Die Zürcher Fotoszene befindet sich mitten in einem Vernissagen-Marathon. Nach dem vfg Nachwuchsförderpreis von gestern Mittwoch, wird heute zur Eröffnung der Wanderausstellung World Press Photo im Sihlcity diniert und morgen Freitag folgt die Opening Night des Swiss Photo Award der ewz.selection. Die grössten Erwartungen setzt man stets auf den Nachwuchs, und sie wurden nur zum Teil erfüllt.
Als Siegerin des Wettbewerbs ging dieses Jahr Sophie Brasey hervor. In starken Bildern zeigt sie Kinder zwischen Steinen, Beton oder auch Findlingen. Ihre Aufnahmen sind nicht nach dem „Goldenen Schnitt“ ausgerichtet. Die Ambivalenz zwischen der Persönlichkeit der heranwachsenden Menschen und ihrem physischen Boden erschliesst sich erst auf einen zweiten Blick.
Nadia Tempest, die mit dem vierten Preis ausgzeichnet wurde, porträtiert Geschwister. In grossen Formaten steht man hervorragenden Bildern gegenüber. Interessant ist der Ansatz: Die Fotografin versteht sich bewusst als Aussenstehende und arbeitet mit einer imaginären Wand zwischen ihr und den dargestellten Personen.
Der zweite und dritte Preis sind etwas weniger nachvollziehbar. Maya Rochat fotografiert Marginales. Das hat man auch schon gesehen. Ornella Cacace (Bild) hat sich in Tel Aviv umgesehen. Wenn man selbst in einer pulsierendsten Städte der Welt gearbeitet hat, findet man ihre „Entdeckung“ des Alltags von jungen Menschen in Israel doch eher banal.
Wenn es einen fünften Preis gäbe, hätte ihn Ueli Alder (Bild im Lead) mehr als verdient. Er war bereits an der Photo 08 mit seinen Kompositionen aus Composite Prints und Bildern aus einem (fiktiven) Familienalbum präsent. Alder wird das Projekt weiterführen. Seine Appenzeller Häuser sind vielleicht das schönste Bild der Ausstellung überhaupt.
Doch im Katalog, der wiederum im Christoph Merian Verlag erschienen ist, findet man eine arg reduzierte Version vor. Die Rehlein oberhalb vom Bauernhaus sind sichtbar, doch die Hühner vor dem Haus fehlen. Immerhin wurden die Raben rechts hinübergebracht. Alder vermutet wie wir, dass nicht alle Ebenen transferiert wurden. Ein Grund mehr, das Bild im Original anzuschauen.
Weit problematischer ist die Darstellung der Aufnahmen von Bianca Durago, im Katalog wie in der Ausstellung. Durago schafft eine Art Spiegelbilder, in dem der Besucher „white in white“ mit versteckten Motiven kommuniziert. Der Ansatz ist faszinierend, doch wie kann man diese Aufnahmen ausstellen, und reproduzieren? Die Reproduktion im Katalog ist bei zweifellos sehr viel Anstregungen missglückt, die Präsentation in der Ausstellung mit der Beleuchtung einer Neonröhre etwas hilflos. Auf dem Internet können sie wegen der Unfähigkeit der Browser, Farbräume zu erkennen, schlichtweg nicht präsentiert werden.
Die Szene mag die Jungen. Man möchte den nächsten Abschlussklassen Mut machen, etwas wilder, innovativer zu sein und nicht nur grosse Vorbilder zu kopieren. Die Jury sollte sich eine Studienreise gönnen, nach Barcelona, Buenos Aires oder vielleicht sogar ins weit abgelegene Genf.
Ausstellung in der BINZ 39, Sihlquai 133, bis 21. Mai 2009