Urs Tillmanns, 28. April 2010, 22:32 Uhr

«Salon du livre» und «artbygenève»: Der Besuch in Genf lohnt sich

Wer Bücher und Kunst liebt, der sollte den diesjährigen «Salon du livre et de la presse» sowie die gleichzeitig stattfindende Kunstausstellung «artbygenève» nicht verpassen. Die beiden Messen in den Palexpo-Hallen beim Genfer Flughafen sind noch bis und mit Sonntag geöffnet.

Und gleich kommt zu Gesagtem auch eine Einschränkung: Viele Neuerscheinungen über Fotografie gab es dieses Jahr nicht zu entdecken. Bildbände sind deutlich weniger geworden, technische Bücher der grossen französischen Verlagen sind so gut wie nicht präsent, und die Schweizer Verlagsszene, die noch Fotobücher verlegt, ist in den letzten Jahren deutlich geschrumpft. Sucht man beispielsweise den deutschschweizer Fotoverlag Benteli + Niggli, so findet man den Namen in einem 80 cm-Regal eines grossen Gemeinschaftsstandes mit einem völlig unrepräsentativen Sortiment von einem knappen Dutzend Titeln – nicht einmal die Neuesten. Deswegen müssen Sie sicher nicht nach Genf reisen …

Sind Sie jedoch ohnehin vom Büchervirus besessen oder fliesst bibliophiles Blut in Ihren Adern – dann nichts wie hin. Sie werden Tausende von interessantesten Büchern finden, Originelles, Schönes, Teures … man hat den Eindruck, als bäumten sich die Verlage mächtig vor der drohenden Konkurrenz elektronischer Lesegeräte auf – die Übrigens gleich im Eingangsbereich am Fnac-Stand zu einem Messe-Sonderpreis angeboten werden. Verkauft werden übrigens auch die Bücher an den Ständen, allerdings zu den regulären Buchhandelspreisen.

Grosses Interesse für die neuen elektronischen Lesegeräte, die es zum Messepreis günstiger gibt. Damit können übrigens auch pdf- und Bilddateien betrachtet werden.

Das diesjährige Gastland ist Schweden, dessen Stand grossformatige Porträts schwedischer Persönlichkeiten zeigt – darunter auch ein Porträt von Lennard Nielsen. Präsentiert werden am Schwedenstand vor allem Kriminalromane

Am Stand der «Edition la Sarine» haben wir den Ende letzten Jahres erschienene Bildband von Marcel Imsand «Histoire d’une Image» entdeckt, der nicht nur bezüglich der Bildauswahl überzeugt, sondern auch, was die Gestaltung anbelangt. Ebenso einfühlsam wie die Bilder ist auch der Text von Jean-Bernard Repond.

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Wer Freude an historischen Aufnahmen hat, sollte sich den Bildband «L’Oeil du Léon» aus dem Verlag Presses du Belvedere zulegen, der das Schaffen von Léon Martelet von 1900 bis 1956 dokumentiert und eine zeitgeschichtlich wertvolle Zusammenfassung eines Archives von über 20‘000 Bildern darstellt.

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Ein Stopper im gleichen Verlag ist das Buch von Nicolas Gascard «Au coeur des orages», keine Neuerscheinung, aber ein Buch, das voll von phänomenalen Gewitterstimmungen und Blitzaufnahmen ist. Nicolas Gascard verfolgt seit Jahren alle Gewitter mit seiner Kamera und zeigt in seinem Buch fantastische Blitzformen, die ihresgleichen suchen.

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Ein weiteres, vor allem für Pressefotografen wichtiges Buch, ist «Zalmai – pour la liberté de la presse». Der Afghane Zalmai hat während mehr als 20 Jahren die wichtigsten Kriegsgeschehen dokumentiert und setzt sich mit diesem Buch für die Pressefreiheit ein. Es ist ein Werk das einmal zu den fotogeschichtlichen Meilensteinen gehören könnte.

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Eines der – im wahrsten Sinne des Wortes – schwergewichtigsten Bücher, ist das Repräsentativwerk über das Schaffen von Annie Leibowitz «A Photographers Life 1990 – 2005». Das Paperback mit 472 Seiten bringt über sieben Pfund auf die Waage und verblüfft, nicht nur was die Bildauswahl betrifft, sondern es ist das umfassendste Buchwerk über die aussergewöhnliche amerikanische Fotografin. Ein absolutes Must-have für alle Leibowitz-Fans.

