigenhändig getestet. In Ergänzung zum Bericht über die Beleidigung von Stefan Raab gegenüber Uschi Glas („Danke, Mama“) zeigt Diekmann sein mit der Kamera (69,99 Euro) aufgenommenes Filmchen.
der fehlende schweizer illustrierte titel ist genauso ein marketinggag wie die brasilianische freundin des zürcher direktors. habe bereits vorzeitig geahnt und anderen mitgetielt das letzteres vom alternden ex-playboy-fotografen stammen muss. und so war es auch gemäss einer späteren blickmeldung.
die SI sollte einigen fotografen entweder bessere geräte oder/und nachhilfeunterricht zahlen. unscharfe grobkörnige bilder und weitwinkelverzerrte köpfe sind ein graus. panorama-und analogkamera helfen auch.