Zwar gibt es im Herbst draussen nicht weniger lohnende Makro-Motive, aber die Bequemlichkeit lockt uns kaum hinter dem Ofen hervor. Deshalb suchen wir unsere Makro-Motive drinnen – und davon gibt es jede Menge. Der nachfolgende Artikel von Michael Gradias zeigt beispielsweise, wie Sie Produkte fotografieren können, um sie anschliessend im Internet anzubieten.
Fotos am Aufnahmetisch
Wenn Sie Aufnahmen zu Hause machen wollen, benötigen Sie Licht. Sie könnten natürlich ein Blitzlicht verwenden – damit erzielen Sie aber nicht die schönsten Ergebnisse, weil das Blitzlicht doch zu relativ harten Kontrasten führt. Wenn Sie beispielsweise häufig Produkte fotografieren, ist es empfehlenswert, einen Aufnahmetisch zu erwerben.
Je nachdem, wie viel Geld Sie investieren wollen, können Sie den Aufnahmetisch mit zwei Leuchtstoffwannen bestücken. Wird ein Vertikalstativ angebracht, kann die Kamera daran befestigt werden und Sie können auf dem Aufnahmetisch liegende Objekte fotografieren.
Um alle Aufgabenstellungen bewältigen zu können, lässt sich zusätzlich eine Durchlichteinheit anbringen, die Sie einsetzen können, um das Objekt von unten zu beleuchten. Dies ist zum Beispiel auch dann nützlich, wenn Sie Ihre analogen Dias abfotografieren wollen.
Wenn Sie eine andere Lichtstimmung erreichen wollen, ist eine zusätzliche Halogenbeleuchtung sinnvoll. Halogenlampen sind von 20 bis 2’000 Watt erhältlich. Die Aufnahmen, die so entstehen, wirken rötlicher – «wärmer». Daher setze ich diese Lampe ein, wenn ich bestimmte Bildwirkungen erreichen will. Sie finden beispielsweise auf den Webseiten http://www.kaiser-fototechnik.de oder http://www.imaging-one.de nähere Informationen zum Thema.
Schatten entfernen
Legt man ein Objekt auf ein farbiges Papier als Untergrund, so stört meistens der Schatten, der sich durch die Art der Ausleuchtung ja automatisch ergeben muss.
Die Lösung ist recht einfach und in den beiden unteren Bildern dargestellt. Schatten lassen sich nämlich reduzieren oder vermeiden, indem Sie eine einfache Glasscheibe «aufbocken» und die zu fotografierenden Objekte darauf platzieren. Je höher sich die Glasscheibe über dem Farbpapier befindet, umso weniger Schatten sind im Foto zu sehen.
Die Ausleuchtung
Sie haben viele Möglichkeiten bei der Art der Ausleuchtung. Dabei müssen Sie die Zielsetzung beachten. Um zum Beispiel ein Produkt zu fotografieren, das Sie später zum Kauf anbieten wollen, muss die Beleuchtung so gewählt sein, dass alle Einzelheiten des Produkts detailliert zu sehen sind – der Käufer möchte ja einen Eindruck vom Produkt gewinnen. In solchen Fällen bietet sich eine Ausleuchtung von rechts und links an, wie es bei dem Reproständer auf der vorherigen Seite zu sehen ist. Die beiden Leuchtstoffwannen beleuchten das Objekt dabei günstigstenfalls in einem Winkel von 45°.
Auch das linke Foto der nachfolgend gezeigten Münzen entstand auf diese Art. Wollen Sie dagegen ein kreatives Foto schiessen, ist eine ganz andere Ausleuchtung nötig.
Durch das wärmere Licht entsteht eine sehr «edle» Wirkung der Münzen, da sie golden glänzen. Die Halogenlampe können Sie wahlweise auf einem Stativ montieren oder sie einfach in der Hand halten und unterschiedliche Lichtwinkel ausprobieren. Da für die optimalen Fotos ja sinnvollerweise zwei Leuchtstoffwannen eingesetzt werden, um für eine gleichmässige Ausleuchtung zu sorgen, können Sie bei kreativen Aufnahmen zum Beispiel eine der beiden Lampen abschalten. So erhalten die fotografierten Objekte «Tiefe», weil ja auf der unbeleuchteten Seite Schatten entstehen.
