David Meili, 27. September 2009, 08:13 Uhr

Viel Lob für die neue NZZ, Flatrate auch für Bilder (?) und Backshots als Trendbarometer

Pressespiegel zum Wochenende vom 26./27. September 2009
090927_linda_faehNun hat die Schweiz mit Linda Fäh eine Miss, die während ihrer Amtszeit als gläubige Katholikin kaum fremdgeht. Die Berichterstattung über die Wahl in der Sonntagspresse ist ebenso fad wie die Veranstaltung selbst. Ursula Knecht bezeichnet im SonntagsBlick Linda als „nicht unfotogen“. Vielleicht ist sie es auch nicht, doch auf der Ganzkörperaufnahme (Seite 5), in einem grauenhaften Bikini trägt sie den Schal (?) wie ein Stützkragen. (Bildnachweis: Mediendienst SF DRS)

Noch vor dem Tages-Anzeiger kommt die NZZ mit einer neuen Gliederung und einem neuen Layout auf den Markt. Die seit Mitte der Woche vorliegenden Ausgaben überraschen positiv. Die Zeitung ist leichter lesbar, setzt thematisch auf substantielle Beiträge und bietet Raum für gute Bilder.

Der Relaunch ist bedingt durch den Einbruch im Werbemarkt. Mit dem Mangel an Inseraten blieben einige der früheren Bünde derart dünn, dass sich eine Zusammenlegung aufdrängte.  Stammleser müssen sich bei nur drei Bünden umgewöhnen. Es gibt weder einen zu separierenden Inland- noch Sportteil. Jeglicher Logik entbehrt, dass die Kultur in Zürich als Anhängsel der Lokalpolitik weitergeführt wird und nicht ins Feuilleton Eingang gefunden hat. Hier werden wir in Zukunft auch die spärlichen Kurzrezensionen von Ausstellungen finden. Prominentes Opfer in der Ausgabe vom 26. September ist Dieter Meier mit nahzu einer ganzen Seite im Lokalteil. Wäre er in Berlin und nicht „Beizer“ am Paradeplatz, hätte er seinen Auftritt im inhaltlich immer noch von Gerüchen altsprachlicher Gymnasien umwehten Feuilletonbund.

Doch was bietet die neue NZZ für die Fotografie? Sehr viel, auf einen ersten Blick. Wie Die Zeit arbeitet die Tageszeitung nun mit grossflächigen und guten Bildern. Erst auf einen zweiten Blick stellt man fest, dass man mehrheitlich Agenturaufnahmen gegenübersteht. Für die Ausgabe vom 23. September wurde für das Introbild mit der Monte Rosa Hütte dem Textjournalisten Hubertus Adam die Kamera in die Hand gedrückt. Das Bild ist nicht schlecht, doch etwas mehr Kreativität von Seite der Redaktion hätte man erwarten dürfen.

Erkannt hat man auch die Bedeutung der Bildlegenden. Sie geben nun erstmals eine Zusatzinformation, und nicht, wie „Chinesischer Bauer fährt zum Markt“, was man aus dem Bild auch selbst erkannte. Schade, dass die NZZ kaum mehr Fotograf/innen mit Direktaufträgen beschäftigt. Leser/innen mögen exklusive und qualitativ hochwertige Bilder, und Werbekunden zweifellos auch.

Wie man es besser machen kann, zeigt die linksalternative Konkurrenz. Die Wochenzeitung WoZ überzeugt in jeder Ausgabe mit exklusiven, sorgfältig ausgewählten Aufnahmen. Fotograf/innen sind den Textjournalisten weitgehend gleichgestellt. Selbst der aktuelle Beitrag über die deutsche Exklave Büsingen wird mit einer originellen Aufnahme von Florian Bachmann eingeleitet, die mit einer sinnvollen Legende in den Text einführt.

Während die Piratenpartei in Deutschland für den Bundestag kandidiert und einen grossen Zulauf verzeichnet, steckt die helvetische Schwester noch in den Startlöchern. Über die Facebook-Gruppe plant sie anfangs Oktober in mehreren Städten Auftritte auf der Strasse.

