Pressespiegel zum Wochenende vom 15./16. August 2009
Wer jemals ein Probeabo für eine Zeitschrift aus Deutschland erhielt, kennt die Folgen. Es verlängert sich unaufgefordert zum Jahres- oder Mehrjahresabo, dann folgen Rechnungen mit komplizierten internationalen Einzahlungsscheinen. Wirft man diese weg, wird man postwendend durch die Abmahnung mit Rechtsbelehrung und Betreibungsandrohung einer Anwaltskanzlei aus Frankfurt beglückt. Dr. Lessing grüsst.
Probeabonnent/innen von „Die Zeit“ (Schweizer Split) bezeugen solche Erlebnisse. Vom Tages-Anzeiger provoziert, vermeldet „Die Zeit“, man könne das automatische Folgeabonnement monatsweise kündigen. Doch zu welchem Preis! Die unaufgeforderten Nummern werden in Rechnung gestellt, hinzu kommt eine Bearbeitungsgebühr von CHF 32.-. Nach schweizerischem Recht muss die Bearbeitunsgebühr nicht bezahlt werden, allenfalls ein Verzugszins. Doch hilft eine Rechtsbelehrung gegen den Import von deutschen Bräuchen und Sitten im Verlagswesen? Kaum.
Der „Zickenkrieg“ um Abonnenten hat einen existentiellen Hintergrund. Ist die Erstzeitung der Zukunft eine internationale Wochenzeitung mit einem Schweizer Split, oder eine regionale Tageszeitung, deren wesentliche News man aus dem Internet früher und kostenlos beziehen kann? Sonntag.ch bringt auf Seite 45 einen eher abenteuerlichen Beitrag von Kurt-Emil Merki. Merki will am Beispiel von L’Hebdo und Die Zeit aufzeigen, dass der Königsweg über die Regionalisierung führt. Georges Müller (Kleinreport) doppelt in einem Gastkommentar nach, und dann wird der Dialog unter den Schweizer Verlegern wirklich zum „Zickenkrieg“. Lesenswert, auch für Fotograf/innen.
Die Diskussion um René Kuhn, den nunmehr abgetretenen Präsidenten der Stadt-Luzerner SVP hat zu einem Spätsommer-Gewitter in Printmedien und Internet-Foren geführt. Sind „emanzipierte“ Schweizer Frauen tatsächlich „Vogelscheuchen„? Claudia Marinka von sonntag.ch unterstützt nicht die Wortwahl von Kuhn, doch billigt ihm seine Erfahrungen in Osteuropa zu. Bei Anlässen mir Verwandten in Budapest trifft sie stets auf elegante, gut gekleidet Geschlechtsgenossinnen, die ebenso Wert auf ihr Äusseres wie auf gesellschaftliche Umgangsformen legen und sich über Komplimente freuen. Einladungen zu einer Hochzeit mit dem Vermerk „Festliche Kleidung erwünscht“ würden in Ungarn als beleidigend empfunden.
Damit sticht Claudia Marinka in ein Wespennest. Wer in den vergangenen Monaten in Zürich nach Vernissagen Bilder von elegant gekleideten Frauen in die Redaktion bringen wollte, beschränkte sich besser auf Porträts. Man fragt sich, wer die vielen schönen Kleider und Schuhe, die auch für Männer das Window-Shopping an der nächtlichen Bahnhofstrasse interessant machen, kauft? Wir wissen es nun, es sind die Russinnen.
Vielleicht geht die schulterklopfende „Modeszene“ in den Zürcher Trendquartieren bald einmal über die Bücher. Oder sie macht „Vogelscheuche“ ebenso zum Trendlabel wie „Freitag-Taschen„. Das ultimative Buch über Vogelscheuchen von Bettina erschien erstmals bei Benteli 1979 (und ist übrigens immer noch im Handel). Bettina Ehrlich hat ihre Vogelscheuchen immerhin mit einer Leidenschaft fotografiert, die man bei Fotograf/innen der Zürcher Trendlabel vergeblich sucht.
Der Bund „Stil“ der NZZ am Sonntag bringt es nun wirklich auch nicht. Haare, sofern man welche hat. Was bleibt, geht in die Papiersammlung am nächsten Monatsbeginn.
Dass Bernerinnen die schönsten Schweizerinnen sind, wissen wir schon längst. Nun hat Ex-Miss-Schweiz-Finalistin Maria Dolores Dieguez mit dem Schauspieler Joseph Fiennes den Bund der Ehe geschlossen. So werden auf den Bildredaktionen eifrig Bildli der einst verschmähten Miss Schweiz gesucht. Auch Berner Meitschi der zweiten Generation können im Leben erfolgreich sein, wenn sie das Matterhorn nicht mit dem Eiger verwechseln, und nach Berner Art verlässlich sind.
Keine Glanzleistung bringt dieses Wochenende DAS MAGAZIN. Der Beitrag von Birgit Schmid über RITALIN ist offensichtlich das Resultat eines Selbstversuchs. Ob Hans-Jörg Walter mit seinen beiden Pillenbildern ebenfalls die Droge intus hatte, wissen wir nicht. Wir vermuten eher einen Flashback als Hommage an Hans Finsler, der in den fünfziger Jahren an der damaligen Kunstgewerbeschule in Zürich über Monate und Jahre seine Schüler Eier fotografieren liess und quälte.
Ein neues Produkt erspart den Bildredaktionen viel Arbeit und wirkt sich auf den Stellenmarkt der Praktikant/innen aus. Mit einer Partybrille sind die Augen bereits bei der Aufnahme anonymisiert. Man braucht sie nicht mehr mit PhotoShop zu überdecken. Portale, wie Tillate, Usgang und Lautundspitz brauchen diese Innovation nicht zu fürchten. Denn, wer fotografiert werden will, möchte ja auch erkannt werden.
Am Montag, dem 16. August ist verspätet mit den Kantonen westlich der Reuss auch in der Ostschweiz Schulbeginn. In Südeuropäischen Ländern werden die ABC-Schütz/Innen in Fotostudios abgelichtet. In unseren Landen bleibt einer der wichtigsten Tage im Leben unserer Kinder und Grosskinder auf dem Fotohandy. Immerhin hat Tages-Anzeiger/Newsnetz einen bescheidenen Wettbewerb für Das Beste Bild zum Schulanfang lanciert. Es wird Jahre dauern, bis die Fotobranche diesen Trend hierzulande entdeckt.