David Meili, 3. Januar 2010, 10:11 Uhr

Bundesratsbild 2010 verlästert, starke Schweizer im ZEIT MAGAZIN und Vexierbild mit Natascha Badmann

Pressespiegel zum Wochenende von 2./3. Januar 2010
100102_BundesratsbildAlex Spichale dürfte betrübt ins Neue Jahr gestartet sein. Sein Bild unserer Landesregierung hat ausser von seinem Arbeitgeber sonntag.ch mehr als nur durchzogene Kritiken erhalten. Da sich bis zum Sonntag die Printmedien in der Winterstarre befanden, wurde der Neujahrsgruss der Landesregierung in Foren und auf Facebook bereits zur Strecke gebracht, bevor das Bild auf Papier oder im 3D-Print vorlag. 

Aus sonntag.ch erfahren wir, dass sich Bundespräsidentin Doris Leuthard in einer Art Wettbewerbsverfahren unter den Bundeshausfotografen für den Vertreter aus ihrem Heimatkanton entschieden habe. Schlecht war die Idee nicht, und über das Gruppenbild ohne Fluchtpunkt (wirkt, wie das Winken einer Schulklasse aus der Eisenbahn) kann man geteilter Meinung sein. Für die dilettantische Verpixelung des Bundeshauses wird die Verantwortlichkeit hin- und hergeschoben.

Im Online-Journalismus ist das Bild nicht einfach umzusetzen. Das Hochformat steht auch Quer zu den vom Fernsehen geprägten Sehgewohnheiten. So musste Newsnetz/Tages-Anzeiger die Aufnahme für die Präsentation am Neujahrstag beschneiden, damit Didier Burkhalter als  Letzter im Umzug nicht zu dürr wurde. Die harte Ausleuchtung der Gesichter verschafft den Herrn mehr Charakter, den Damen mehr Anciennität. Die Damenkleider repräsentieren einen Querschnitt durch die Schweizer Modeszene. Der SonntagsBlick kommentiert auf Seiten 20/21 das Meisterwerk der Kommunikationskunst aus dem Aargau hämisch.

100103_GartentorUpdate: Heinrich Gartentor, alternativer Kulturminister a.D. hat im Umkreis seiner Freunde und Kolleg/innen etwas Neues gepixelt. Vielleicht braucht die Schweizer Kulturszene einfach Zeit, um den Wechsel zu einem hoffentlich kulturpolitisch ertragsreicheren Jahr zu überspielen. Wir wünschen visarte nur das Beste zum Neuen Jahr und viel Verhandlungsgeschick mit dem neuen vom Parlament gewählten Kulturminister, dem Letzten im Umzug.

100103_Anker_KnoechelspielStargast beim SonntagsBlick ist Bundesrat Christoph Blocher. Für Chefredaktor Hannes Britschgi und Fotografin Sabine Wunderlin öffnet Blocher exklusiv seine Kunstsammlung und gibt Einblicke in seine wohlbehüteten Schätze. Blocher interpretiert die Kinderbilder von Albert Anker auf seine Weise.  Dass die zuweilen lasziven Kinderporträts und Kinderszenen anders gedeutet werden könnten, ist auch in der wissenschaftlichen Anker-Forschung ein Tabu. (Bildnachweis: Albert Anker, Knöchelspiel, 1864, Musée Guérien, Bulle)

Im Magazin zum SonntagsBlick findet sich eine weitere, interessante Fotoreportage von Sabine Wunderlin. Man gewinnt einen Einblick in das  Theresianum in Ingenbohl und in die Welt einer alles andere als verstaubten Klostschule. Die Homestory ist dem melancholischen Bär Finn gewidmet.

Im Bereich People stellt der SonntagsBlick in Text und Bild die begehrtesten Singles der Schweiz vor. Auf dem Markt wären gemäss der Redaktion Bernhard Russi (61) oder Silvia Affolter (44) und Beni Thurnherr (60). Herausgekommen ist so etwas wie swissfriends.ch zwischen Zeitungsseiten, der Site, wo sich die ältere Generation sonst zum Stelldichein auf dem Internet trifft.

100103_BaschisPorscheBaschi hätte, porträtiert im SonntagsBlick von Sebastian Derungs, „gern einen Porsche“. Den Traum könnte er sich erfüllen, auf autoscout.ch ab CHF 1 900.-. Hier unser Vorschlag.

Auf merian.de erinnert sich Tyler Brûlé an untergegangenen „Marken“. Dabei erwähnt er auch 100103_Crossairdie Crossair, nachdem er die Swissair mit sehr viel Geld zu Höhenflügen animieren wollte. Von Selbsteinsicht keine Spur. Geblieben sind nur einige Bilder, wobei die Fotografen zum Teil nicht einmal genannt werden. Dass ein Unternehmen auch in der Postmoderne mehr als eine Marke ist, hat Werber Brûlé nicht begriffen. (Bildnachweis: Bildstrecke auf merian.de).

