Urs Tillmanns, 6. Mai 2010, 20:26 Uhr

Die Gewinner des 14. vfg Nachwuchsförderpreises

Heute Abend, Donnerstag 6. Mai 2010, fand in der Photogarage in Zürich-Wiedikon die Ausstellungvernissage und Preisverleihung des 14. vfg Nachwuchsförderpreises statt. Mit Spannung wurde die Nennung der «10 besten Fotografietalente der Schweiz» erwartet. Hier sind die Namen und ihre Bilder.

Fördern heisst auch fordern. Herausfordern, um präzis zu sein. Denn wenn Auszeichnungen dazu führen, den Ehrgeiz anzustacheln, um das gewisse Quentchen Können mehr heraus zu kitzeln, hat sich alles gelohnt. Der Unterschied von gewohnt zu überraschend, von oft gesehen zu sehenswert oder von der technischen Perfektion der Fotokunst zum künstlerischen Umgang mit der Fototechnik ist offensichtlich. Auch der 14. Jahrgang des vfg Nachwuchsförderpreises zeigt Bild für Bild, dass in der Schweiz eine Vielzahl von ausgezeichneten Talenten mit viel Zukunftspotential am Werk ist.

Das sind die Gewinner:

1. Preis: Michael Fent / Ohne Titel

Das sind fünf fotografierte Passfotos von Flüchtlingen aus Nordirak (Kurdistan). Ich habe sie an einem Strand in Süditalien gefunden – einen Tag, nachdem dort ein Boot mit 97 Männern und einer Frau angekommen war. Das war im Jahr 2003 während des Irakkrieges. Die Ankunft dieser Menschen am einsamen Strand war ein eindrückliches Ereignis für mich. In dieser Arbeit geht es aber weder um die Darstellung eines persönlichen Erlebnisses noch um eine politische oder soziale Botschaft. Es geht um den Fund dieser kleinen Bildchen, zerfressen vom Meerwasser und zerrissen von den Betroffenen. Dank der Fotografie ist es möglich, gleichzeitig die Oberflächenstruktur des Passfotos und das dahinterstehende Portrait zu sehen. Ich weiss nichts über diese Personen: nicht wie sie heissen, nicht was sie erlebt haben, nicht was diese Nummern auf den Pullovern bedeuten. Was ist aus diesen Menschen geworden? Diese Bilder sind voll von sichtbaren Reizen (Nummern, Verfärbungen, Rissen etc.), die Fragen aufwerfen, welche aber niemand beantworten kann. Dieses Spannungsfeld fasziniert mich. Je weniger Informationen, desto mehr Fragen. Je weniger der Betrachter weiss, desto freier kann seine Fantasie walten und desto verlorener ist er darin. Darum hat diese Arbeit keinen Titel. So bleibt schliesslich nur die Struktur und Materialität der Bilder. Die Arbeit entstand 2009 mit einer Grossformatkamera.

Michael Fent *1987 lebt in Lausanne und Hosenruck (TG). Nach einer zweijährigen technischen Ausbildung am CEPV (Centre d’enseignement professionel de Vevey; Formation supérieure en photographie) in Vevey, studiert er seit 2009 Fotografie an der ECAL (Ecole cantonale d’art Lausanne).

2. Preis: Thomas Rousset

Im Schosse der ländlichen Welt nehmen Raum und Zeit eine einzigartige Dimension an; Dinge und Menschen scheinen anachronistisch, wie fiktive Kulissen aus vergessenen Geschichtsbüchern. Meine Fotos zeichnen den Schauplatz dieses ländlichen Lebens, an dem die Routine und das Fremde aufeinandertreffen und dadurch unwahrscheinliche, oft absurde und überladene Situationen darstellen. Die Klischees und die Archetypen sind hier Konzepte, derer ich mich soweit bediene, bis gänzlich erfundene Räume entstehen. Auf dem Land sind die Tiere Hauptakteure der täglichen Rituale; in meinen Bildern spielen sie ebendiese wesentliche Rolle. Dasselbe gilt für die Gegenstände, die sich im Verlauf der Zeit ansammeln und von denen man sich nie trennt, in der Angst, man könnte sie irgendwann mal wieder brauchen. An der Grenze zwischen dokumentarisch und fiktiv spielend, weckt meine Arbeit einen grundsätzlichen Zweifel und drängt den Betrachter dazu, seine Überzeugungen und seinen Glauben in Bezug auf das Landleben zu hinterfragen.

