Bande à part lautet das Thema der 13. Bieler Fototage. Es erschliesst sich erst, wenn man die Folge von 18 Reportagen und zwei Gruppenausstellungen selbst erlebt hat. Band à part ist der Titel eines Films von Jean-Luc Godard, der Quentin Tarantino zum Brand seiner Produktionsfirma A Band apart inspiriert hat.
Doch was bedeutet Bande à part? Für die beiden Kuratorinnen und Co-Direktorinnen des Festivals, Hélène Joye-Cagnard und Catherine Kohler stehen die Reportagen im Spannungsfeld von Gesellschaft, Gemeinschaft und Individuum. Mit einer Co-Direktion leiten sie die Bieler Fototage seit drei Jahren.
Der thematische Bogen lässt sich leicht konkretisieren, zum Beispiel mit den Aufnahmen von Fabian Biasio von Mitgliedern der SVP. Die in ihrem Umfeld dargestellten Personen sind Teil der Gesellschaft, doch Mitglieder einer Gemeinschaft und vor allem auch individuelle Persönlichkeiten. Wie Biasio auf dieses Thema zugegangen ist, hat durchwegs zu positiven Kritiken, auch von den Dargestellten selbst geführt. Die in der Edition Patrick Frey erschienene Buchversion der Reportage verzeichnet nach zwei Jahren immer noch Erfolge im Buchhandel.
Mit Catherine Kohler ziehen wir eine Zwischenbilanz der 13. Bieler Fototage, die bis zum 27. September dauern. Trotz oder vielleicht wegen der Bekanntheit, steht die Arbeit von Biasio weit oben auf der Skala der Beliebtheit bei den Besucher/innen. Ein weiterer Faktor dürfte sein, dass der Fotograf die Hängung selbst mitverantwortete. Auch wenn man die Reportage von Fabian Biasio schon mehrfach gesehen hat, entdeckt man nun neue Perspektiven.
So zeigen die Bieler Fototage eine überlegte und im Ausstellungsteam erarbeitete Bilanz der Reportagefotografie seit der Mitte des Jahrzehnts. Eine Ausnahme bildet Heini Stucki, Urgestein der Bieler Fotoszene, dem ein Blick zurück gegönnt wird. Stucki arbeitet zumeist noch schwarzweiss, verarbeitet selbst und hängt seine Reportagebilder an einer Wäscheleine zum Trocknen auf.
Die Fotografie über die Fotografie ist eines der Themen, das sich in dieser Ausstellung ausloten lässt. Ein „Must“ für alle Fotointeressierte ist die Reportage von Catherine Leutenegger „The Kodak City“. Bereits 2005 ging Leutenegger das Thema mit der Reportage „Hors-champ“ über Fotostudios in der Westschweiz und den Abschied von der analogen Fotografie an. 2007 wurde diese Arbeit mit dem Manor-Preis des Kantons Waadt ausgezeichnet und ermöglichte ihr ein Stipendium in New York.
Catherine Leutenegger konzentrierte sich auf ein neues Projekt, das sie noch näher an das Thema heranführen sollte. Doch die Reportage über die Kodak-Stadt Rochester/NY drohte oft zu scheitern. Der zerfallende Hauptsitz des einst mächtigsten Unternehmens der Fotoindustrie igelt sich ein. Leutenegger suchte zwei Ansätze. Die leeren Parkplätze, Bauruinen und Brachflächen fotografierte sie analog, im Mittelformat und in Kodak-Farben. Die Menschen und die Einblicke in die Innenräume fotografierte sie digital. Die Bilder publizierte Leutenegger in einem persönlichen Buch in Kleinauflage. Das Buch versteht die Fotografin folgerichtig als Leitmedium zur Konservierung.
Unmittelbar nebenan finden wir die Reportage von Nicolas Righetti und Francis Traunig über die Kreuzigungs-Prozessionen in Mexiko. Der Kontrast könnte nicht grösser sein. Von den gelblichen Kodak-Farben taucht man in eine bunte, vitale Bilderwelt ein. Für die Ausstellung spielen die Fotografen mit kleinformatigen Abfolgen aus den Reportagen und grossformatigen Porträts einzelner Akteure. Righetti hat fünf Mal am Passionsumzug teilgenommen, und die Bilder vom Vorjahr als Geschenk an die Darsteller ermöglichten ihm stets einen tieferen Zugang zu den Menschen. Für die finale Reportage hat ihn Traunig unterstützt, ankedotisch bei der Kreuzigung mit einem Slave Flash, das im Katalog (Bildseite 12) noch sichtbar, auf dem Print ausradiert ist.