100103_WassmannDas Zeit Magazin dieses Wochenendes ist schweizlastig. Erwin Koch, einst Edelfeder beim damaligen Tages-Anzeiger Magazin verfolgt das Schicksal des brasilianischen Landlosen Chico Dente de Ouro mit hervorragenden Fotos von Lukas Wassmann. Dann folgt ein Gespräch mit Luc Bondy, das in Zusammenfassung auch auf Newsnetz verfügbar ist. Leider ist der Beitrag (Margrit Sprecher) im Schweizer Split von DIE ZEIT über St. Moritz lediglich mit Ausschnitten von Agenturbildern dekoriert. Uns fehlt eine qualitativ adäquate Bildreportage.
(Bildnachweis: Lukas Wassmann, Zeit Magazin)

100103_BrandtAls einzige Deutschschweizer Tageszeitung erschien die Basler Zeitung am 2. Januar 2010 und überzeugt durch eine Sonderbeilage zu Afrika. Nach interessanten und gut illustrierten Beiträgen zur Kolonialgeschichte aus der Sicht von Basel (Basler Mission) findet man ein Interview von Jochen Schmid mit dem dem britischen Fotografen Nick Brand, der Wildtiere meisterhaft in Schwarzweiss fotografiert. Das Buch von Nick Brandt, erschienen in Duplex im Knesebeck-Verlag, war bereits auf Weihnachten vergriffen. (Bildnachweis: Nick Brandt. Mediendienst Knesebeck-Verlag, München)

Noch ist das Jahr jung, und das Pressebild 2010 liegt weit entfernt. Doch wir sind auf der Suche. Vielleicht schaftt es dieses Jahr ein Vexierbild.

Kandidatin ist  Susi Bodmer mit der Homestory über Natascha Badmann in sonntag.ch. Die Bildlegende erläutert „Sparring Partner Siro mit Natascha Badmann in der offene Wohnstube“. Doch wer und wo ist Siro? Nach langem Suchen findet man den Teil eines schwarzen Hundes auf einem schwarzen Boden hinter einem Sofa an der unteren rechten Bildecke, – „mission impossible“ für Vorstufe und Drucker. Siro „säuft“ auch nach massivem Einsatz von Photoshop ab. Vielleicht hat Susi Bodmer als Neujahrsgeschenk von ihrem Arbeitgeber einen Gutschein für eine externen Blitz erhalten. Wir mögen es ihr gönnen.

6 Kommentare zu “Bundesratsbild 2010 verlästert, starke Schweizer im ZEIT MAGAZIN und Vexierbild mit Natascha Badmann”

  1. Das Bundesratbild zeigt die ganze Informations-Problematik in der ganzen Presse.
    1. Das 3D-Bild ist unauffindbar, ausser per suche. Zumindest zeigt es das Bundeshaus in voller Pracht.
    2. Das 3D-Bild benötigt eine Anaglyphbrille. Zumindest ist sie gratis erhältlich.
    3. Warum auch dieses Jahr auf eine Freisehvariante(Doppelbild/Kreuzbild zum Schielen) verzichtet wird ist mir-der sich seit Jahren mit neuen 3D-Stereo-Techniken auseinandersetzt-ein Rätsel.
    Der Schweiz und damit den Massenmedien fehlt es nicht an Geld sondern am Willen rsp an der Fähigkeit nachhaltig Informationen zu verbreiten. Wenn sich das nicht bald ändert, na dann gute Nacht Helvetia!

  2. Es fehlt ganz einfach an der fachlichen Kompetenz, im Technischen wie im Marketing und in der Kommunikation. Das wollte ich nicht so direkt sagen, und besten Dank für Ihren Beitrag.

  3. Lieber Herr Meili. Aber genau das erwartet der Leser von Ihnen! Wer denn sonst hat die Pflicht, Unausgesprochenes auszusprechen und zu schreiben, als Journalisten??? Freundliche Grüsse.

  4. das problem liegt darin:
    1. das einige wissen was falsch läuft in der kommunikation
    2. es sich nicht getrauen zu sagen/schreiben.
    3. es wird verhindert, dass sich entscheidendes verändert
    4. erst wenn die katastrophe da ist können sich die „wissenden“ äussern.
    meistens äussern sich nur welche die nichts mehr zu verlieren haben, rentner.
    liest mal die flammende rede von lebrument
    http://bazonline.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Flammender-Appell-von-Verlegerpraesident-Lebrument/story/31146748

  5. rund ums 3dbild wurde vom bund die chance verpasst, die aktuellsten möglichkeiten zu zeigen. die schweizerische stereoskopiegesellschaft ist in den foren seit jahren inaktiv. das minimum wäre eine anaglyphbrille auch für brillenträger gewesen. wie das geht hat die deutsche fotozeitschrift FOTOHITS in der aktuellsten ausgabe ansatzweise gezeigt. im rahmen des heftthemas 3d-stereo-fotografie liegt eine anaglyphbrille mit demontierbaren bügeln bei. so lässt sie sich leicht auf brillen montieren. noch besser wären vergrösste bügel, welche zugeschnitten werden können. fixieren auf brille durch gummiband. ich habe letztes jahr in einem erfolglosen leserbriefversuch(wohl wegen eigenwerbung) auf das fehlen eines frei zu sehenden 3d-bildes hingeweisen wollen. professionell berichtende printmedien müssen sich keine zukunfssorgen machen.

  6. Ich amüsier mich – sorry….

    Aber, da wird eine Technologie verwendet und mangelhaft kommuniziert (durch den Verwender / Bund). Dann sagt man, dass alle, die nicht oder zu wenig in die Bresche springen (Medien, z.B. diese Seite) und das Informationsmanko des Bundes nicht kompensieren, wohl ihre Aufgabe nicht wahrnehmen, oder sich nicht getrauen. Eine amüsante Kaskade der Verantwortlichkeiten.

    Aber ehrlich gesagt: Das Bild, 3D oder im 90er-Jahre Photoshop-Stil verpixelt, mag mir einfach nicht zu gefallen.

    Wie wärs, mit einfach guter, moderner, kreativer Fotografie?
    Viel schöner. Vielleicht für einige langweiliger, aber wir hätten gar keine Kaskaden von nicht-wissenden und nicht getrauenden zu diskutieren.

    Naja, vieleicht darf nächstes Jahr ja wieder ein anderer Fotograf und eine andere Agentur ans Werk. Auch ok und nicht weiter tragisch 😉

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