Urs Tillmanns, 26. März 2009, 13:41 Uhr

Schweizer Kameramuseum: «Die Ursprünge der Fotografie» als neue, permanente Ausstellung

Das Schweizer Kameramuseum, das am 13. Juni 2009 sein 30jähriges Bestehen feiern kann, hat gestern, am 25. März 2009, mit dem Thema «Die Ursprünge der Fotografie» ihre permanente Ausstellung neu eröffnet und zeigt darin die frühesten Zeugnisse der Fotografie sowie die Geräte und Utensilien , mit denen diese ersten Lichtbilder entstanden sind. Unser Bild links (und zugleich des Plakat der neuen Ausstellung) zeigt einen Fotografen vor dem «Château de l’Aile» in Vevey, eine Lithografie von Friedrich von Martens um 1850, die sich in der Sammlung des Kameramuseums befindet.

Das Erdgeschoss des Kameramuseums ist völlig neu gestaltet worden und dokumentiert jetzt eindrücklich die Ursprünge der Fotografie. Nachdem der Besucher in das Innere einer Camera obscura eingetreten ist und eine Vorrichtung zum Silhouettenzeichnen ausprobiert hat, kann er sich mit dem Gebrauch verschiedener anderer Instrumente vertraut machen und Guckkastenbilder aus der Zeit vor der Erfindung der Fotografie entdecken. Danach kann er die Arbeiten des in Chalon-sur-Saône geborenen Nicéphore Niépce verfolgen, der ab 1816 jahrelang mit lichtempfindlichen Substanzen experimentierte, um ein Bild zu erhalten.

niepce-erste-fotografie_2_klDie erste Fotografie gelang dem Franzosen Niéphore Niépce 1826 und wurde 1952 von Helmut Gernsheim wiederentdeckt . Das Original davon befindet sich in der Gernsheim-Collection an der University of Texas, Austin, Texas.

Die abenteuerliche Geschichte, wie diese älteste Fotografie von Helmut Gernsheim in einem alten Seemannskoffer in England gefunden wurde, wird in dem der Ausstellung laufend vorgeführten Film «Point de vue» gezeigt, welcher 1991 von Andreas Pfäffli und Bernhard Lehner von Ventura Film in Zusammenarbeit mit Fernsehen TSI produziert worden war.

fm-henri-paris_klDie aus den Arbeiten von Niépce und Louis Jacques Mandé Daguerre hervorgegangene Daguerreotypie, die der Welt 1839 vorgestellt wurde, fand schnell Verbreitung. Die Ausstellung zeigt eine sehr schöne Daguerreotypie-Sammlung, unter anderem mit aussergewöhnlichen Aufnahmen aus Paris, wie diese Daguerréotypie Vollplatte, welche die Statue von Henri IV in Richtung Pont Neuf zeigt und um 1840 von einem unbekannten Fotografen aufgenommen wurde. (Sammlung Schweizer Kameramuseum, Inv. 73090)

1839 wird die Erfindung Daguerres öffentlich vorgestellt. Louis-Jacques-Mandé Daguerre, 1787 in Cormeilles-en-Parisis geboren, kommt 1804 nach Paris, wo er sich zum Theatermaler ausbilden lässt. Zusammen mit dem Maler Bouton schafft er 1822 das Diorama in einem Gebäude, in dem sich grossformatige, beidseitig mit verschiedenen Motiven bemalte Leinwände verändern, je nachdem, ob man sie mit direkter Beleuchtung oder von hinten erhellt betrachtet.

Bei seiner Arbeit verwendet Daguerre häufig die Camera obscura. Er begibt sich oft ins Optikergeschäft der Chevaliers, die ihm von Niépce berichten, mit dem er sich zusammentut. Parallel zu ihren gemeinsamen Forschungen entdeckt Daguerre, dass sich Silberjodid unter Lichteinwirkung schnell verändert. Er platziert eine silberbeschichtete Platte in einem Behälter mit Jodkristallen, deren Dämpfe an der Plattenoberfläche Silberjodid bilden. Nach der Belichtung in der Kamera wird das auf der Platte noch nicht sichtbare Bild durch den Kontakt mit Quecksilberdämpfen aufgedeckt, die auf eine bestimmte Temperatur erhitzt werden. Dieses Verfahren wird am 19. August 1839 in Paris an der Akademie der Schönen Künste und gleichzeitig auch an der Akademie der Wissenschaften von Arago vorgestellt.

dagoausrustung_klNachbildung einer Daguerreotypie-Ausrüstung nach Simon Pössel, Wien, (Original um 1840), Fonds der ETH Zürich, Sammlung des Schweizer Kameramuseums

Zur gleichen Zeit erfand der englische Privatgelehrte William Henry Fox Talbot ein Verfahren für die Fotografie auf Papiernegativen, die «Kalotypie» oder «Talbotypie», die den Gebrauch von Negativ und Positiv einführte, und somit mehrfache Abzüge ermöglichte. Die Nachteile des nur wenig transparenten Papiernegativs von William Henry Fox Talbot veranlassen die Forscher bald dazu, nach einem besseren Bildträger zu suchen: Die Verwendung von Glas erscheint verlockend, doch wie kann es mit einer lichtempfindlichen Emulsion beschichtet werden?