Vermutlich ist diese Reportage in der Ausstellung derart erfolgreich, weil sie eine Geschichte erzählt. Vor ihr staunen Kinder wie Erwachsene, die mit Besucherprogrammen in das Festival eingeführt werden. Die von zwei Museumspädagoginnen und von der Fondation Sandoz unterstützen Führungen für Schulen sind einer der Erfolge der diesjährigen Veranstaltung.
Wir sind konkret nur auf vier der zwanzig Fotograf/innen und Gruppen eingegangen. Man soll die Zeit zum Besuch der auf drei Institutionen verteilte Ausstellung nicht zu knapp bemessen. Wenn man beim Musée Neuhaus beginnt, verliert man sich rasch in der Kinematographensammlung Piasio, die dem Museum angegliedert ist. Danach bleibt man vielleicht in einem der welschen Charme ausstrahlenden Bistrots hängen und findet am Nachmittag Zeit, die Ausstellungen im Centre PasquArt nebenan und in der Alten Krone hinter der Stadtkirche zu besuchen.
Da gibt es noch viel zu entdecken, wie die irritierenden Porträts von Transsexuellen in Istanbul von Robert Huber, die auf ganz andere Fantasien ausgerichtet sind, als Bilder von Prostituierten in Mitteleuropa. Dann stösst man auf die ebenso exotisch wirkenden Bilder des Strandlebens an Schweizer Bergseen von Oliver Lang.
Biel hat im September 2009 kulturell viel zu bieten. Mit der Kamera lässt sich die 11. Schweizerische Plastikausstellung Utopics entdecken, eines der interessantesten Kulturereignisse in diesem Jahr. Vom 16. bis zum 20. September findet zudem das 5. Festival du Film français d’Hélvetie statt (die meisten Filme werden deutsch untertitelt).
What’s next? Catherine Kohler kann diese Frage für die 14. Fototage 2010 noch nicht beantworten. Das Thema entsteht in Zusammenarbeit mit Fotograf/innen, in Gedanken nach erfolgreichen 13. Fototagen und in stillen Stunden, wenn der Nebel über den Bielersee zieht.
13. Bieler Fototage (bis 27. September 2009)
11. Schweizerische Plastikausstellung
(bis 25.10.09, Ausstellungsführer und Beratung beim Container am Ausgang des Bahnhofs)
Festival du Film français d’Hélvetie (16. – 20. September)
Grüezi, mich freut Ihre Berichterstattung über meine Arbeit jedes mal sehr. Auch die Kritik an der Tagimagi-Bratwurst-Bildstrecke (über Lukas Reimann) fand ich durchaus angebracht. Super finde ich auch, dass Sie auf unsere Unterschriftensammlung auf http://www.pressefoto.ch aufmerksam machen. Eine kleine Korrektur: Mein Name ist Fabian Biasio, nicht Fabio Biasio. Kleines Detail. Da das schon so viele Leute falsch geschrieben haben, sind bei Google beide Versionen gespeichert. Und wenn Sie mögen, können Sie ja anstelle der Presseinfo zum Buch die Homepage http://www.mitte-des-volkes.ch verlinken, da gibt es noch viel mehr Infos. Danke und beste Grüsse aus Luzern
Fabian Biasio
Vielen Dank für die Komplimente. Wir tun in unserem Team,was wir können, und da gibt es gelegentlich Fehler. Ich habe sie sogleich korrigiert.
Übrigens finde ich die Ausstellung in Biel auch nach dem Überschlafen grossartig, und ich gehe vielleicht nochmals. Wie oft habe ich den Katalog erst auf der Rückreise gelesen und wäre im HB Zürich am liebsten gleich wieder in den nächsten Zug gestiegen, um das nachzuschauen, was ich verpasst habe.