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Und da wir gerade bei dem Schwergewichtlern sind, darf auch das der Wälzer «The Alps – A Bird’s-Eye View» von Matevz Levarčič nicht übersehen werden. Aber hier geht es nicht um die fünf Kilo, die dieses Buch wiegt, sondern über eine wohl einmalige Sammlung von Luftaufnahmen von Monaco bis Wien. Nicht nur die Bilder faszinieren, sondern auch die ausführlichen Information zu Geologie, Geografie, Tourismus, Klimawandel, Umwelt und die Bergbewohner.

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Zum Schluss noch eine Rosine, die vom Musée Elysee in Lausanne kommt und mindestens in der Deutschschweiz zu wenig bekannt ist. Das Buch «Controverses – une histoire juridique et étique de la photographie» von Daniel Girardin und Christian Pirker der genannten Institution, beleuchtet die Hintergründe von fotohistorisch wichtigen Bildern aus rechtlicher und ethischer Sicht. Ein völlig neuer Aspekt der Fotogeschichte, der aufs Büchergestell aller Fotogeschichte-Interessierter gehört – sofern diese der französischen Sprache mächtig sind.

Eine spezielle Bücherinsel ist Fotobüchern gewidmet …

… unmittelbar daneben: die Fotoausstellung «Le théâtre du crime» des Polizeifotografen Rodolphe A. Reiss, welche zuvor in Winterthur und im Musée Elysée war

Der französischen Sprache mächtig sollte man übrigens auch sein, wenn man den Büchersalon besucht, denn bilingue ist dieser nicht gerade, und deutsche oder deutschschweizerische Verlage fehlen leider gänzlich. Und da dieser Salon der wichtigste und grösste seiner Art in der Schweiz ist, ist es schade, dass sich auf dieser Plattform die entsprechenden Verlage nicht stärker engagieren. Schliesslich begehen in den fünf Tagen immerhin rund 100‘000 Besucher die Palexpo-Hallen, was ein enormes Käuferpotential mit sich bringt.

Übrigens, am Eröffnungstag war der Eintritt kostenlos – und dementsprechend gerne von Schulklassen heimgesucht. An den übrigen Tagen kostet der Eintritt zwölf Franken (Billets können übers Internet gebucht und ausgedruckt werden). Die interessantesten Tage dürften kommenden Freitag und Samstag sein, weil dann an vielen Ständen die Autoren anwesend sind und ihre Bücher signieren.

Weitere Informationen finden Sie hier und die Detailinfos für Besucher. Eintrittskarten kann man hier  bestellen.


artbygenève – Kunstmesse mit Format

Gleichzeitig und mit gleicher Eintrittskarte zu besuchen, ist die Kunstmesse ArtbyGenève im Obergeschoss der gleichen Halle. Diese Kunstmesse deckt so ziemlich alle Bereiche der bildenden Künste ab, die man sich vorstellen kann: Malerei aller Stilrichtungen, Grafik, Skulpturen und Plastiken – und auch Fotografie ist omnipräsent. Wenn man am Büchersalon vielleicht bezüglich Fotobüchern nicht ganz auf seine Rechnung kam, so wird hier der Fotohunger mit viel Kreativem und Originellem gestillt.

An der artbygenève ist die Fotografie als Kunstmedium omnipräsent. Hier der Stand von Laurence Leblanc

Régis Colombo auf seinem Stand an der artbygenève

Ein wahrscheinlich für viele Fotointern-LeserInnen bekannter Name ist Régis Colombo. Der Lausanner Fotograf ist zugleich Präsident des Berufsfotografenverbandes USPP und zeigt an der artbygenève seine Erfolgsserie «Transparencies». Es handelt sich dabei um Montagen, die aus unzähligen Aufnahmen entstanden sind – pro Bild zwischen 30 und 100 – die subtil ausgewählt, bearbeitet, verfremdet und schliesslich zu buntfarben-leuchtenden Kompositionen arrangiert wurden. Hier ist nichts dem Zufall überlassen. Jedes Detail ist exakt für seinen Platz nach streng grafischen Gesichtspunkten ausgewählt, was schliesslich ein beeindruckendes Ganzes ergibt, an dem man sich kaum stattsehen kann.

Zwei Montagen von Régis Colombo. Sie sind im Original je 1 Quadratmeter gross und bestehen aus unzähligen Bildelementen.

Aber Régis Colombo ist noch in anderer Mission hier: Als Präsident der USPP ist er auch am Gemeinschaftsstand seiner Kollegen anwesend und weist dabei die Besucher auf eine Ausstellungswand hin, auf welcher die Project’Image 2010 beworben wird. Dies ist ein neues Bilderfestival, das sich vom 24. bis 28. November in Chêne-Bourg bei Genf an alle richtet, die an Bilder interessiert sind.

Weitere Informationen zur artbygenève gibt es hier.

Urs Tillmanns

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