David Meili, 29. März 2009, 07:57 Uhr

Gefälligkeitsjournalismus in Text und Bild, Dickhäuter, und dünnhäutige C-Promis

Pressespiegel zum Wochenende vom 28./ 29. März 2009
2009-13-cover-midUrs Paul Engeler liest in einem nur einspaltigen, doch gewichtigen Artikel in der Weltwoche vom 26.  März seinen Journalisten-Kolleg/innen die Leviten. Er beobachtet den Trend seines Berufsstandes zum Staatspropagandismus und nennt Protagonisten und Medien bei ihren Namen. Roland Meier (Handelszeitung) mit seinen Freundlichkeiten gegenüber Hans-Rudolf Merz kommt ebenso sein Fett weg wie Annetta Bundi (Tages-Anzeiger) mit ihrer Pilgerfahrt zu Doris Leuthard.

Noch aktuelleres Beispiel bringt der Tages-Anzeiger in seiner Ausgabe vom 28. März. Christina Leutwyler und Gaby Szöllösy sind sozusagen beim Tee bei Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Dann folgt ebenfalls eine ganze Seite PR für SRG-Generaldirektor Armin Walpen von Chefredaktor Peter Hartmeier und Iwan Städler. In beiden Beiträgen werden wirklich kritische Fragen nicht gestellt, die PR-Abteilung filtert und autorisiert.

Passend zu den Interviews sind die Bilder. Beatrice Devenes hat einen strahlenden Armin Walpen in Szene gesetzt, Thomas Burla etwas Charme aus der sonst eher spröden Bundesrätin herausgekitzelt. Bild und Text ergänzen sich im aktuellen Trend optimal. Immerhin sind es attraktive Aufträge auch für Fotograf/innen. Der nächste Schritt könnten ja auch zvg-Bildli sein.

Sonntag.ch ist als jüngste Sonntagszeitung ein Vorreiter des Trends der „embedded journalists“  in Schweizer Politik und Finanzwelt. Das Interview von Othmar von Matt und Florence Vuichard mit Ständeratspräsident Alain Berset (hätten Sie den Namen nennen können?) ist im Text und mit einem Porträt von Peter Mosimann knackiger als die Beiträge der grösseren Konkurrenz. Vielleicht werden die Aargauer und die bei ihnen im Exil auf bessere Zeiten wartenden Zürcher nun wieder zu Trendsettern.

Doch dann kommt auf Seite 11 die „Full-Size“ Reportage über Nationalrätin Natalie Rickli, die hauptberuflich bei Goldbach-Media arbeitet (Bild Patrick Straub). Als Politikerin, jung und blond, müsse man eine „dicke Haut“ haben.

090328_zoo_zuerichEine dicke Haut hat auch der Zürcher Zoo. Dem Tages-Anzeiger vom 28. März lag ein verschlossener Briefumschlag mit dem Logo der NZZ bei. Kein Irrtum:  Die NZZ ist Co-Sponsor für das Projekt der neuen Anlage für Asiatische Elefanten und hat die aufwändige Kampagne wesentlich mitfinanziert. Dass ausserhalb der Leserschaft der NZZ nach Spendern gesucht wird, dürfte durch die Wirtschaftskrise bedingt sein. Die Anlage, gerechnet für bis zu 10 Elefanten, kostet sagenhafte 32 Millionen. Noch vor einem Jahr für viele Sponsoren ein Klacks, – heute nutzt die Trägerschaft des Zoos alle Mittel, um das Projekt nicht versanden zu lassen.

Im Briefumschlag sind drei Grossformat-Postkarten von liebevoll vereinten Elefanten. Kitschbilder gibt es auch, und vor allem auch in der Tierfotografie. Der „Künstler“ bleibt ungenannt, das Copyright liegt beim Zoo Zürich. Verdrängt wird, wie man zum Beispiel in Bangladesh das Zusammenleben von Mensch und Elefanten mit 32 Millionen Franken (dort ein Fantasiebetrag) unterstützen könnte. Engagierte Tierfotografen würden es  so sehen und sich nicht für die Zurschaustellung von Tieren im Zürcher Zoo prostituieren.

Während sich die Dickhäuter im Zoo Zürich an diesem Wochenende stoisch dem Wetter entgegenstellen, zeigt sich die Prominenz dünnhäutiger.  Der Beitrag über Soft-Rapper Stress im Magazin zum Sonntags-Blick ist Kandidat für www.klatschheftli.ch.

Vermutlich erstmals ist eine Inszenierung in einem sonst journalistisch nicht tiefstehenden Magazin zum SonntagsBlick mit „Produktion und Text“ gezeichnet (Ashana Amtsfeld). Für die Bilder (Stress mit Kreuz, Stress mit Madonna…) zeichnet Nicolas Righetti. Da hätten wir Melanie Winiger nochmals gerne in ihrem peinlichen Spot für Dusch-WCs unter dem Wasserfall gesehen. Doch es folgt ab Seite 34 der Unterwäschekatalog von Coop-City. So etwas lag vor einer Woche dem andern Magazin nicht bei. Hat sich etwas geändert, oder findet man sich über Nacht in einer anderen Zielgruppe?

Das Powerteam Stress/Melanie ist eine der Stützen der Werbung von Coop. Coop setzt in der Coop-Zeitung konsequent auf  People im eigenen Werbeumfeld und verfolgt eine klare Linie, während die Konkurrentin mit dem M und einem eher peinlichen neuen Claim vor sich hin dümpelt.

Die Cervelat-Prominenz zeigt sich zunehmend beobachtet und liest nach der Selbstdarstellung im Blick oder im Lokalfernsehen, was Klatschheftli über sie schreibt. Die Site wird zumTeil über Decknamen, zum Teil auch nicht anonymisiert von Insidern und ihrem Umfeld mit Aktualitäten gespiesen. Klatschheftli ist ein Ventil, ein Trend gegen den Gefälligkeitsjournalismus und ein Assessment für wirkliche Promis in unserem geographisch beschränkten Medienmarkt.

P.S. Ein grosses Kompliment an die Mitarbeiterinnen im Tankstellen-Shop von Coop an der Strasse zwischen Kloten und Brüttisellen und der Logistik die, dahinter steht. Coop hat es geschafft, alle Sonntagsblätter um 7 Uhr aufzulegen, die Konkurrenz nicht. Man stelle sich den „Stress“ vor, Zeitungen ab zwei Uhr morgens auszuliefern.

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