Pressespiegel zum Wochendende vom 9./10. Januar 2010
Nachdem der Stehsatz vom vergangenen Jahr und die Pauschalen für Archivbilder aufgebraucht sind, finden sich in der Sonntagspresse gute Produktionen aus eigenem Schaffen. DAS MAGAZIN überzeugt durch zwei Beiträge, die hochstehende Texte und Fotografien kombinieren.
Gunnar Knechtle vermittelt in seinen Bildern von Teneriffa den Traum von Menschen, die sich am Meer selbst Hütten bauen oder aus Bauruinen improvisieren. Es sind oft Behausungen auf Zeit, die an Lebensträume im südlichen Kalifornien der sechziger Jahre erinnern. Die Reportage birgt das Potenzial zu einem Buch, das sowohl bei Foto-Interessierten, Weltenbummlern und Architekt/innen auf Interesse stossen könnte.
Zum Thema „Grossfamilie“ war in den vergangenen Wochen viel zu lesen. Doch Irene Schär schlägt alle Rekorde. Vierzehn Kinder von acht Vätern und die Finanzierung des Grosshaushalts durch Alimente ist vielleicht keine Lebensform der Zukunft, doch ein aussergewöhnliches Experiment. Guido Mingels beschreibt, wie sich die Kinder selbst organisieren. Linus Bill hat sich als Fotograf auf Porträts beschränkt. Schade, denn wir möchten doch auch im Bild erleben, wie der Fünfzehnjährige zwischen dem Gamen seine jüngste Schwester wickelt.
Die Peinlichkeit folgt offside, auf Seite 37 in DAS MAGAZIN. Mingels liess seinen Taschencollie Luca von Walter Pfeiffer in einem Schuhgestell fotografieren, mit Fluchtpunkt zwischen Luca und einer Tasche von Freitag. Man kann das edle Stück limitiert über www.freitag.ch/dasmagazin erwerben. Offensichtlich läuft das Taschen-Geschäft in Richtung Januarloch doch eher harzig, sonst müsste man sich nicht mit dem über die Festtage auf Community-Sites verspotteten Gadget der Redaktion in Szene setzen. Wenn alles schief geht, hat die Tasche das Potenzial zum Runing Gag, in Text und Bild.
Für Beatrice Jäggi (Tages-Anzeiger) begann der Jahresbeginn mit einer Sternstunde. Beinahe wäre die spektakuläre Projektion des Films Playtime von Jacques Tati in 70mm durch das Kino Xenix im Volkshaus Zürich buchstäblich auf der Strasse geblieben. Mit einer Bildstrecke dokumentiert Jäggi das aussergewöhnliche Ereignis und ein Stück Technikgeschichte.
Im SonntagsBlick Magazin schreibt Barbara Lienhard über den noch nicht geklärten Tod des Basler Journalisten Christian Würtenberg im Balkankrieg. Ob Würtenberg eher Journalist oder kroatischer Söldner oder infiltierter Söldner und ganz einfach Abenteurer war, lässt der Beitrag wie viele weitere Fragen offen. Claudia Langenegger und Sabine Wunderlin waren für die schönen Seiten des Magazins in Venedig und durften Arrigio Cipriani porträtieren.
Der SonntagsBlick selbst feiert den Kinderchirurgen René Prêtre als Schweizer des Jahres. Als damaliger Co-Sponsor der ewz.selection stiftete fotointern.ch den Publikumspreis für Noe Flum, der mit einer Reportage in DAS MAGAZIN das Wirken von Prêtre bekannt machte. Wir gratulieren René Prêtre herzlich zu dieser verdienten Ehrung und wünschen ihm und seiner Stiftung den verdienten Erfolg.
Sonntag.ch schenkt uns in einem Extrabund exklusiv eine Vorschau auf die Solothurner Filmtage. So soll die Serie Tatort in Koproduktion den Schweizer Film finanziell retten. Das Angebot der ARD besteht seit Jahren, nur wollten unsere lokalen Filmgrössen Schweizer Autorenfilme machen. Sollte sich die Zusammenarbeit vertiefen, müssten sich die Kreativen und Techniker hierzulande mächtig anstrengen, um nicht nur als Beleuchter im Nachspann genannt zu werden.
