Pressespiegel vom Wochenende zum 9./10 Mai 2009
Bundesrat Moritz Leuenberger zeigt sich in einem Interview in der Aargauer Zeitung unbeeindruckt vom Abbau von Stellen und dem Verlust an Meinungsvielfalt in der Schweizer Presselandschaft. Mehr als sechzig Stellen weniger von qualifizierten, mehrheitlich jungen Kolleg/innen mit der Aufgabe von .ch und das nunmehr zementierte Duopol im Schlüsselmarkt der Pendlerzeitungen interessieren den sozialdemokratischen Medienminister nur am Rande.
Auf Widersprüche in der Medienpolitik des Bundesrates hat bereits früher Verleger Norbert Neininger in einer bemerkenswerten Podiumsdiskussion im März hingewiesen, deren Berichterstattung allerdings mehr als nur unvollständig war. Neininger hat seinen Standpunkt nachträglich in einem Blog verteidigt. Schön, dass einer der erfahrendsten Verleger in der Schweizer Presselandschaft mit uns Dumpfbeuteln (Originalzitat Michael Ringier) im gleichen Boot sitzt. Moritz Leuenberger hat im Interview mit der AZ noch eins draufgesetzt: „Eine Zeitung, die nur von Werbeeinnahmen lebt, hat keine Seele.“
Tatsächlich trat .ch als Auftraggeberin für Pressefotografen nur wenig Erscheinung, doch immerhin bot sich eine Alternative zu den beiden dominierenden Verlagshäusern. Mit der Vernetzung von weiteren Tageszeitungen und der Aufgabe von eigenständigen Projekten wie Cash (zumindest als Zeitung) verdünnte sich der Markt in weit grösserem Ausmass. So fragt man sich bereits, ob die Produktion von nationalen Inhalten durch TA-Media für den Bund Sinn macht und Bern nicht schon längst eine Zeitung zu viel hat. Wie sonntag.ch (Seite 53) vermutet, soll beim Bund die Redaktion halbiert und beim Tages-Anzeiger um etwa 25 Prozent abgebaut werden.
Die Herausgeber der gedruckten Presse unterschätzen die Bedeutung anspruchsvoller Bildberichterstattung als Alleinstellungsmerkmal massiv. In der Schweiz leistet sich Le Temps fair bezahlte Aufträge für Fotografen. Auf der andern Seite des Spektrums steht die NZZ, die Auftragsfotografie etwa noch für das Lifestyle-Magazin „Z – Die schönen Seiten“ anbietet. Die von Chefredaktor Jeroen van Rooijen persönlich betreute People-Site ist eher bizarr und verzichtet auf Bildnachweise. So weiss man auch nicht, wer unseren Lieblingspromi Anna Maier bei der Veranstaltung von BMW in Adliswil ins Bild gesetzt hat. Doch van Rojien war vor Ort. Auf die Wiedergabe des Bildes verzichten wir.
Ins gleiche Werbesegment stösst der Tages-Anzeiger mit „Spezial Luxus&Fernweh“ vor (Ausgabe vom 9. Mai). Doris Fanconi hat Gärten und Mode an der Riviera und einen Ferrarifahrer in Zürich fotografiert. Thomas Burla porträtiert gleich vor der Haustür den Spezereiwarenhändler Heinrich Schwarzenbach im Zürcher Niederdorf und das japanische Restaurant auf dem Hasenberg. Bilder und Texte sind unaufgeregt, solid, beschaulich und ideal für einen schönen Maisonntag. Für den Maibummel steuert Thomas Widmer zum Abschluss eine Reportage über den Walensee bei.
Einen schönen Maisonntag haben sich auch Ladina und Renzo Blumenthal für die Taufe ihres Sohnes Moreno am Muttertag in Bonaduz ausgesucht. Unter den Kirchgängern wird man Kolleg/innen entdecken können, die schon lange kein Gotteshaus mehr von innen gesehen haben. Medienmässig liegt der Sonntagvormittag sehr ungünstig, und Renzo wird sich gründlich ärgern.
Die Schweizer Illustrierte liegt intern bereits vor und bringt André Reithebuch als unser aller Schätzeli, mit Aufnahmen von Marcel Sauder. Vater Reithebuch ist Verkaufsprofi durch und durch, und der neue Mister Schweiz beeindruckt im Sonntags Blick selbst Dominique von Matt. Mag sein, dass der sympathische Biobauer Renzo bald einmal als Ex-Promi tourt. Wäre interessant, die Story in einem Interview mit Claudio Zuccholini fortsetzen zu können. Doch wo ist der?
Ein Medienpreis sollte Urs Brülisauer und seinem Team zugesprochen werden. Er hat es geschafft, dass Väter ihre Söhne pushen, und am Muttertag in der People Presse präsent sind. Früher waren es Mütter mit ihren Töchtern. Doch wie heisst die amtierende Miss Schweiz? Ihre Quoten und ihrer Organisation dürften ins Bodenlose sinken.
Wie man Mister und Missen auf die Frontpage bringt, zeigt Photoshopdesaster. Bild.de hat einige der witzigsten Pannen analysiert. Falsche Hände, oder gar keine, sehr lange Beine und zwischen den Beinen, was einer Dame nicht ansteht. Die Kommentare sind witzig, vermutlich während der Nachtschicht auf der Redaktion entstanden und zeigen auf, dass man in Hamburg, Berlin und New York auch nur mit Wasser kocht.
Das Bild der Woche findet sich in sonntag.ch, – und online auf www.sonntagonline.ch. Es zeigt Miss Zürich Alexandra Feybli in der Werbung des Herstellers von Dentalinstrumenten, – nicht mit Zahnspange, sondern „füdliblutt“. Oli Rust zeichnet als Autor. Und auf der Website der Zeitung wird man zum Mitdiskutieren eingeladen. Nachdem Feybli in der Zürcher Presse seit Monaten nicht mehr präsent ist, macht sie offensichtlich eine Zweitkarriere im Aargau. (Bildnachweis: Oli Rust).