Die fest installierten Leuchtstoffwannen bieten ausserdem den Vorteil, dass Sie unterschiedliche Gegenstände bei exakt denselben Lichtbedingungen machen können. Dies ist auch dann sehr nützlich, wenn ein Produktfoto von verschiedenen Seiten erstellt werden soll.
Aufnahmetechniken
Bei Fotos, die am Aufnahmetisch aufgenommen werden, gelten etwas andere Regeln, als beim Fotografieren im Freien. So sind Sie durch den Stativeinsatz und die zusätzlichen Lichtquellen bei der Wahl der Blende und der Verschlusszeit nicht so abhängig wie im Freien vom Tageslicht. Falls das Licht im «Studio» nicht ausreicht, platzieren Sie einfach zusätzliche Lichtquellen.
Sie können die Aufnahmeeinstellungen verwenden, die Sie benötigen, um eine bestimmte Bildwirkung zu erzielen. Da die meisten Objektive ihre beste optische Leistung besitzen, wenn sie abgeblendet werden, sollten Sie mindestens mit einer mittleren Blendeneinstellung arbeiten – wie beispielsweise Blende 8 oder 11. Wenn es das Motiv erfordert, können Sie weiter abblenden, um einen grösseren Schärfentiefebereich zu erhalten. Die Belichtungszeit ist durch den Stativeinsatz eher von untergeordneter Bedeutung.
Spiegelvorauslösung
Wenn Sie eine Verwacklungsgefahr gänzlich ausschliessen wollen, können Sie die sogenannte Spiegelvorauslösung verwenden, die von Kameramodellen im mittleren Preissegment oftmals angeboten wird. Um eine Erschütterung durch den hochklappenden Spiegel zu vermeiden, wird beim Betätigen des Auslösers zuerst der Spiegel hochgeklappt und danach – mit einer gewissen Zeitverzögerung – der Verschluss geöffnet.
Wenn Ihre Kamera solch eine Funktion bietet, spricht nichts dagegen, die Option kontinuierlich aktiviert zu lassen. Wenn Sie diese Option mit dem Einsatz einer Fernbedienung oder gegebenenfalls mit dem Selbstauslöser der Kamera koppeln, können Sie sicher sein, ein perfekt scharf abgebildetes Ergebnis zu erhalten. Klar, dass Sie dabei ein stabiles Stativ verwenden sollten – egal, ob es sich um ein Dreibeinstativ oder ein Vertikalstativ handelt.
Andere Hintergründe
Neben Farbpapieren können Sie zum Beispiel auch Samttücher als Hintergrund verwenden, wobei man einfach mit Brettern verschiedene Ebenen aufbauen kann, die man danach beispielsweise mit Samstüchern überdeckt.
Hohlkehlen
Wenn Sie einen hochwertigen Aufnahmetisch kaufen, ist die Aufnahmefläche nach hinten meist immer mit einer sogenannten Hohlkehle ausgerüstet – die Aufnahmefläche ist nach hinten gewölbt. Das hat den Grund, dass bei der Aufnahme im Hintergrund keine Kante zu sehen sein soll.
Einen solchen Aufbau können Sie mithilfe eines Farbpapiers aber auch sehr einfach selbst herstellen. Wenn Sie ein Farbpapier beispielsweise am Vertikalstativ mit einem Klebeband befestigen, entsteht eine solche Rundung. Natürlich muss dazu das verwendete Farbpapier gross genug sein – beispielsweise im DIN-A3-Format.
Beim Foto des kleinen Holzelefanten sehen Sie den Grund für den Einsatz einer Hohlkehle. Das Foto entstand mit dem rechts daneben gezeigten Aufbau. Im Hintergrund ist ein fliessender Farbverlauf entstanden, der sich durch die Beleuchtung und das glänzende Farbpapier ergibt, das ich verwendet habe. Eine scharfe Kante ist im Hintergrund nicht zu sehen. Beim Aufbau der Kameras auf der vorherigen Seite liessen sich die sichtbaren Kanten vorne nicht vermeiden, da zu wenig Platz zur Verfügung stand.
Ein derartiger Aufbau empfiehlt sich prinzipiell bei allen Produktfotos, weil eine im Hintergrund sichtbare Kante sehr unprofessionell und unschön wirkt. Der Hintergrund sollte bei Produktaufnahmen generell sehr dezent wirken.