Thomas Rousset *1984 stammt ursprünglich aus Grenoble (Frankreich), lebt und arbeitet heute aber in Lausanne, wo er auch studiert hat. Im 2009 schloss er seinen Bachelor in visueller Kommunikation und Fotografie an der ECAL (Ecole cantonale d’art de Lausanne) ab.

3. Preis: Elise Guillod

Diese Arbeit ist eine Art Rückkehr zu den Wurzeln. Von meiner Kindheit bleibt mir dieser Eindruck der Kommunikation mit der Natur, am Flussufer sitzend, ein idealer Zufluchtsort. Die menschliche Figur und diese Natur werden konfrontiert in einem Dialog zwischen dem Körper und den Elementen. Wie eine Matrix dient die Vegetation hier als Kulisse für die Entfaltung der Figuren. Für meine Fotografien habe ich Personen gewählt, die mir sehr nahe stehen. Jedes Bild ist das Resultat eines besonderen Moments, mitunter eines schmerzvollen. In meinem Versuch lebt die Idee einer wiedergefundenen Freiheit, einer zeitlosen Existenz. Ich habe sozusagen meine persönliche Mythologie neu erschaffen.

Elise Guillod *1981 lebt und arbeitet in Lausanne. Nach dem Studium (Kunstgeschichte, Literatur und Filmwissenschaft) besuchte sie die ECAL (Ecole cantonale d’art de Lausanne, Lehrgang Fotografie), die sie vor kurzem mit Diplom abgeschlossen hat.

4. Preis: Simon Tanner / Euskadi Ta Askatasuna

Gegenstand der Reportage sind Orte, an welchen Gewalt durch die ETA (Euskadi Ta Askatasuna, dt.: Baskenland und Freiheit) ausgeübt wurde. Das Thema ist nicht nur die räumliche und atmosphärische Erscheinung des ETA-Terrors. Vielmehr soll nach der gesellschaftlichen Dimension und öffentlichen Wahrnehmung dieser Handlungen gefragt werden. Welche Bedeutung haben diese Orte in der kollektiven Erinnerung? Gibt es die Erinnerung an diesen Schrecken nur im Kopf? Oder ist nicht doch etwas haften geblieben an diesen Orten? Die Serie leistet eine ungewohnte Darstellung des baskischen Konflikts, indem in Bildern der Gegenwart nach den Spuren der Vergangenheit gesucht wird.

Simon Tanner *1983 studierte 2003 bis 2009 Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Bern. Er lebt und arbeitet als Fotograf in Bern.

Elena Brotschi / Grünflächen

Wenig erschlossen, durch aktive Vulkane und harsche Wetterbedingungen unberechenbar, wirbt Island mit einer nahezu unberührten Natur. Durch Wege und Treppen zugänglich gemacht und geschützt, zeugen die Landschaften aber auch von dem geänderten, romantisierten Naturverständnis der wohlhabenden Welt, in dem die einst unbändige Natur schwach geworden ist und gepflegt werden muss.

Elena Brotschi *1984 hat an der ZHdK und der HFF Göteborg Fotografie studiert und lebt in Zürich.

Antoine Bruy

Jeder, der in seinem Land gemäss den vom internationalen Staatsrecht anerkannten Kriterien bedroht oder verfolgt wird, kann in der Schweiz Asyl beantragen. Was geschieht mit diesen Menschen zwischen ihrer Ankunft und dem Abschluss des administrativen Verfahrens? Generell nimmt die Langeweile überhand und oft werden die Betroffenen depressiv. Meine Arbeit konzentriert sich auf die Prozesse, die diese Personen zu Lasten der Identität, die sie in ihrem Herkunftsland ausmachte, durchleben, und hinterfragt die institutionellen Räume, in denen diese Migranten ihr Leben neu aufbauen müssen. Hierfür suche ich metaphorische Bilder, die auch die Grenzen zwischen dokumentarisch und fiktiv in Frage stellen.

