Pressespiegel vom Wochenende zum 6./7. Juni 2009
Die Partei von Silvio Berlusconi wird die Europawahl locker überstehen. Die Bilder seiner Silvesterparty mit blutjungen Mädchen und nackten Freunden können seinem Ruf kaum mehr schaden. Es war die Sternstunde für den lokalen Fotorepoter Antonello Zappadu, der sein Geld sonst mit sonnenbadenden Stars auf Jachten macht und von einem Balkon aus einfach seine Kamera in Richtung des Gästehauses des Staatspräsidenten rattern liess.
Die Bilder kennen wir nun, doch wie werden sie in der Presse präsentiert? Die Angelegenheit ist heikel. Die mit allen Wassern gewaschenen Kollegen der People-Fotografie von „El Pais“ haben einige der Aufnahmen aufgekauft, Gesichter abgedeckt und das Risiko der Publikation auf sich genommen.
Die weitere Geschichte kennen wir auch. Die übrige Presse hat Bilder von „El Pais“-lesenden Personen übernommen, die auch nicht erkennbar sind. Vermutlich sind es Mitbürger/innen, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine „El Pais“ in ihrer Hand gehalten haben. Und so verbreiten sich die wirklich nicht sehr aussagekräftigen Bilder für die Verleger urheber- und persönlichkeitsrechtlich unbelastet um den Erdball.
Auf blutjunge Mädchen setzt auch DAS MAGAZIN. Wer sich in der Familie und im Freundeskreis selbst mit Teenies auseinandersetzt, findet in den Aufnahmen von Linus Bill wenig Erotik. Der Text von Sacha Batthyany und Anuschka Roshani vermittelt kaum neue Einsichten ins Alltagsleben der „jungen Damen“.
Der Beitrag hinterlässt kein gutes Gefühl. Er reduziert in Text und Bild heranwachsende Mädchen auf ihre Sexualität. Mädchen in unserem Umfeld verbringen ihren Alltag in der Schule, einen grossen Teil ihrer Freizeit mit Sport und Musik und hängen auch gerne mit Kolleginnen und Kollegen und am Familientisch herum.
Während der Beitrag über die Mädchen in DAS MAGAZIN wenigstens noch vom Bild her überzeugt, dürfte das Experiment von Peter Tillessen mit den Illustrationen zum Beitrag von Thomas Zaugg über Kubo Tech misslungen sein. Vermutlich haben die Mitarbeiter/innen des Vorzeige-KMU andere Porträts erwartet. Vielleicht liegt es im Budget noch drin, die ungeschwärzten Aufnahmen zu verschenken.
Die Mütter der oben erwähnten Mädchen finden ihre Welt in der aktuellen Ausgabe von Z Die schönen Seiten, der „Lifestyle-Beilage“ von NZZ und NZZ am Sonntag. Mini-Röcke werden mit Mini-Autos verglichen („Kurz und knackig – Darf es auch ein Kleiner sein?“). Jeroen van Rooijen hat nach eigenen Aussagen die aufwendigste Produktion der NZZ in ihrer Geschichte zu verantworten. Die Aufnahmen sind auf dem Sustenpass entstanden. Irgendwo findet man den Namen des Fotografen Simon Procter, doch er dürfte nicht mehr als der Kameramann in der Inszenierung des Meisters gewesen sein. Na ja, den Werbern gefällts. Z besteht darauf besteht, dass die Beiträge eigene redaktionelle Leistungen sind, der Aufwand dürfte durch Product Placement bereits vorfinanziert worden sein.
Die von uns oft angesprochene Lücke einer medienfähigen Miss Schweiz deckt Ex-Miss Christa Rigozzi mehr als nur ab. Sie ist im Migros Magazin beim Kochen mit Andrea Pistorius ebenso präsent, wie in der Sonntags-Zeitung im Sonntags-Gespräch. Man erfährt, dass eine Autogrammstunde mit CHF 3 500.- verbucht wird und Vögele „auch“ ganz tolle Schuhe hat. Die guten Aufnahmen stammen von Maurice Haas.