Kleine Figuren
Bestimmt haben Sie zu Hause auch lauter Dekorationsstücke in unterschiedlichen Grössen in den Schränken stehen. Auch unter dem Spielzeug Ihrer Kinder finden sich interessante Fotomotive. Mag sein, dass der eine oder andere die Ergebnisse etwas «kitschig» findet – das ist aber Ansichtssache. Jedenfalls können sich darunter sehr lohnende Makro-Motive befinden.
Den Fotos sieht man am Ende nicht an, wie gross die Originalmotive sind. Beeindruckend finde ich das unten abgebildete Porträt einer Figur. Um das «Poppige» der Figur herauszuarbeiten, habe ich einen Hintergrund in einem kräftigen Blau gewählt, der zu den Farben der Figur passt.
Bei dem links abgebildeten Foto kann man nicht erkennen, dass diese Figur im Original gerade einmal vier Zentimeter gross ist. Damit Sie einen Bezug zur Grösse der Figur bekommen, habe ich rechts eine einfache Streichholzschachtel neben die Figur gestellt. So wird deutlich, wie klein die Figur in natura ist.
Live-View nutzen
Live-View ist momentan in aller Munde. Sicherlich kann man über den Nutzen geteilter Meinung sein – Makroaufnahmen im Studio gehören aber sicherlich zu den Aufgaben, für die die Live-View-Option durchaus geeignet ist. Sie sehen beim Foto links die aktivierte Live-View-Option. Das Bild wird dabei nicht durch den Sucher betrachtet, sondern über den Monitor. Auch die korrekte Fokussierung prüft der Fotograf bei dieser Funktion auf dem Monitor.
Anwender, die von der analogen Spiegelreflexkamera auf eine digitale Kamera umgestiegen sind, werden diese Möglichkeit eher mit Argwohn betrachten, da sie das Scharfstellen im Sucher gewohnt sind.
Der Grund, weshalb immer mehr Kameras über diese Funktion verfügen, liegt wohl bei den vielen Umsteigern, die von einer Kompaktkamera auf eine Spiegelreflexkamera umsteigen. Bei Kompaktkameras ist es üblich, dass die Situation am Monitor beobachtet wird. Der Sucher kommt hier nur selten zum Einsatz oder es ist sogar gar kein Sucher vorhanden. Die Industrie ist nun den Rufen der Nutzer gefolgt und stattet die Spiegelreflexkameras mit der Live-View-Funktion aus.
Die oben rechts abgebildete Schachfigur habe ich mit der Live-View-Funktion der Nikon D300 aufgenommen. Im Hintergrund ist ein Samttuch gespannt, um einen bräunlichen Bildhintergrund zu erhalten. Die Halogenlampe vorne links sorgt für den warmen Farbcharakter.
Viele, viele Motive
Motive, die Sie am Aufnahmetisch aufnehmen können, gibt es unzählig viele. Einige Möglichkeiten möchte ich Ihnen nun vorstellen. Teilweise sind es ganz banale Dinge, die dennoch als fertiges Foto klasse wirken. Betrachtet man den abgebildeten Gegenstand in natura sieht er dagegen teilweise unscheinbar aus.
Modellautos
Ich sammle zur Dekoration Automodelle im Massstab 1:18. Diese Modelle eignen sich auch prima für schöne (Produkt-)Fotos. Die Firma bburago hat ein riesiges Sortiment an antiken und aktuellen Fahrzeugen in verschiedenen Grössen. Mit einer Grösse von etwa 20 Zentimetern sind kaum fotografische Hindernisse zu bewältigen – Sie benötigen für diese Grösse nicht einmal zwingend ein Makroobjektiv.
Büroutensilien
Bei meinem ursprünglich erlernten Beruf ist es klar, dass ich schnell auf die Motividee mit den Büroklammern kam. Als gelernter Grafikdesigner benötigte ich natürlich diverse Büroutensilien, die auch gut für Fotosessions verwendet werden können.
Mit farbigen Dingen aus dem Büro lässt es sich prima gestalten. Dabei ist es völlig egal, um was es sich handelt. Ob Buntstifte, Wachsmalstifte oder Büroklammern – bei einem ausgewogenen Arrangement eignen sich alle Gegenstände für ein Foto.
