Selbst in den vergangenen, für die Traditionszeitschrift DU schwierigen Jahre sind Ausgaben erschienen, die man gerne aufbewahrt. Die Jubiläumsnummer „800“ (Oktober 2009) findet ihren festen Platz in unserer Fotobibliothek und ist ein Leckerbissen für Photophile. Sie führt von den fotojournalistischen Anfängen der Zeitschrift unter Arnold Kübler bis hin zu einem Portfolio von Jules Spinatsch.
Was macht diese Ausgabe so einzigartig? DU wurde 1941 gegründet und war über Jahrzehnte neben Camera das Leitmedium für anspruchsvolle Fotografie in der Deutschschweiz. Verbunden mit Generationen von Redaktoren sind Fotografen, wie Werner Bischoff, Emil Schulthess, René Burri und Daniel Schwartz, um nur einige zu nennen.
Es fiel den Herausgebern der Jubiläumsnummer nicht einfach, Schwerpunkte zu setzen und einen Bogen von den Anfängen bis in die nahe Zukunft zu spannen. Dieter Bachmann, Chefredaktor 1988 bis 1998, kommentiert fünf für ihn wichtige Bilder. Dann folgt ein Ausschnitt aus der bis anhin unpublizierten Autobiographie von Emil Schulthess, die aufzeigt, wie er seine Reisen organisiert und die technischen Hilfsmittel geplant hat. Eine Aufnahme zeigt, wie im Hinterhof der Druckerei Conzett&Huber zwei Fahrzeuge für die Afrika-Expedition gepackt wurden, – und 1955 gings dann los.
Von besonderem Interesse sind Schwarzweissbilder von René Burri, die spontan bei einem Stromausfall in New York entstanden. Burri war im Studio seines Freundes Eliott Erwitt am Schneiden seines Films über Rotchina, als das Licht für eine Nacht ausging. Hans-Michael Koetzle, bis 2007 Chefredaktor von Leica World beschreibt die einmalige Aufnahmesituation.
Fotografischer Höhepunkt bilden zweifellos die Aufnahmen von Jules Spinatsch vom Wiener Opernball. Wie bereits zuvor das WEF in Davos, zeichnete Spinatsch die Ballnacht mit zwei automatischen, hochauflösenden Überwachungskameras auf und erstellte 17 352 Einzelaufnahmen. Aus ihnen entstanden in der Postproduktion Panoramaaufnahmen, Bilderpuzzle und Schnappschüsse.
Die Gegenüberstellung von Emil Schulthess und Jules Spinatsch ist nicht zufällig. Beide haben mit selbst zusammengestellten Kameras und unter Beizug von Ingenieuren gearbeitet. Schulthess wie Spinatsch haben über Jahre hinweg über Jahre hinweg visuelle und technische Konzepte entwicklet, um neue Bilderwelten zu schaffen.
Die Stärke der Publikation in einem gedruckten Magazin ist offensichtlich. Es wird zum persönlichen Museum, das man immer wieder hervorholen und durchblättern kann. Aufbereitung, Layout und Druck sind Teil der Präsentation, wie eine gute Kuratierung und Hängung.
Der Überblick über fotografische Schwerpunkte aus der Geschichte von DU stellt Fragen. Bereits das Titelbild, ein Porträt von Hugo Lötscher, aufgenommen von René Burri, ist „remastered“. Die Ebenen im Photoshop sind unübersehbar. Burri oder sein Labor hätten die Abstimmung der Kontraste zwischen dem schwarzen Anzug von Lötscher und der Strassenszene im Hintergrund mit dem Mädchen nie mit analoger Technik auf Fotopapier gebracht. Zudem dürfte das Bild geschärft worden sein. Es ist ein Meisterstück der Nachbearbeitung, und es wäre fair, auch den oder die Künstlerin in diesem Produktionsabschnitt zu erwähnen. Bereits das Titelbild von 1946 mit dem Porträt eines kriegsversehrten Kindes ist – mit damaligen Mitteln – zum Teil im Labor entstanden (in Farbe!).
Bei verdienten Autor/innen der Jubiläumsnummer wie Klara Obermüller oder Dieter Bachmann stellt sich die Frage nach der jungen Generation im Journalismus und in der Gestaltung. Jenny Holzer, geboren 1950 repräsentiert die Avantgarde. Ihre Laufschrift hing über Jahre im Foyer im Kunsthaus Zürich. Urs Stahel interpretiert noch eine Aufnahme/Installation aus The Great Unreal von Onorato&Krebs. Auch ein Hinweis auf die 20. Afrika Biennale fehlt nicht, – und dann ist Schluss. Schade.
Link zur Ausgabe 800 von DU mit Inhaltsverzeichnis
P.S. DU legte gestern einen weiteren Beweis für den Aufschwung vor. Oliver Burger, bis anhin bei DAS MAGAZIN, übernimmt die Verlagsleitung. Der mehrfach Familienvater würde den Einstieg kaum riskieren, wenn ihm DU nicht eine interessante Perspektive böte.