Pressespiegel vom 31. Januar / 1. Februar 2009
Ohne Aufsehen zu erregen, haben die meisten Tageszeitungen anfangs Januar im Einzelverkauf um bis zu 15 Prozent aufgeschlagen. Der Zeitpunkt war nicht glücklich gewählt. Noch nie seit vielen Jahren war die Deutschschweizer Presselandschaft bezüglich Umfang und Inhalt so dünn. Was man an Information benötigte, erhielt man zumindest im Raum Zürich aktueller über das Internet und über Gratisblätter.
An Rechtfertigungen für die Preiserhöhungen sucht man gar nicht erst. Sie wurden auch nicht kommuniziert. Die Kosten für Material, technische Produktion und Logistik sind so tief wie seit Jahren nicht mehr. Für den Inhalt wurden in den Redaktionen Sparmassnahmen durchgezogen, die sich rasch auch in der Qualität bemerkbar machen. In den vergangenen Tagen sprach sich herum, dass im Inseratebereich die Kommissionen für Agenturen und Berater von den Verlegern einseitig und einschneidend gekürzt wurden. Bei Pressefotografen und anderen freien Mitarbeitern im redaktionellen Bereich ist der Sparkurs schon seit Monaten spürbar. Gute Aufträge gibt es kaum mehr.
Was der Leser mit einem erhöhten Preis kompensieren soll, ist der Einbruch im Inseratemarkt. In den guten Jahren war er als Abonnent oder Einzelkäufer eine kontinuierlich fliessende Einnahmequelle für die Verleger, und nun ist er „stille Reserve“, die Defizite ausgleichen soll.
Nicht alle Verleger haben begriffen, dass sich Mediennutzung und Medienlandschaft grundlegend verändert haben. Die Tageszeitung im Print hat massiv an Bedeutung verloren. Alleinstellungsmerkmale, wie ein hochstehender Reportagejournalismus haben die Blätter zumindest in der Deutschschweiz verspielt. Deftige, treffende und kompetente Kommentare findet man in Blogs. Unterhaltung durch Kurzmeldungen über People, Comics und Kreuzworträtsel deckt die Pendlerpresse bestens ab, – dies sogar mehrfach.
Umso stossender sind die Preiserhöhungen für die Bezahltpresse. So konnte man sich in den vergangenen Wochen den Kauf des Tages-Anzeiger weitgehend ersparen, da man die relevanten Beiträge zum Teil bereits vor dem Erscheinen der Hauptausgabe auf Newsnetz fand. In gekürzter Form liegen sie morgens ab sechs Uhr in Gratisblättern am Bahnhof und vor dem Supermarkt auf.
Diese Entwicklung hat für den Bildjournalismus gravierende Folgen. Durchblättert man den erfolgreichen Blick am Abend, so findet man darin weitgehend zweitverwertete Bilder aus dem Hause Ringier, Billig- oder Gratisbilder aus Datenbanken und die zunehmend beliebten Leserbilder ab Handy. Peinlichkeiten übersieht man, wie den „Schnügel des Tages“ vom 30. Januar 2009. Hinter dem betagten Kater liegt eine Ausgabe des lange verblichenen Facts. Hoffen wir, das Tierchen erfreut sich immer noch bester Gesundheit.
Es gibt Qualitätsjournalismus im Print, vielleicht nicht mehr für den Alltag. Bereits ab jedem Donnerstag darf man sich in Ruhe überlegen, mit welcher Kauflektüre man sich eindecken soll. Verzichten wir auf Bemerkungen zur Weltwoche. Mehr bietet zu einem etwas höheren Preis DIE ZEIT. Ihre Seiten für die Schweiz sind eher für die Deutschen in der Schweiz und für Deutsche, die bei uns ihre Vermögen angelegt haben bestimmt, doch die Zeitschrift bietet gesamthaft eine journalistische und verlegerische Qualität, wie wir sie hierzulande kaum finden. Auch gegenüber der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fällt einheimisches Schaffen stark ab.
Dies betriftt wesentlich den Bildjournalismus. Das Zeit Magazin vermittelt diese Woche eine hervorragende Bildreportage von Olivier Roller über einen Club in Berlin. Dann folgen Fotos von Steven Achiam über die Wirtschaftskrise in Island.
