Man reibt sich die Augen. In den vergangenen Jahren wirkte die triste Europ’art wie ein Hinterhof gegenüber dem lebhaften Salon International du Livre et de la Presse. Nun überrascht sie mit einem neuen Konzept und viel zeitgenössischer Fotografie. Das Rätsel löst sich, wenn man erfährt, dass der Relaunch die Handschrift von Roger Pfund trägt und hoffentlich auch weiterhin von Christoph Bollmann kuratiert wird.
Zur Präsenz von qualitativ hochwertiger Gegenwartsfotografie trägt das Engagement des Centre de la Photographie, Genève bei. Hier findet man Bilder, die man noch nie gesehen hat. Schrittweise entdecken die Genfer ihre Stadt als wichtiges Zentrum für Kunst- und Reportagefotografie, die seit Jahrzehnten vor Ort mit der Konzeptkunst verbunden ist, doch deren Leistungen kaum nach Aussen kommuniziert wurden.
Die Reportagen von John Demos über die ersten Jahre Albaniens nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur sind weltweit bekannt. Doch diese Bilder im Original zu sehen, ist eine aussergewöhnliche Erfahrung. Estelle Lagarde ist über Frankreich hinaus ein Star der neuen Fotoszene und ihre Geisterinszenierungen mit weiblichen Gestalten in Abbruchliegenschaften sind im Original zu sehen.
Christine Ventouras Eenhoorn zeigt seit 1992 in Ihrer Galerie Krisal in Carouge Fotografie. Das langjärige Engagement hat sich aubezahlt. Heute vertritt Krisal einige der wichtigsten in Genf tätigen Fotografi/innen. Am Samstag, dem 25. April wird Jean Revillard auf dem Stand sein neues Buch JUNGLES präsentieren und signieren. Originalprints von Revillard waren bereits bei der Ausstellungseröffnung zu sehen und beeindrucken noch viel stärker als sein aussergewöhnliches Buch. Christian Coigny ist mit im Programm und hat seinen persönlichen Stil über dreissig Jahre kontinuierlich weiterentwickelt. Ein wunderschöner Akt in Schwarzweiss wird für CHF 2 500.- rasch einen Liebhaber finden.
Überraschend treten Fotografinnen auf, die sich ohne Galerie selbst präsentieren. Die gebürtige Belgierin Sylvie Buyssens hat eine unstillbare Sehnsucht nach Kühen und dem Hochgebirge entwickelt. Sie gestaltet aus realen Bildern Panoramen mit fiktiven Landschaften. Dabei repetiert sie den Prozess des Sehens und Erkennens. Die Fotografin hat die Eigenpräsenz an der Messe bewusst gewählt, weil sie gerne auf Besucher/innen zugeht.
Für Lisa Brunner bilden Konzept, Fotografie und Bildbearbeitung keine zu unterscheidende Disziplinen. Sie gestaltet mit einer perfektionierten Prozesskette vom Casting über das Shooting bis zum Print sinnliche Porträts und verträumte Augenblick. Neue Technologien schliessen für ihre Generation Romantik längst nicht mehr aus.
Roger Pfund und Christoph Bollmann haben der 18. Ausgabe von Europ’art ein neues Image verschafft. Es dürfte ein Kraftakt gewesen sein, denn am Eröffnungstag war nicht einmal ganz klar, was man wo finden konnte. Selbst auf Französisch waren die Presseunterlagen wenig ergibt, doch die Website ist ab heute à jour. Eine 19. Ausgabe im kommenden Jahr könnte den Salon du Livre für ein an Kunst interessiertes Publikum aus der Deutschschweiz aufwerten. Nur sollte man dies bis ins ferne Zürich mit seiner seltsamen Sprache kommunizieren.
www.europart.ch, bis Sonntag, 26. April 2009