Antoine Bruy *1986 Nach seinem Studium in Brüssel an der Ecole Nationale Supérieure des Arts Visuels bei La Cambre lebt Antoine Bruy in Vevey und studiert dort am CEPV (Centre d’enseignement professionel de Vevey; Formation supérieure en photographie).

Line Chollet / Et Disney créa la ville

In der Nähe von Paris entsteht eine neue Stadt. Rund um das Disneyland Resort baut der multinationale Konzern einen neo-urbanen Raum, der charmant und gesellig sein soll, ganz nach der Disney-Ideologie. Als Eigentümer von 70% des Gebietes baut er die erste «privatisierte» Stadt dieser Grössenordnung in Frankreich. Dem Versprechen nach einem einzigartigen Lebensraum folgend, wohnen hier 24’000 Menschen auf der Suche nach Sicherheit, einem gewissen gesellschaftlichen Niveau und Freizeitvergnügen gleich um die Ecke. Ich wollte verstehen, wie der Konzern der Träume eine Stadt aufbaut. Ich bin durch die Strassen gegangen, die viel zu oft menschenleer waren. Nach dem Enthusiasmus überkam mich das Gefühl, dass hier eine Verschiebungder Realitäten stattgefunden hat. Alles ist schön, farbig, aber traurig und gleichförmig.

Line Chollet *1984 Nach ihrem Studium in Genf (Bachelor in visueller Kommunikation 2009 an der Haute Ecole d’Art et Design), Lausanne und im Wallis, lebt Line Chollet zurzeit in Lausanne.

Shannon Guerrico / Whispers

In meiner fotografischen Arbeit geht es um das Menschliche, das gelegentlich abhanden kommt, um in anderer Form wieder aufzutauchen, aber trotzdem allgegenwärtig bleibt. Die Herausforderung liegt also darin, Zusammenhänge zwischen einer Empfindung und einem visuellen Raum herzustellen, zwischen dem Imaginären und den wahrgenommenen Bildern. Die Serie «Whispers» bewegt sich auf eine poetische Art zwischen fiktiv und dokumentarisch. Momente der Intimität sind wie Wortfragmente einer zerfahrenen Geschichte, die dem Betrachter erlauben, seine eigene Erzählung zu kreieren. Die dumpfen Farben drücken eine gewisse Ruhe in einer gedämpften Atmosphäre aus, eine einhüllende Stille, die Raum lässt für die eigene Vorstellungskraft und eigene Träume.

Shannon Guerrico *1983 lebt und arbeitet in Lausanne. Nach dem Studium in Genf (Bachelor in Medien und Kommunikationswissenschaft) studiert sie derzeit am CEPV (Centre d’enseignement professionel de Vevey; Formation supérieure en photographie) in Vevey.

Geraldine Haas / The Bold and the Beautiful

Es ist die Ambivalenz, die mich fasziniert, wenn stereotype Rollen, in denen wir posieren, aufbrechen und der Blick freigelegt wird auf die mit der Überhöhung einhergehenden Abgründe, in denen wir die Sehnsucht unserer Gesellschaft nach makelloser Schönheit und ewiger Jugend wiederfinden. Ich bin Teil der Bilder, da ich unter den Schönen und Reichen lebe, doch handelt es sich hier nicht um Selbstportraits. Mein Blick spiegelt die Lust der Gesellschaft an bildlicher Selbstdarstellung. In diesem Sinne ist die geschönte Ästhetik meiner Fotografie Mittel, um meiner eigenen Ambivalenz zwischen Selbstbild und Selbstfindung Ausdruck zu verleihen.

Geraldine Haas *1984, Fotografin, geboren in Zürich, wo sie auch lebt und arbeitet. Sie studierte Kunst an der University of the Arts, London, und absolvierte 2009 ihr Fotografie-Studium an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).

