Urs Tillmanns, 4. September 2009, 15:00 Uhr

13. Bieler Fototage «Bande à part», 4. bis 27. September 2009

Zum 13. Mal widmen sich die Bieler Fototage vom 4. bis zum 27. September 2009 Themen aus der zeitgenössischen Kunst. Unter dem Titel «Bande à part» beschäftigt sich die diesjährige Ausgabe mit der Thematik des Individuums innerhalb einer Gemeinschaft. An den insgesamt 20 Ausstellungsorten, im Museumsquartier sowie in der Bieler Altstadt, treffen Schweizer Künstler auf internationale Fotografinnen und Fotografen.

Unter dem Titel «Bande à part» können wir eine abgesonderte Gruppe verstehen oder Individuen, die freiwillig abseits stehen (nach dem französischen Sprichwort faire bande à part). Das Gruppenverhalten, die Rolle des Einzelnen innerhalb einer Gemeinschaft sowie das Zwischenspiel der beiden sind Teile der Überlegungen der eingeladenen Fotografinnen und Fotografen. Vom wissenschaftlich-ethnologischen Dokument bis zu den heute immer seltener werdenden Ritualen der Klassenfotos entstehen Gruppen- oder Gemeinschaftsdarstellungen aus unterschiedlichsten Motivationen.

Häufig wurde die Fotografie dafür eingesetzt, Missstände an den Tag zu bringen. So beschäftigten sich Dorothea Lange, Walker Evans oder andere Fotografen der Farm Security Administration mit der Not der Migranten aus dem ruralen Amerika der Zwischenkriegszeit. Sei es als Zeugnis sozialer Umstände wie in den 30er Jahren oder als Erinnerung an private und öffentliche Ereignisse, die Fotografie hält die wichtigsten Etappen eines Lebens fest.

Weiterhin interessieren sich die Fotografinnen und Fotografen für soziale Gruppierungen, Gemeinschaften oder kollektive Handlungen. Einerseits werfen sie einen kritischen Blick auf diese in ihrem kontinuierlichen Kampf ums Bestehen in der globalisierten Welt, andererseits hinterfragen sie das individuelle Verhalten innerhalb einer Gemeinschaft, in die sich der Einzelne freiwillig oder gegen den eigenen Willen zu integrieren versucht. Während die einen die Rituale beobachten, die innerhalb eines Kollektivs stattfinden, um die eigene Identität, d.h. die Eigenartigkeit hervorzuheben, befassen sich die anderen mit den individuellen Charakteristiken innerhalb einer Gruppierung, seien es Charakteristiken physiognomischer Art, Verhaltensweisen oder Bekleidungsregeln.

Die zur diesjährigen Ausgabe eingeladenen Schweizer Künstler und Künstlerinnen treffen auf namhafte internationale Fotografinnen und Fotografen wie Charles Fréger (Frankreich), Martin Kollar (Slovakei), Ingrid Wildi (Chile/Schweiz) sowie die sieben Fotografen des Projektes «The Singled Person».

Wo finden die Ausstellungen statt?

1. Ancienne Couronne / Alte Krone
2. The Ring Gallery
3. La boîte à images
4. Temple allemand / Stadtkirche
5. Musée Neuhaus Museum
6. Espace libre
7. Art Etage
8. PhotoforumPasquArt


Zu den Arbeiten


Fabian Biasio, 1975, lebt und arbeitet in Luzern, > Musée Neuhaus Museum (5)
Die Mitte des Volkes von Fabian Biasio thematisiert politische Gemeinschaften. Der Fotograf begleitete die Aktivitäten der Schweizerischen Volkspartei (SVP), um Porträts von ihren Anhängern und Sympathisanten neben deren jeweiligen Lieblingslandschaften zu realisieren und ihnen damit zu einem Ausdruck zu verhelfen.


Christophe Chammartin, 1970, lebt und arbeitet in les Thioleyres (VD), > Espace libre (6)
Die Verflechtungen des Arbeitsmarktes und der Immigration beschäftigen Christophe Chammartin in Prisons de plastique. Er zeigt die Arbeitsbedingungen der Migranten in grossen Landwirtschaftsbetrieben Andalusiens. Die bestechende Menschlichkeit der Darstellung tritt an Stelle von Mitleid und Bedauern.


