Kommentar
Den Abschluss des Reigens von Fotopreisen für Berufsfotograf/innen, wie ewz.selection und vgt-Nachwuchswettbewerb bildete Photomünsigen, das nicht nur für Amateure den Charakter eines Festivals angenommen hat. Doch was unterscheidet heute Amateure noch von Profis? Die technische Ausrüstung sicher nicht, denn in Münsingen waren Kameras und Objektive zu sehen, von denen viele Berufsfotografen und Kunstschaffende nur träumen können.
Und dennoch sind es verschiedene Kulturen. Berufsfotografen müssen sich am Markt bewähren. Ihr Erwerb reicht von der Passfotografie bis zu Portfolios, Ausstellungen, Diavorträgen und Büchern.
Amateure sind entweder in Klubs organisiert oder messen sich auf Portalen wie Flickr, MySpace oder seen.by mit der globalen Konkurrenz auf dem Internet. Dcoh da besteht kein Unterschied zwischen Amateuren, Semiprofis und bestandenen Grössen der professionellen Szene.
Für die jüngere Generation von „Amateuren“ verliert der traditionelle Fotoklub zunehmend an Attraktivität. Da jeder seinen eigenen PC hat, braucht es keine gemeinsame Dunkelkammer mehr. Anerkennung auf dem Internet bringt in der eigenen Generation mehr Prestige als die Aufnahme als Mitglied in eine „fotografische Gesellschaft“, auch wenn diese seit hundert Jahren besteht.
„Wie hat Sie das gemacht?“, fragten sich bestandene Amateure vor den verwirrenden Bildern von Elena Martynyuk im Schloss Münsingen. Es sind „Composites„, aus mehreren Ebenen am Computer zusammengefügte Bilder. Wer die Technik durchschaut, erkennt auch, wie bewusst Martynyuk diese neue Dimension einsetzt. Ihr Kollege Sergey Buslenko lässt virtuelle Wasserperlen über Fotografien rinnen und führt in Unterwasserwelten.
Martynyuk und Buslenko gehören zur Weltspitze von „Amateuren“, die Bildverarbeitung sehr bewusst und auf hohem Niveau einsetzen. Das einheimische Schaffen, wie es im Saal des Schlossguts zu sehen war, fiel markant ab. Bei einem grossen Teil der Wettbewerbsarbeiten wurden die Bilder mit Photoshop geschönt, und immer mehr der Teilnehmer/innen möchten die Betrachter mit Verfremdungen überraschen.
Nur sind diese Tricks und Plugins heute auf nahezu jedem Home-Computer verfügbar und öffnen kaum mehr neue visuelle Perspektiven. Man fragt sich, ob die Jury diesen Aspekt berücksichtig hat und nicht dem Hype von künstlichen Bilderwelten erlegen ist.
In der professionellen Fotografie, und nicht zuletzt bei den Besten und bei den Jungen hat ein Umdenken bereits stattgefunden. Nicht wenige Bilder des Jahres sind analog entstanden, jedoch digital und professionell durch Fachlabors und Fachleute ausgearbeitet worden. Hier könnten sich auch für Amateure neue Perspektiven öffnen. Die Grossbildkamera zum Schnäppchenpreis, sich ein halbes Jahr zurückziehen und mit völlig neuen Erfahrungen auf das faszinierende Medium Fotografie zugehen, ist mein persönlicher Karrieretipp.
David Meili