Bereits am 29. Juli 2009 starb Francisco Hidalgo im Alter von achtzig Jahren, doch da er und sein Schaffen in der Fotoszene weitgehend vergessen sind, erreichte uns die Nachricht erst jetzt und zufällig. In der Wikipedia findet man noch keinen Eintrag über einen der international erfolgreichsten Städte-Fotografen der achtziger Jahre. So bleiben einige persönliche Erinnerungen.
Wie Ernst Meier, der damalige Verleger der Zeitschrift PHOTOGRAPHIE mit Francisco Hidalgo in Kontakt kam, ist nur anekdotisch überliefert. Angeblich soll Hidalgo an einem Zeitschriftenstand eine Sonderpublikation von PHOTOGRAPHIE durchgeblättert haben. Typographie, Layout und Druckqualität haben den damals von Paris aus bereits international tätigen Fotografen derart überzeugt, dass er sein kommendes Buch in Schaffhausen produzieren wollte.
Tatsächlich hatte Meier als Verleger mit Publikationen über Fotografen wie Uwe Ommer und Franco Fontana beste Referenzen. Der Grafiker und Buchgestalter Peter Wassermann trug mit der Druckerei der Schaffhauser Zeitung und ihren damals noch handwerklich arbeitenden Lithografen wesentlich zum Erfolg der Publikationen bei.
Da Hidalgo konsequent nur Französisch sprach, durfte ich ihn bei seinen Besuchen in Schaffhausen begleiten und dann auch den Begleittext zu seinem Bildband New York schreiben, – für mich als Student ein Traumjob.
Vor mir stand ein imposanter Monsieur, gekleidet nach neuster Pariser Mode, gebildet und weltgewandt. Er zeigte sich von den Layout-Entwürfen von Peter Wassermann sehr beeindruckt, und dann ging es an die Arbeit. Dazwischen flanierten wir durch Schaffhausen, Winterthur und Zürich, um ihn bei Laune zu halten.
Die Zusammenarbeit mit dem kapriziösen Fotografen gestaltete sich zunehmend als schwierig. Er selbst hatte klare Vorstellungen, in welcher Grösse und auf welcher Seite ein Bild in den Band eingebracht werden musste, der immer voluminöser wurde. Allein die Lithokosten sprengten alle bisherigen Dimensionen. Ein weiterer Stolperstein war, dass Hildalgo literarische Zitate als Bildlegenden durchsetzte, nicht von irgendwem, sondern von Schriftstellern, wie Oscar Wilde, Baudelaire und einigen, die noch unter uns weilten. Auch die Lizenzkosten erwiesen sich dadurch als exorbitant. Erst nach einer Woche im Schmollwinkel sagte der Künstler zu, sich auf wenige tote Literaten zu beschränken, für die allenfalls noch Lizenzen für die Übersetzung aufliefen.
Trotz vereinten Kräften konnte New York nicht mehr auf Weihnachten 1979, sondern erst im Februar des folgenden Jahres auf den Markt gebracht werden. Finanziell wurde das Projekt zum Fiasko. Ein französischer Fotograf porträtierte New York in einem Buch auf Deutsch, abstrahiert und versehen mit literarischen Zitaten? Wer sollte dieses Buch kaufen? Hidalgo zog enttäuscht eine Stadt und einen Verlag weiter.
Erst durch den Nachruf in El Pais wurde bekannt, dass Francisco Hidalgo danach ein wegweisendes Konzept entwickelte. Er begann in den von ihm porträtierten Städten in Galerien auszustellen und bezog die nachfolgenden Bildbände in dieses Geschäftskonzept ein. Referenz war New York, vielleicht sein bestens Werk.
Kunst oder Kitsch, auch ich gewann den Durchblick erst vor wenigen Tagen:
Francisco Hidalgo tauchte nicht aus dem Nichts in Schaffhausen auf. Er verschwieg uns seine wahre Existenz. 1929 in Jaén geboren, absolvierte er die Kunsthochschule und publizierte bereits 1943 seinen ersten Comic, La Secta de Tong Khan. Er illustrierte Kinderbücher und emigrierte in den fünfziger Jahren vor der Franco-Diktatur nach Paris, wo er als Comic-Zeichner unter dem Namen Ives Roy rasch Karriere machte. In der Geschichte des Comic nimmt er als Ko-Autor der legendären Western-Serie Teddy Ted einen unbestrittenen Platz ein.
Wenn man den Bildband New York mit diesem Wissen durchblättert, fallen Schuppen von den Augen. Die mit den damals weltbesten Zoom- und Weitwinkel-Objektiven von Nikon erzeugten Bilder nehmen die Sprache des Comic auf. Im Rückblick ist das Buch zweifellos Kunst, nur hat uns Hidalgo dies nie erklärt.
Nachruf in El Pais