Sonst verpasst man nicht viel, wenn die Beilage von sonntag.ch nicht durchliest und vermutlich auch nicht, wenn man sich in Solothurn zwischen Parisienne-Rauchern die Füsse kaltsteht. Ein Highlight findet sich allerdings auf Seite 49. Silvia Schaub exponiert sich mit dem beständigsten Thema der Solothurner Aristokratie , – der Solothurner Torte. Insider bevorzugen das Produkt der Confisierie Hofer, Stalden 17. Die Aufnahmen sind von Chris Iseli. Er hat auf der Folgeseite auch die Schauspielerin Dorothée Müggler (mit Katze) weitwinkelmässig in ihrer Wohnküche aufgenommen.
Beinahe hätten wir das Top-Interview in sonntag.ch mit Bruno Ganz vergessen. Die meisten der Fragen und Antworten hatte man irgendwo schon gelesen. Doch die ganzseitige Foto von Nathalie Bissig ist weit gespenstischer als der Auftritt im Film über Adolf Hitler. Bruno Ganz ist kreidebleich. Dann stellt man fest, dass in der Produktion eigentlich nur der Teppich hätte ausgebleicht werden sollen. Auch das Tageslicht der geschliffenen Fensterscheiben hat man nach oben in Weiss gezogen, um den Titel abzusetzen.
sonntag.ch ist an diesem Sonntag nicht der Liebling der Bahnhof-Kioske und der Tankstellen-Shops. Das Werbecover einer Automarke („…die tun was“) hat einen minimalisierten Strichcode, der kaum gefunden und dann an unserem Referenzkiosk der Valora nicht gescannt werden konnte, weil er offensichtlich im Layout reduziert werden musste. „Schmutztitel“ nannten Drucker in der guten alten Zeit die Vortitel.
Unbemerkt von den grossen Blättern ist mit Jahresbeginn eines der populärsten Zootiere nicht mehr. Bully verbrachte mehr als die Hälfte seines Lebens im Ruhestand im Kinderzoo Rapperswil und war eines der beliebtesten Fotosujets. David Klichör widmet dem Koloss im Zürcher Oberländer (Ausgabe vom 9. Januar) einen rührenden Nachruf. Als Klichör seine erste Kamera erhielt, waren die Delfine zu weit weg, spritzten und die Waschbären waren hinter Gitter, und so schoss er seine Tierbilder von Bully, der stoisch auf Knipsdistanz posierte. Wie und mit welcher Dosis der Zootierarzt seinen Bully in den Tierhimmel brachte, bleibt aus Gründen der Pietät nicht erwähnt. (Bildnachweis: Gerry Kuster, Landzeitung)
Der Beitrag von Kilchör erinnert an ein wenig beachtetes Thema in der Fotogeschichte. Das Lebenswerk von Zoo-Fotografen, wie Jürg Klages, dessen eindrückliche Aufnahmen vor allem im Zoo Zürich entstanden, bleibt noch zu entdecken.
Die Szene der grossen Tiere in der People-Presse ist noch nicht aus dem Winterschlaf erwacht. Durchgesickert war, dass die Bilder von Prinz Ernst August von Hannover und einer Badegespielin in Thailand selbst für Ringier zu teuer seien. Im SonntagsBlick beschränkt sich Helmut-Maria Glogger darauf, einen Ausriss aus der Bunten zu rezensieren. Das Bild der verhärmten Prinzessin Caroline lag im Budget offensichtlich noch drin. Die Entscheidung war zweifellos klug, denn man weiss ja nicht, was das Neue Jahr fotografisch bringt und was da noch gebührenmässig aufläuft.
In der Schweizer Illustrierten vom 11.1. folgen die Bilder vom Badespass von Ernst August in Thailand dann doch, sozusagen in Zweitverwertung. Wie ein Insider vermutet, war Zurückhaltung angesagt, um die Reaktionen des streitbaren Prinzen und seiner Entourage in der internationalen People-Presse abzuwarten. Um sich mit Ernst August juristisch anzulegen, ist selbst Ringier zu klein.
Die sueddeutsche.de hat sich clever abgeschlichen und bringt einen unanfechtbaren Beitrag zum gleichen Thema unter dem Titel „Die Wasserkur„. Boulevard ist die Hohe Schule für Pressefotografen und Journalist/innen, wenn man sie erlernt hat.