1851 erfand Frederick Scott Archer mit der Kollodium-Nassplatte ein Negativ-Verfahren auf Glasplatte, ein entscheidender Fortschritt für die Qualität und die Auflösung des Bildes. Ein ganz besonderes Augenmerk wird auf die Vielfalt der historischen Verfahren zur Herstellung von Papierabzügen gelegt, die anhand von Videopräsentationen dargestellt werden. Bei diesem Verfahren musste die Platte unmittelbar vor Gebrauch präpariert werden, weil sie sonst ihre Lichtempfindlichkeit verlor, und sie musste sofort nach der Aufnahme entwickelt werden. Ein ganz besonderes Augenmerk wird auf die Vielfalt der historischen Verfahren zur Herstellung von Papierabzügen gelegt, die anhand von Videopräsentationen dargestellt werden. Der Fotograf muss sich damals mit einem «tragbaren» Labor ausrüsten, wenn er ins Freie ging! Die hervorragende Qualität der auf diese Weise erhaltenen Negative führt dazu, dass diese Methode sich in den 1860er Jahren gegen die Daguerrotypie und Kalotypie durchsetzen kann.

Die Idee, das belichtete Bild gleich im Inneren der Kamera zu bearbeiten, kam sehr schnell auf: Bereits 1839 stellte sich Talbot eine derartige Vorrichtung vor. Am 21. Dezember 1864 meldet Jules Bourdin in England ein Patent an, für einen Apparat, den er «Taschenfotograf» Dubroni (ein Anagramm seines Familiennamens) nennt, der in verschiedenen Grössen und Modellen hergestellt wurde.

fm-kollodium_klWir befinden uns in der Zeit der Kollodiumplatten, die kurz vor der Aufnahme befeuchtet und sofort danach entwickelt werden mussten. Im Kameragehäuse befindet sich eine mit offener Rückwand Flasche: Anstelle der Mattglasscheibe wird eine Glasplatte eingesetzt. Mit einer Pipette füllt man in eine Öffnung oben am Gehäuse die Lösung, die die Platte lichtempfindlich macht, und neigt den Apparat, damit sie sich gut verteilen kann. Nach einer Belichtung von wenigen Sekunden – die Kamera auf dem Stativ und mit Auslöser – geht man sogleich zur Entwicklung über. Diese kann durch ein gelbes Glas auf der Rückseite kontrolliert werden, das durch eine Klappe geschützt ist.

Zwei Exponate aus der Kollodiumzeit in der neuen Ausstellung: Links die Dubroni-Kamera Nr. 2, rechts ein «portables» Dunkelzelt, in welchem die Kollodiumplatten vorbereitet und unmittelbar nach der Belichtung entwickelt wurden – bei minus 10 Grad ebenso wie bei plus 30!

Die Dubroni-Ausrüstung, Modell Nr. 2, des DKameramuseums ist ein komplettes Köfferchen, das noch die original Fläschchen der Marke Dubroni enthält, sowie sämtliche Produkte, die für die Behandlung der Platten notwendig waren. Mit dabei ist ferner verschiedenes Zubehör und Papier für die Abzüge – und nicht zu vergessen: die Bedienungsanleitung! (Sammlung Schweizer Kameramuseum, Inv. 4340).

Abgesehen von dieser neuen permanenten Ausstellung im Erdgeschoss dokumentiert das Kameramuseum die Geschichte der Kameraentwicklung aller Epochen auf eindrückliche und gut erklärte Weise. Dabei werden, wenn immer möglich, in erster Linie Schweizer Erfindungen und Konstruktionen gezeigt – und davon gibt es mehr als man gemeinhin annimmt …

Urs Tillmanns

SCHWEIZER KAMERAMUSEUM

Grande Place / CH-1800 Vevey / Tel 021 925 21 40 / Fax 021 921 64 58

Öffnungszeiten: von Dienstag bis Sonntag von 11.00 bis 17.30 Uhr Montags geschlossen (ausser Ostermontag, Pfingstmontag, Eidg. Bettag und Feiertage, die auf einen Montag fallen)

Sprachen: Texte auf französisch, Audioguide auf deutsch und englisch

Voll rollstuhlgängig durch ebenerdigen Zugang und Lift. Parkplätze auf der Grande Place.

Das Museum wurde 1971 von Claude-Henry Forney gegründet und 1979 in einer Wohnung an der Grande Place 5 dem Publikum zugänglich gemacht. Dort wurde es bald zu eng, so dass das Museum 1989 in ein Gebäude aus dem 18. Jahrhundert an der Ruelle des Anciens-Fossés umzog, das vom Architekten H. Fovanna restauriert und vom Dekorateur S. Tcherdyne ausgestattet wurde. Die Wahl fiel auf die Ruelle des Anciens-Fossés, weil dort eine unterirdische historische Passage zu einem Nachbarhaus an der Grande Place besteht, was eine spätere Erweiterung des Museums möglich macht. Diese fand 2001 unter der Leitung des Architekten Joël Brönimann statt.

Das Schweizer Kameramuseum ist eine Institution der Stadt Vevey und wird von der „Association des amis du Musée suisse de l’appareil photographique“ und der gleichnamigen Stiftung unterstützt.

Direktion: Pascale und Jean-Marc Bonnard Yersin cameramuseum@vevey.ch

2 Kommentare zu “Schweizer Kameramuseum: «Die Ursprünge der Fotografie» als neue, permanente Ausstellung”

  1. Guten Tag,

    haben sie Verwendung für eine noch funktionierende SONY Mavica MVC-FD81 Kamera mit Zubehör?

    Freundliche Grüsse
    Ivano Cordani

    1. @ Ivano Cordani
      Grüezi und danke für Ihre Anfrage
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