Charles Fréger, 1975, lebt und arbeitet in Rouen, Frankreich, > Ancienne Couronne / Alte Krone (1)
In den drei Serien von Charles Fréger Empire, Orange Order und Hereros stellen die uniformierten Personen ihre Abzeichen zur Schau, welche die Funktion haben, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und ihre gesellschaftliche Rolle in Erinnerung zu rufen.


Matthieu Gafsou, 1981, lebt und arbeitet in Lausanne, > Art-Etage (7)
Die Aneignung der Natur durch den Menschen beschäftigt Matthieu Gafsou in Espaces nomades. Er schaut fragend auf das Verhältnis des Menschen zur Natur, die noch verwildert und unberührt, von letzteren besetzt wird.


Robert Huber, 1975, lebt und arbeitet in Zürich, > la boîte à images (3)
Die Serie Beyoglu Queens von Robert Huber porträtiert Transvestiten, die in einer traditionalistischen Gesellschaft ein anderes Gesicht haben als anderswo. Diese im Nachtleben des Istanbuler Quartiers Beyoglu entstandenen Porträts sind frontale Büsten ohne Inszenierung, welche die Schminke sprechen lassen.


Martin Kollar, 1971, lebt und arbeitet in Bratislava, Slovakei, > PhotoforumPasquArt (8)
Martin Kollar wirft einen amüsierten Blick auf das Beamtenwesen. Auf den ersten Blick gewöhnlich, erscheinen die Bürokraten aus dem Europäischen Parlament in Brüssel und Strassburg beim genaueren Hinschauen als absurd (European Parliament).


Oliver Lang, 1966, lebt und arbeitet in Lenzburg, > PhotoforumPasquArt (8)
Die Fotografien der Berge von Oliver Lang zeigen Wanderer, die sich Wochenendritualen hingeben, und dabei Verhaltensmuster reproduzieren, die denjenigen der Strandtouristen gleichen (Weekend).
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Catherine Leutenegger, 1983, lebt und arbeitet in Lausanne, > Musée Neuhaus Museum (5)
Die grossen Auswirkungen der digitalen Revolution auf die Fotografie werden in der Serie The Kodak City festgehalten. Catherine Leutenegger fotografierte auf eine sehr neutrale Art und Weise die Kodak-Fabrik in Rochester, einer Stadt, die von unglücklichen ökonomischen Wendungen zeugt.


Christian Lutz, 1973, lebt und arbeitet in Genf, > Ancienne Couronne / Alte Krone (1)
Christian Lutz hat für seine Arbeit OutWest eine Viehzüchterfamilie aus Oregon begleitet. Die Familie David betreibt diese anachronistische Tätigkeit isoliert, aber leidenschaftlich und steht für ein Amerika, das im eigenen Mythos erstarrt, zwischen westamerikanischen Klischees und der eigenen Realität.


Alexander Odermatt 1973, lebt und arbeitet in Zürich, > Art-Etage (7)
Alexander Odermatts Bilder zeigen Porträts Asylsuchender durch ihre persönlichen Gegenstände, die sie auf dem Nachttisch ihres provisorischen Zimmers haben (System Research #2 Intimacy).
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Andri Pol, 1961, lebt und arbeitet in Basel, > PhotoforumPasquArt (8)
Anders sieht die Mittellosigkeit bei Andri Pol aus. Maisons Bleues, in Japan entstanden, in einem Land des Überkonsums, wo das persönliche Scheitern als Ungnade gilt, stellt Porträts der Obdachlosen ihren gebastelten Unterkünfte aus Kartonschachteln und blauen Blachen gegenüber.


Nicolas Righetti/ Francis Traunig / 1967 / 1954, leben und arbeiten in Genf, > Musée Neuhaus Museum (5)
Nicolas Righetti und Francis Traunig folgten an einem Karfreitag einer Kreuzweg-Prozession. Dieses spektakulär inszenierte Ritual greller Farben wiederholt sich alljährlich in den Vorstädten von Mexico City (Crucifixion).
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Nicolas Savary, 1971, lebt und arbeitet in Lausanne, > Art-Etage (7)
Nicolas Savarys verbarrikadierte Schaufenster in den Stadtzentren von Genf und Lausanne veranschaulichen noch eine andere Art des Zusammentreffens, nämlich die Demonstrationen der Altermondialisten. Savary fing mit seinen Aufnahmen die organisatorischen Aspekte rund um den G8 Gipfel in Evian ein sowie das Gefühl der Unsicherheit, das von den Medien genährt wurde (G8). Seien es Gewerkschaftssitzungen, die Angliederung der Gemeinde Vellerat an den Kanton Jura vor 14 Jahren oder Entomologentreffen,


