Erwarten Sie keine Stellungnahme von unserer Redaktion zur Bundesratswahl. Die Schweiz wählt ihren „Kulturminister“ nicht am 16. September, sondern zehn Tage später, und nicht im Parlament, sondern über das Internet.
Bundesrat Pascal Cochepin wurde oft als Kulturminister bezeichnet, weil ihm das Bundesamt für Kultur unterstellt ist. Doch einen eigentlichen Kulturminister im Rahmen eines Kabinetts kennt die Schweiz nicht. Das Bundesamt ist im europäischen Vergleich eher eine Verwaltungsabteilung, die unterschiedliche Sparten, wie die Filmförderung, die Denkmalpflege und die kulturelle Präsenz der Schweiz fördert. Aktuell in diesen Tagen sind die Beiträge an der Biennale in Venedig oder die Auszeichnungen für Designer.
Das Bundesamt wird umsichtig von Jean-Frédéric Jauslin geleitet, dessen Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Interessen der Sprachregionen und den Fachorganisationen geschätzt wird. Jauslin setzt sich als früherer Direktor der Schweizerischen Landesbibliothek auch immer wieder und erfolgreich für die Erhaltung des fotografischen Erbes in der Schweiz ein.
Doch die sorgfältig austarierte Kulturverwaltung im Departement von Pascal Couchepin kam Mitte der neunziger Jahre zunehmend in Konflikt mit den Forderungen der Verbände. 2005 entstand im „Forum des Artistes“ in Biel die Idee, selbst einen „Kulturminister“ zu wählen und eine Art Schattenkabinett aufzubauen. Erster Kulturminister wurde einer der Initianten, der Thuner Künstler und Kunstaktivist Heinrich Gartentor. Mitbeteiligt und heute noch tragende Kräfte im Projekt sind Adi Blum und Beat Mazenauer aus der Luzerner Szene.
Gartentor stürzte sich sogleich in die Arbeit und betrachtete das Kulturministerium als eine Art Dachorganisation über den Verbänden, wie der Visarte, die er seit 2007 selbst präsidiert. In seinem Präsidialjahr war die Vernehmlassung zum Kulturgesetz eines der wesentlichsten Resultate. Das Dokument wurde selbst von den wenigen, an Kulturpolitik ernsthaft interessierten Parlamentarier/innen gewürdigt.
Auf Gartentor folgte der Luzerner Autor und Kulturschaffende Dominik Riedo, der nun den Stab mit der Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers weitergibt. Was Riedo wirklich in seiner Amtsperiode geleistet hat, wird aufgrund der Website und der Pressemeldungen nicht deutlich. Wohl gab es einige Ässerungen zu aktuellen Fragen wie dem Urheberrecht und sogar einen Kulturpreis für den besten Leserbrief.
Nun soll alles anders werden, denn fünf Kandidat/innen wurden von einem Komitee für den Wahlkampf 2009 ausgewählt. Wie diese Auswahl erfolgte, bleibt rätselhaft. Offensichtlich musste man Linientreue in den entsprechenden Fachorganisationen beweisen und ein gewisses Charisma ausstrahlen.
Die Wahlkampftour versucht mit den Kandidat/innen aktuelle Themen in Podiumsdiskussionen dem Fussvolk zu vermitteln. Ob an den einzelnen Veranstaltungen wirklich Grundsatzdebatten zur Kulturpolitik in der Schweiz geführt werden, bleibt offen.
Doch es sind keine Jux-Kandidaturen, sondern etablierte Vertreter/innen der Schweizer Kulturszene, die Riedo folgen möchten. Der Fotografie am nächsten steht Aurelia Fischli, die sich auch ausserhalb des Wahlprogramms für freie Kulturräume einsetzt und ihre Generation aktiv vertreten würde.
Kulturministerium mit allen Terminen und der Möglichkeit zur Stimmabgabe.
Die einzelnen Kandidat/innen führen ihren Wahlkampf auch über Facebook, MySpace und Twitter. Die Links finden sich über die Porträts auf der Website des Kulturministeriums.