Bei allen Motivideen haben Sie dieselben grundlegenden Gestaltungsmöglichkeiten. So können Sie beispielsweise gleichartige Elemente wie Buntstifte oder Wachsmalstifte nach ihrer Farbe sorgfältig sortieren. Dabei sortiere ich diese jeweils nach dem Farbspektrum – das wirkt immer interessanter, als wenn die Farben willkürlich zusammengestellt werden.
Eine gewisse «Ordnung» macht sich im Foto immer gut. Um kleine Motive sorgfältig arrangieren zu können, verwende ich gerne eine Pinzette. Ich kann damit die Gegenstände – die abgebildeten Büroklammern sind ja nur 2,5 Zentimeter gross – im Millimeterbereich ganz präzise positionieren und auf die gewünschte Linienführung achten. Bei der Gestaltung solcher Fotos sollten Sie darauf achten, dass die Bildfläche sinnvoll ausgefüllt wird.
Die nächste Variante besteht darin, überwiegend mit nur einer Farbe zu arbeiten. Spannend wirken solche Motive aber erst durch andersfarbige Elemente. Die Büroklammernfotos sind dafür ein typisches Beispiel.
Während das linke Foto oben langweilig wirkt, machen die beiden gelben Büroklammern im rechten Foto aus der tristen Szene ein attraktives Fotomotiv. Auch bei den beiden unteren Bildern sind es die Komplementärfarben, die das Motiv bestimmen. Diese Verfahrensweise können Sie auf alle Motive übertragen – egal, um was für Gegenstände es sich handelt.
Beachten Sie bei der Wahl der Blende, dass Sie – so weit möglich – eine mittlere Blende verwenden, um die beste Bildqualität zu erreichen. Dies ist natürlich dann nicht möglich, wenn Sie einen grösseren Schärfentiefebereich erreichen wollen. Aus diesem Grund habe ich bei den meisten Fotos dieser Serie einen grösseren Blendenwert gewählt, obwohl ich weiss, dass das eingesetzte Makroobjektiv dabei nicht seine beste Abbildungsleistung bringt.
Farben über Farben
Schauen Sie sich zu Hause einmal um – Sie werden bestimmt viele Motive finden, die schöne Farben oder Formen zeigen. Zwei simple, verschiedenfarbige Wollknäuel, das eine farbkräftiger und ein zweites, eher dezentes, die mit verschiedenen Lichtquellen angestrahlt interessante Farbwirkungen zeigen. Um farbechte Darstellungen geht es bei kreativen Fotos ja nicht – hier zählt alleine die Bildwirkung. Wenn Sie nach geeigneten Gegenständen suchen, können Sie übrigens einfach einmal im Dekorationshandel suchen. So mancher «Schnickschnack» eignet sich sehr gut als Fotomotiv, wenn Sie ihn nur richtig in Szene setzen.
Ich habe hier kleine Glasdekosteine zusammengestellt, die in drei verschiedenen Farben in dem Paket enthalten waren. Zusammen mit farbigen Untergrundpapieren und verschiedenen Lichtquellen lässt sich kreativ spielen.
Damit die Glasdekosteine so aussehen, als würden sie «leuchten», habe ich die Lampe sehr flach positioniert, sodass das Licht die Steine teilweise von unten beleuchtete. Ich habe dann verschiedene Aufnahmen gemacht, bei denen ich lediglich die horizontale Position der Lampe verändert habe.
Hin und wieder fallen mir ungewöhnliche Motive auf, bei denen man keine «Fotoserien» zusammenstellen kann, die aber dennoch sehenswerte Sujets sind. Oftmals entstehen solche Fotos zufällig oder es lassen sich mit etwas Fantasie und noch so unscheinbaren Objekten Bilder gestalten, die an Faszination kaum zu übertreffen sind.
Michael Gradias (Fotos und Text)
Bei diesem Artikel handelt es sich um eine redigierte Leseprobe des Kapitels 11 «Arrangements» aus dem Buch «Makro- und Nahfotografie – Der Meisterkurs» von Michael Gradias, welches im Verlag Markt+Technik erschien. Details dazu erfahren Sie hier. Es kostet CHF 67.- und kann hier online bestellt werden. |
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