Das SonntagsBlick Magazin widmet sich einer anderen Schweizer Ikone, dem Barry. Hannes Thalmann vermittelt das Intro, Jürg Waldmeier das Titelbild und die Bilder zur Reportage. Gabrielle Kleinert hat für den Text umfassend recherchiert und wird von den Hundezüchtern dafür nicht nur Blumen erhalten. Der kritische Beitrag ist ein Lichtblick an diesem wolkenverhangenen Sonntag.
Und noch immer stehen düstere Wolken über der TA-Media. Langsam wird bekannt, was der Aderlass für Leser/innen und Kollegen bedeutet. Auf einer Liste im Internet outen sich u.A. Barbara Vonarburg und Walter Jäggi als entlassen. Bei den Fotografen ist es Thomas Burla, der seit Jahrzehnten wie kaum ein Pressefotograf vernetzt ist. Die neue Strategie wird langsam erkennbar. An Stelle von sorgfältig recherchierten Beiträgen, wie im Bereich Wissenschaft und Technik wird „Convenience“ eingekauft. Die Bildreportagen macht man kaum mehr mit eigenen Leuten, sondern durch Keystone.
Ein aktuelles Beispiel ist die Berichterstattung über die Europride 09, die keine hohe Wellen warf. Newsnetz bringt bereits kurz nach der „Parade“ (die wie ein missglückter Fasnachtsumzug wirkte) eine Bildstrecke von Keystone. Damit dürfte das Thema für alle an Newsnetz beteilgten Medien abgehakt sein.n Die Sonntagspresse geht, wenn überhaupt, nur am Rande darauf ein.
Sch… Mittwoch. Kollege Philipp Albrecht vom Anzeiger der Stadt Kloten vermittelt uns seinen Frust auf Facebook. Als „seine“ Wochenzeitung (er vertrat den Chef während den wohlverdienten Ferien) in der Druckerei bereits rotierte, brannte der Bahnhofkiosk, und ein landwirtschaftlicher Lehrling fuhr mit 35 Tonnen Silage zu rasch in die Kurve. Vom spektakulären Unfall ohne Personenschaden hat die Kapo Zürich prächtige Bilder geschossen. Die nächste Nummer des Anzeigers erscheint in einer Woche. Weshalb, seufzt Philipp, kann man Unglücksfälle und Verbrechen nicht mit unseren Produktionsterminen abstimmen?
Da der Bahnhofkiosk in Kloten wegen Brandschadens für dieses Wochenende geschlossen ist, entfallen Hinweise auf weitere Printmedien. Die illustrierten Blätter sind alle angeschwärzt, wie im KMU-Beitrag von DAS MAGAZIN vorweggenommen. So werden wir erst am kommenden Wochenende auf weitere Fotoreportagen zurückkommen.
Ich finde diesen Presserückblick vom Wochenende jeweils lesenswert und unterhaltend. Allerdings hat der Autor offenbar noch nicht mitbekommen, dass es mittlerweile (seit 1 1/2 Jahren) vier Sonntagszeitungen in der Deutschschweiz gibt. Mal einen Blick in den „Sonntag“ der Mittellandzeitung würde nicht schaden.
Ich lese denn Sonntag regelmässig und vor allem auch die sehr kompetente und aktuelle Medienseite. Natürlich sind wir von der Fotografie her etwas magazinlastig. Mein Beziehungsnetz sind Reporter (soweit es sie noch gibt), People- und Modefotografen. Doch ich habe mehrfach auf Porträts im Sonntag hingewiesen und schätze, – ausserhalb von der Fotoszene, die kompetente Berichterstattung zu Innenpolitik und Wirtschaft. Schönen Abend und danke, David Meili.