Eine der interessantesten Forderungen der neuen Partei ist die „Flatrate“ für den Datenaustausch auf dem Internet. Wie wir unsere Radio- und Fernsehkonzession gesetzlich entrichten, sollen Inhalte auf dem Internet in eine Pauschale miteinbezogen werden. Für die Fotografie würde dies bedeuten, dass lizenzierte Bilder auf dem Internet frei ausgetauscht werden könnten und deren Urheber in Zukunft aus einem grossen Topf eine Abgabe erhalten.

Für die technische Machbarkeit gibt es unterschiedliche Szenarien. Als Journalist und Künstler kann man bereits heute sich an Pro Litteris anschliessen und bekommt eine Entschädigung, mit der man sich allenfalls Ende Jahr einen Weihnachtsbaum kauft. Das System lässt sich technisch perfektionieren und automatisieren. Doch je raffinierter es wird,  umso mehr Geld versickert bei den Verwertungsgesellschaften.

Mit Fragen zur Flatrate bringt die Piratenpartei neuen Wind in die Diskussion um Urheber- und Verwertungsrechte. Ihre Exponenten, soweit wir sie kennenlernen konnten, gehen mit guten technischen Fachkenntnissen und jugendlichem Elan Probleme an, für die in den vergangenen dreissig Jahren von Juristen und Politikern keine zukunftsweisende Lösungen gefunden wurden.

Backshots nennt man Bilder, die auf Fotografen und Kameramänner gerichtet sind. Für Fotointeressierte bieten Backshots bei wichtigen Pressekonferenzen und Events stets Leckerbissen. Man sieht, oft nur für Sekunden, wer mit welcher Kamera und welchen Objektiven fotografiert. Diese Woche machten wir zwei überraschende Entdeckungen. Beim Anstich zum Oktoberfest durch Bürgermeister Uwe Ude dominierte im Blitzlichtgewitter erstmals ein Gerät, das für gut 200 Euro in den Markt eingeführt wird, das Nissin Speedlight Di 866.  Es wäre müssig, hier eine Diskussion über die Leitzahl auszulösen, doch der „Taschenblitz“ ist wirklich eine Geheimwaffe. Man kann sich zwei/drei Stück erwerben und seine Assistenten ins Gewühl delegieren. Die nächste Eskalation steht bevor. Mit LED-Leuchten sind wüste Szenen in der „Pressemeute“ absehbar.

Sowohl bei dedr UNO-Vollversammlung wie beim G-20 Gipfel in Pittsburgh entdeckte man bereits die Canon G-11. Erinnerungen an die Topmodelle von Leica wurden wach. Da wagt sich jemand ohne grosses Kaliber und Bauchtaschen mit Akkus mit einer bescheiden anmutenden Kamera mitten ins Geschehen. Bevor die Canon G-11 auf dem Markt offiziell verfügbar ist, hat sie Kultstatus. Olympus dürfte mit einer überarbeiteten Pen-E rasch aufholen, doch wo bleibt Nikon?

3 Kommentare zu “Viel Lob für die neue NZZ, Flatrate auch für Bilder (?) und Backshots als Trendbarometer”

  1. >Während die Piratenpartei in Deutschland ohne offiziell für den Bundestag zu >kandidieren einen grossen Zulauf verzeichnet, steckt die helvetische >Schwester noch in den Startlöchern. Über die Facebook-Gruppe plant sie >anfangs Oktober in mehreren Städten Auftritte auf der Strasse.

    Natürlich tritt die Piratenpartei Deutschland zur Bundestagswahl an (Ausnahme Sachsen). Zeit zum Ändern!

  2. Danke für den Hinweis, habe den Text soeben aktualisiert. Bei uns in Zürich wird der Wahlkampf vor allem über ARD und allenfalls ZDF verfolgt. Neben dem „Ehepaar“ Merkel-Steinmeier wird allenfalls noch Guido Westerwelle erwähnt. Steinmeier wird südlich des Rheins auch oft mit Steinbrück verwechselt, der „uns“ beleidigt hat. Doch das ist eine andere Geschichte.

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