Meinrad Schade, 1968, lebt und arbeitet in Zürich, > Musée Neuhaus Museum (5)
Einzelne Daten der religiösen Kalender sind nach wie vor Anlass für Pilgerreisen und repräsentieren bedeutende Lokaltermine. So begab sich Meinrad Schade nach Tirumala in Südindien, um eine Reportage über Haaropfergaben als Danksagung an den Gott Venkateswara zu realisieren (Don’t pay the barber).


Anja Schori, 1983, lebt und arbeitet in Bern, > Art-Etage (7)
Anja Schoris Boxerinnen sind Frauen, die sich in der männerdominierten Welt des Boxens bewegen. Die Bildersymbolik des Boxens vermischt sich mit einfachen, fast banalen Szenen. Die Dynamik spiegelt diejenige im Ring wieder (Box). Gruppierungen formieren sich ebenfalls im Rhythmus der politischen und ökonomischen Veränderungen.


Heini Stucki 1949, lebt und arbeitet in Biel, > Temple allemand / Stadtkirche (4)
Heini Stucki wirft auf seine Zeitgenossen einen humorvollen und menschlichen Blick.
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Ingrid Wildi, 1963, lebt und arbeitet in Genf und Biel, > PhotoforumPasquArt (8)
Das Thema der Migration findet sich auch im Video Los Invisibles von Ingrid Wildi wieder. Die Sans-Papiers erzählen ihre persönliche Geschichte direkt in die Kamera, aber mit bedecktem Gesicht – ein Mittel der Künstlerin auf die administrative Nichtexistenz dieser Migranten hinzuweisen. Ihnen das Wort zu geben und ihre Geschichte aufzuzeichnen bedeutet gleichzeitig, sie aus dieser Anonymität herauszuholen.


Florian Zellweger, 1982, lebt und arbeitet in Lausanne, > PhotoforumPasquArt (8)
Florian Zellweger interessiert sich seinerseits für ästhetische Charakteristiken des Auges. Die Serie Iris 732 befasst sich mit kühlen Grossaufnahmen der Iris des menschlichen Auges. So werden diese zu Formen und Farben nahe der Abstraktion. Als eine Art Spiegel der Seele erinnern sie uns an unsere biologische Zugehörigkeit und gleichzeitig an unsere einzigartigen Charakteristiken.


The Singled Person, > The Ring Gallery (2)
Michael Ackerman (1967, USA), Morten Andersen (1965, NOR), Thorsten Kirchhoff (1963, D), Peer Kugler (1966, D), André Lützen, D), Hisashi Murayama (1973, JP), Filippo Romano (1968, I)

Auf das Individuum konzentriert, umfasst die Arbeit The Singled Person simultane Projektionen von sieben internationalen Projekten. Es lädt zur subjektiven Betrachtung der Beziehungen des Individuums zu seiner Umwelt ein. Michael Ackerman, Morten Andersen, Thorsten Kirchhoff, Peer Kugler, André Lützen, Hisashi Murayama und Filippo Romano bevorzugen Momentaufnahmen mit einer sehr persönlichen Handschrift. Die nächtlichen Stadtdarstellungen spielen mit den Grenzen des Unsichtbaren und der Abstraktion. Das Individuum, einsamer Schatten, unscharf und mysteriös, weckt das Bedürfnis nach beruhigender Zusammengehörigkeit.


Schule für Gestaltung Bern und Biel, > Ancienne Couronne / Alte Krone (1)
Die Lernenden der zweiten Fachklasse Grafik der Schule für Gestaltung Bern und Biel finden auf kreative Weise ihren ganz persönlichen Zugang zur Fotografie. Mit unterschiedlichen Techniken und Perspektiven interessieren sie sich für soziale Themen und dokumentieren ihre eigene Umgebung.


Detailinformationen finden Sie hier, das Programm hier.

Hier können Sie das Programmheft als pdf herunterladen (3,1 MB)

Link zu den öffentlichen Führungen und Rahmenveranstaltungen.

Details zum Fotowettbewerb finden Sie hier. Beachten Sie hierzu auch den Ausschrieb auf Fotointern

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