Pressespiegel zum Wochenende vom 19./20. September 2009
Der Jahreskongress der Schweizer Presse in Interlaken war offensichtlich alles andere als ein (be-)rauschendes Fest. Im Tages-Anzeiger vermittelt Constantin Seibt ein Stimmungsbild, das wenig optimistisch stimmt. Insbesondere die mittleren Blätter, die sich im Bereich der Printpresse für ihre Leserschaft immer noch als Leitmedien positionieren, werden weiter Federn lassen müssen oder fallen. Statements online Glanz&Gloria, SF DRS
Wie man sich selbst ins Elend bringt, beweist die NZZ auf hohem Niveau. Mit der Kürzung der Zeilenhonorare auf CHF 1.40 wurde der Aderlass beim einst respektierten Feuilleton beschleunigt. Die Honorare decken nicht einmal mehr die Spesen und liegen weit unter dem Stundenlohn der Zeitungsverträger.
Sagt ein Bild mehr als tausend Worte? Wenn man das Honorar der Textjournalisten in Zeilen umrechnet, würde man ein mittelgrosses Bild auf etwa CHF 200.- fakturieren können. Doch oft genügen CHF 60.-, und oft gar nichts, weil bei zu geringem Inserateaufkommen in diesem Sommer viele Bild- und Textbeiträge gar nicht publiziert wurden. Die Begründung von Feuilletonchef Martin Meier und Chefredaktor Markus Spillmann, es sei eine Ehre, für die NZZ zu schreiben, kommt vielleicht nicht einmal mehr an der Falkenstrasse an. In Berlin, München und Frankfurt wird das Feuilleton allenfalls von jenen noch gelesen, die als Hartz IV Empfänger für CHF 1.40 dafür schreiben.
Nach gut dreijährigem Kampf gegen den automatisierten Newsfeed von Google suchen Zeitungsverleger neue Wege, um selbst ins Geschäft zu kommen. Diese Woche hat das Verlagshaus Burda nachrichten.de aufgeschaltet. Medienredaktor Frank Patalong von Spiegel-Online nimmt den neuen Online-Dienst, der natürlich kostenlos ist, unter die Lupe. Auch wenn Patalong dem aufwendigen Service der Konkurrenz durchaus mit Respekt begegnet, bleibt für ihn ein „Aggregator ein Aggregator“. Für substantiellere Themen lässt sich die redaktionelle Arbeit nicht automatisieren. Dies zeigen auch erste Erfahrungen des von der Schweizer Regionalpresse aufgebauten und moderierten Dienstes news1.ch.
Interessant ist die Frage der Verwertungsrechte. Solange der Dienst innerhalb der Verlagsgruppe betrieben wird, ist es Sache von Burda, die Mehrfachverwertung von eigenen oder selbst angekauften Bildern vertraglich zu regeln. Es ist denkbar, dass ein solcher Passus in zukünftigen Verträgen auftaucht, wenn der neue Dienst Erfolg hat. Dadurch wäre Burda einen für Fotografen begrüssenswerten Schritt weiter als Google. nachrichten.de beweist, dass weniger oft mehr ist. Das Design ist übersichtlich, für Handy-User einfach zugänglich, und die Site ist schnell. news1.ch ist im Vergleich ein Flickenteppich, entstanden aus unzähligen Kompromissen.
Die Schweiz hat mit Didier Burkhalter einen neuen Bundesrat, doch die People-Presse dürfte mit ihm nicht allzu glücklich sein. Das Interview im SonntagsBlick ist mit Agenturbildern zusammengeklittert. Der Blick suchte am Samstag die Heimat von Ehefrau Friedrun im Vorarlbergischen auf und kam mit einem Klassenbild aus der Grundschule zurück. Am Montag folgen Klassenbilder von Didier Burkhalter in der Schweizer Illustrierten. Medienminister Moritz Leuenberger hat die Regeln etabliert. Es gibt nur noch offizielle Bilder der Regierungsmitglieder, nichts mehr Privates . Für Liebhaber von Verschwörungsideen: Geheimklausel im Vertrag für den Kulturaustausch mit Nordkorea.
Die beste Bildreportage des Wochenendes findet sich im magazin zum SonntagsBlick. Nicolas Righetti porträtiert Martin Rapold als Sky Marshal im Film Cargo. Die Stills sind perfekt und machen Lust auf einen Film, der gar nicht so schlecht sein soll, auch wenn er aus der Schweiz stammt. International dürfte Cargo eher erfolgreicher sein, als Pepperminta von Pipilotti Rist, kläglich auf Grund gelaufen in den Lagunen von Venedig.
In DAS MAGAZIN bringt uns Michèle Roten ihre Szene und den Weltschmerz der soeben Dreissigjährig gewordenen näher. Der Beitrag wirkt eher peinlich, und die Aufnahmen von Andrea A.Panté sind ebenso wenig originell wie der Text. Für die Reportage über Atomopfer in Kasachstan wurde der Fotograf schlichtweg anonymisiert. Das Layout schlägt erneut Kapriolen. Zum erhöhten Einzelverkaufspreis des Tages-Anzeiger am Samstag (mit Magazin) ist der Shellfolder nun wirklich deplaziert. Da greifen wir lieber auf IN- zurück.
Wie der Zürcher Oberländer auf Seite 2 (leider nur im Print) berichtet, ist die Ehefrau von André Kull, Geschäftsführer der Eisenwarenhandlung Kull, zur Miss Badi 2009 gewählt worden. Zu welcher „Miss Badi“ die gebürtige Brasilianerin gekürt wurde, erfahren wir nicht. Die neugewählte Miss hat bereits in Brasilien ein Hochschuldiplom erworben, spricht gemäss Beitrag im ZO nahezu akzentfrei deutsch und steht vor dem Berufsabschluss als Detailhandelsfachfrau. Dadurch steht die Karriere für weitere Miss-Titel offen: Miss Eisenwaren, Miss Detailhandel, Miss Suiza-Brazil oder so.
Nur ein Titel dürfte der sympathischen Geschäftsfrau verwehrt sein. Fünf Fussminuten vom Eisenwarengeschäft Kull entfernt bereitet sich die Pfarrerstochter Tabea Schulthess auf den Titel der Miss Schweiz vor. Soviel Glamour hatte Pfäffikon/ZH noch nie.