Und was bietet DAS MAGAZIN? Fotografisch gelungen ist allein der Beitrag von Max Küng über japanische Küchenmesser, ein „Running Gag“ in nahezu allen Gourmet-Magazinen der vergangenen Jahre. Küng ist immerhin so ehrlich, auf einen Filmbeitrag von NZZ-Format hinzuweisen, der ihn vermutlich inspiriert hat. Die Bilder sind von Maurice Haas, das Styling Tamara Gysi. Es sind eine Art Symbolbilder, wie sie als Interpretation des Texts vor mehr als zehn Jahren in den USA „en Vogue“ waren. Für einen gleiochen Budgetposten hätten wir eine funkensprühende Reportage über einen Messerschmied erwarten dürfen.
Auch das SonntagsBlick Magazin kann man rasch durchblättern. Helmut-Maria Glogger berichtet mit herzerweichenden und teuer zugekauften Fotos über Jean-Paul Belmondo. Die nachfolgenden Beiträge sind durchgwegs bildend und unterhaltsam. Für die Homestory konnte sich Anne Rüffer profilieren. Wir erfahren sehr wenig über die engagierte Verlegerin, ausser, dass sie Zigarette raucht und nicht Klavier spielt. Ein solches sieht man auch nicht in den Bildern von Nik Hunger.
Eingeleitet haben wir diesen Pressespiegel mit einem Bild von „unserem“ Michel Comte. Es steht im Hinblick auf die Ausstellung „Michel Comte – Perspektiven“, bis 10.05.2009 im NRW-Forum, Düsseldorf, für irgendwelche Publikationen zur Verfügung. Einen besonders guten Draht scheint Michel Comte zur Redaktion der Bild-Zeitung zu haben. Tief- oder Höhepunkt seines Schaffens dürfte ein Quiz bilden: „Welcher Busen gehört zu wem?“. Doch die Konkurrenz vom STERN bleibt nicht zurück, mit einem gediegeneren, doch nicht weniger schlüpfrigen Online-Portfolio.
Link zur Ausstellung: NRW Forum, Düsseldorf
Doch bevor Sie nach Düsseldorf fahren: Die Ausstellung wird ab Ende August 2009 auch in Zürich gezeigt. Dann wird Comte von der neuen Stadpräsidentin mit Lobhudleien für sein soziales Engagement rund um die Welt überschüttet werden. Das sind andere und bessere Bilder, als die im Stil der Dreissiger Jahre hüpfende Nackedeien.
Dieser Artikel verallgemeinert zu sehr. Wenn ein paar grosse Zeitungen etwas tun, sind es noch lange nicht „die meisten“.
Warum Sie zum Schluss kommen, dass die Kosten für Produktion, Material und Logistik tiefer sind als bisher, weiss ich leider auch nicht. Es würde mich aber sehr interessieren.
Urs Lüthi
Verlagsleiter einer Zeitung aus Solothurn, die nicht aufgeschlagen hat, auf Qualität achtet und leider gegen laufend höhere Kosten kämpfen muss
Danke Herr Lüthi,
Aus verständlichen Gründen wagt sich niemand an einen Vergleich der aktuellen Produktionskosten z.B. zwischen Süddeutschland und den benachbarten französischen Grenzregionen heran. Interessant ist der Vergleich zur Verpackungsindustrie, die sehr viel transparenter und grenzüberschreitender ist. Hier musste man wegen dem Wettbewerb im Umkreis von ca. 600 km das Rationalisierungspotenzial ausschöpfen und ist, – dank Neuinvestitionen heute konkurrenzfähig. Während mittelständische und auch kleine Betriebe in der Verpackungsindustrie massiv investiert haben, kenne ich keine der wenigen verbliebenen regionalen Zeitungsverleger, die in Produktion investiert haben.
Ziel meines Beitrags war:
Dass man als Zeitungsleser für mehr Geld immer weniger inhaltliche Qualität bekommt, die man in etwa auch gratis beziehen kann. Davon betroffen sind als freie Mitarbeit auch die Pressefotografen auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette.
der verleger in basel hat aufgeschrien als die zürcher in bern einkauften. er hat jede menge ausreden gehabt als die auflage und das inseratevolumen schrumpfte. ölpreis, tsunami, al-kheida, was noch? jetzt will der medienmonopolist die mehrheit am eigenen blatt. um das ganze dann besser zu verkaufen? man kann ihm nicht einmal den vorwurf machen, wenn er nicht mehr ein noch aus weiss. wie soll er es denn wissen, wenn er nie persönlich am finanziellen anschlag war. wenn er aber die meinung von restbasel einholen würde dann würde er sehen, dass genug leute jede menge ideen haben um die zeitung zu gestalten. im äussersten notfall hilft dann nur noch eine open-source-baz, wie es für einen neuen radiosender angekündigt wurde. das qualitätsniveau war höher als der aktuelle chefredaktor noch selber text/bildreportagen ablieferte.