Am Vorabend zur Finissage von photo 08 wirkt Peter Michels als künstlerischer Leiter sichtlich entspannt. Bereits am zweiten Tag des Foto-Events war das Ergebnis vom Vorjahr erreicht. Und wer nach dem letzten, kalten Dezemberwochende am Montagnachmittag die Ausstellung in den MaagEvent Hallen aufsuchte, blieb länger als vorgesehen.
Auch unser Gespräch mit Peter Michels dauerte etwas länger, zumal Fotografen wie Ferit Kuyas (links) und Marcel Sauder sich den Diskussionen anschlossen und Besucher/innen sich zunehmend in unsere „Fachgespräche“ einmischten. Im Dialog zwischen Veranstaltern, Ausstellern und Besuchern zeigt photo 08 ihre Stärken.
Entscheidend für den Besuchererfolg war die Medienpräsenz. Noch nie war die Fotografie in den Leitmedien der Deutschschweiz so stark vertreten, wie in den Tagen um Weihnachten 2008. Die Organisatoren sehen sich für die Auflage 2009 vor die delikate Aufgabe gestellt, eine Shortlist für die Gäste der Vernissage zu führen, da die MaagEvent Halle wie am darauffolgenden Wochenende an Kapazitätsgrenzen stiess. Peter Michels und sein Team denken über eine Erweiterung oder einen neuen Standort mit grösserer Ausstellungsfläche nach. Da die Romandie praktisch nicht vertreten ist, wäre auch eine Folgeveranstaltung in Lausanne oder Genf denkbar.
Trotz Besuchererfolg blieb Kritik nicht aus. Versucht man die Ausstellung in drei Bereiche aufzugliedern, so findet man vorerst Werke von etablierten Verbandsmitgliedern. Einige sind gestalterisch dort stehengeblieben, wo sie schon vor vielen Jahren ankamen. Dann folgen die jüngeren Talente, die man zum Teil bereits aus Nachwuchswettbewerben kennt. Mehr Diskussionen dürfte in diesem Jahr die Jury über die Beiträge von Quereinsteigern, ambitionierten Amateuren und Autodidakten geführt haben.
Für Michels stellt die Aufnahme der Werke von halb- oder nichtprofessionellen Fotografen in der Ausstellung eine gewollte Provokation dar. Einige von ihnen sind kreativer, origineller und für das Publikum interessanter als ihre professionellen Kolleg/innen. Kein Wunder, denn sie verfügen zumeist auch über mehr Zeit und eine Ausrüstung, die sie aus anderen Erwerbsquellen finanzieren können.
Im Konzept steht das fotografische Sehen an erster Stelle. Ob ein Bild digital oder analog erfasst wurde, im hauseigenen Ilfochrome-Labor verarbeitet wurde (ein Amateur leistet sich dies!) oder aus dem Printer einer Berufsschule stammt, ist kaum relevant. Beurteilt wurden die Portfolios primär nach der visuellen Idee und ihrer Umsetzung. Im Gespräch mit Besucher/innen zeigen sich auch interessante Unterschiede in der Auffassung. Während professionelle Fotografen am Motiv und seiner technischen Umsetzung interessiert sind, begeistert sich das Publikum für „Geschichten“.
Der Präsentation sind Grenzen gesetzt. Der Appenzeller Ueli Alder kombiniert Familienbilder in antiken Rahmen mit eigenen Aufnahmen, die übrigens sehr gut sind. Er steht damit an der Grenze zur Konzeptkunst. Die Gesichter von Ruedi Zürcher von Menschen vor und nach medizinischen Behandlungen und Therapien sind für viele Besucher/innen die prägendsten Werke. Ohne Display könnten sie nicht derart eindrücklich dargestellt werden.
Zu gewollten Missverständnissen führen die Aufnahmen von Blinden. An der Vernissage fanden viele Besucher/innen die Bilder „originell“, ohne zu realisieren, dass blinde Menschen damit ihre Empfindungen von Gerüchen, Geräuschen oder dem kuscheligen Fell eines Hundes vermitteln, – und ihre Bilder nie selbst sehen können. Für Peter Michels ist diese Erfahrung wegweisend für weitere Projekte in den kommenden Jahren.
Man verzeiht photo 08 einige vielleicht zu banale Portfolios und einige Altmeister, die sich etwas mehr Mühe hätten geben können. Doch es gibt Entdeckungen.
Aufgefallen sind zum Beispiel:
Sven Bader, mit dynamischen Porträts eines Waschtags; Martin Rapold, der eigentlich Schauspieler ist, doch sich irgendwann einmal für die Fotografie entscheiden müsste; John Canciani (Geheimtipp für Kunstsammler); Thomas Stöckli, der vielleicht noch viel bessere Bilder zeigen könnte; Claudia Leisinger mit einer starken Reportage über Totengräber; Sheffold&Vizner; Sally Montana; Ueli Alder; Sandro Huber und viele andere, die vielleicht auf einen zweiten Blick auf die Shortlist kommen müssten.
Es lohnt sich, photo 08 noch am letzten Ausstellungstag zu besuchen und ein eigenes Urteil zu bilden.
photo 08, MaagEvent Halle (bei der S-Bahnstation Zürich-Hardturm), bis 30. Dezember 2008, 22.00 Uhr