Peter Hauser / Hey baby!

Als sie es mir am Telefon sagte und ich sie fragte, ob sie sicher sei und sie darauf ein klares «ja» von sich gab, musste ich als erstes, mit leicht zittrigen Fingern, eine rauchen. Und dann rauchte ich eine zweite. Die Gedanken schossen mir durch den Kopf wie eine Horde rasender Wildpferde. Naja, warum eigentlich nicht? Sie ist die Frau, die ich liebe, sagte ich mir. Schon bald nach Eintreffen dieser doch recht freudigen Nachricht, die sich im ersten Moment so anfühlt, als würde einem ein Kübel mit eisig kaltem Wasser direkt ins Gesicht gedonnert, beruhigten sich meine leicht zittrigen Hände und man hätte beobachten können, wie sich meine Mundwinkel leicht nach oben verzogen. Und wozu Panik? Schliesslich würde man noch knappe 9 Monate Vorsprung herauslaufen können, ehe das kleine Ding die Bühne betreten würde. 40 Wochen sind fast 52, nicht wahr? Doch schon bald, bald merkte ich, dass der erste Akt bereits angefangen hatte, noch bevor ich mich richtig hinsetzen wollte, in einem Stück über Liebe und Hoffnung, Verzweiflung und Freude, Ungewissheit und Zuversicht. In der Hauptrolle spielte von nun an der Körper, in welchem eine kleine Bohne zu menschlichem Leben heranwuchs, der Mama Flausen in den Kopf setzte und die Kleider schrumpfen liess. Und diese Bohne wollte gut behandelt sein, und so bemühte man sich wo es ging, das Ding schön gedeihen zu lassen. Man kochte gesund, liess Entspannungsbäder ein oder holte den anderen wieder auf den Boden zurück, wenn dieser grad am Abheben war. Es war eine Zeit, in der man seinen Partner, sich selbst und das Leben neu entdeckte. Und plötzlich machte alles Sinn.

Peter Hauser *1981, geboren in Glarus, besuchte den Vorkurs an der HGK Luzern und absolvierte ein Schuljahr an der Königlichen Akademie der bildenden Künste in Den Haag/NL, bevor er nach Zürich übersiedelte und 2010 den Bachelor in Medien und Kunst an der ZHdK geschenkt bekam.

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Und das sind die Gewinne:

  • 1. Preis: Keystone BarPreis 5000.- CHF
  • 2. Preis: Elinchrom Mobilblitz PROFOT
  • 3. Preis: Canon EOS 7D
  • 4. Preis: Sinar Fach Kamera
  • und der vfg Spezialpreis, sponsored by FOBA

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Die Ausstellung:

Zürich / Photogarage / Werdstrasse 128

Muttenz / Kunsthaus Baselland /b St.Jakob-Strasse 170

Genève / Centre de la Photographie / 10, rue des Vieux-Grenadiers

Die Daten der Ausstellungen werden auf www.fotoagenda.ch und auf www.vfgonline.ch publiziert.

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Über den vfg Nachwuchsförderpreis:

Der vfg Nachwuchsförderpreis ist ein Wettbewerb für junge, in der Schweiz lebende, Fotografinnen und Fotografen und wird seit 1995 jährlich ausgeschrieben. Wir sehen uns als Sprungbrett und Starthilfe für talentierte NachwuchsfotografInnen, fördern direkt durch unsere Ausstellungen, Broschüren und Preise sowie die damit einhergehende Öffentlichkeit.

Teilnahmeberechtigt ist jeder bis zum 39. Lebensjahr und/oder maximal 3 Jahre als Fotograf tätig. Bei uns zählt nicht die Ausbildung, sondern das Talent, auch Autodidakten sind herzlich willkommen! Die Ausschreibung ist unter www.vfgonline.ch ab November abrufbar, Einsendeschluss ist jeweils Ende Januar. Die Vernissage mit Preisvergabe in Zürich findet im Frühsommer statt, es folgen weitere Ausstellungen schweizweit über das ganze Jahr verteilt.

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