David Meili, 18. Juni 2010, 09:54 Uhr

art|41|Basel: Mehr als nur für ein regnerisches Wochenende

Noch vor wenigen Jahren war es strikt verboten, an der Art Basel zu fotografieren, resp. Bilder zu machen. Es gab, nach der streng kontrollierten Pressebesichtigung ausschliesslich für die Publikation zugelassene Bilder. In der aktuellen Ausgabe der Messe klickt jeder zweite Besucher mit dem iPhone durch die Hallen. So viel Kreativität gab es in Basel noch nie.

Es gibt sehr gute Gründe, die  Art|41|Basel auch ohne Kamera zu besuchen. Die vermutlich grösste Kunstmesse der Welt ist in drei Bereiche gegliedert. Im alten Messegebäude mit dem Bratwurst-Stand im Innenhof finden sich die klassischen Galerien. Die grosse Halle ist mit Art Unlimited kuratiert, und weiter hinten findet sich eine Design-Messe mit einigen Perlen und doch eher sehr viel Kitsch. Das ganze Programm lässt sich nicht in einem halben Tag absolvieren, doch nach mehr als sechs Stunden ist die Bilderwelt im Kopf gefüllt. (Copyright: Bruce Silverstein/New York. Aufnahme Martin E. Newman)

Nostalgie kommt auf. In früheren Jahren gab es Galerien, die sich auf Fotografie spezialisierten und sie besonders pflegten.  Jede bedeutende Galerie hat heute Fotografie in ihrem Programm. Doch nach Aussage der Galerist/innen hat sich der Markt für klassische Fotografie weitgehend auf Auktionen verlagert. Die sozusagen in Echtzeit verfügbaren Preise der Auktionshäuser (auf dem iPhone abfragbar) führen zu Transparenz.

Während kaum eine Galerie die früher begehrten und oft überschätzten amerikanischen Klassiker der Fotografie ausstellt, halten sich Meisterwerke der Fotografie des ausgehenden 20. Jahrhunderts gut. Nach Aussage eines Galeristen aus New York ist der Markt für grossformatige Spitzenwerke, die auch von Unternehmen und institutionellen Anlegern erworben werden, weitgehend ausgetrocknet. Die aktuelle Ausstellung über Thomas Struth im Kunsthaus Zürich steigert den Marktwert von ihm und seinen Zeitgenossen beträchtlich.

Wie bei Malerei und Skulptur wird der Nachweis der Herkunft und die „History“ einer Fotografie zum entscheidenden Kriterium für die Wertsteigerung. Fotografen, wie Thomas Ruff (und vor allem der Galerist) haben frühzeitig erkannt, das die Limitierung und die Rückführbarkeit für den Wert eines Kunstwerks entscheidend sind. Das zahlt sich nun aus.

Intermezzo. Beim Fotografieren der Puppies von Jeff Koons ergab sich spontan das Gespräch mt einem Spezialisten, der zufälig vorbei kam. Die (zu recht) hochbewerteten Puppies in der Ausstellung sind möglicherweise nicht in der Serie der berühmten „6“, sondern wurden von Koons oder seinem Management bei der Produktion in Italien ausgeschieden und sind später in den Kunstmarkt gelangt. Bei Fotografien kann es sich ähnlich verhalten, – man denke an die Lithografien von Dalí.

Letztlich bieten qualifizierte Galerien die Gewähr für eine sichere Investition. Bei Fotografien steht die Schweiz nicht zurück.  Die Galerie Tschudi zeigt Shanghai aus der Perspektive von Balthasar Burkard und verfügt über Bildermappen in Kleinserien, die auf grosses Interesse stossen.

Urs Meile, der früh als Vermittler zur jungen Kunstszene in China Kontakt fand, zeigt in der Messe vor allem Malerei. Der Übergang zur Fotografie ist fliessend. Es gibt interessante Fotografie in China, doch der Galerie fehlt es schlicht an Kapazität, um darauf einzugehen.

So zeigen sich auch die Grenzen der Art als internationale Messe. Man gelangt stets an die Peripherie, des globalen Kunstgeschäfts, der nach wie vor eurozentrischen Polarisiserung. Lateinamerika ist kaum vertreten, Afrika tritt nicht Erscheinung.

Im interessanteren Bereich Art Unlimited dominieren in diesem Jahr weitgehend Video-Projekte. Man geht von Kabäuschen zu Kabäuschen und fragt sich zuweilen, was es bringt. Erfrischend sind, wie stets Installationen mit Performance. Hier kann man die Kamera aus dem Veston ziehen, doch die Ausbeute ist bescheiden.

Unbedingt sehenswert: Die „Laterna Magica“ von Sigmar Polke. Das Werk knüpft an die Frühzeit der Fotografie an, und wann es das nächste Mal der Öffentlichkeit zugänglich sein wird, weiss man nicht. Polke kann nichts dafür, dass er zwei Wochen vor der Art verstorben ist und seine besten Arbeiten umso höher gehandelt werden.

Ein weiterer Grund, um nach Basel zu gehen, ist die Präsenz der Kunstzeitschriften mit eigenen Boxen. Einige Verleger lassen sich durch unbedarfte Studentinnen vertreten, andere sind in Persona präsent oder kommen auf Anfrage an den Stand. Es gibt Neuentdeckungen, und hervorragend gedruckte Publikationen, vor allem aus Spanien. Das einheimische Schaffen sieht blass aus. Die Stärke der Art ist die Ambition, den globalen Markt zu repräsentieren.

Ein Highlight aus dem Bereich Design. In einem weissen Raum hängt eine Lichtskulptur, die nach der Schwarm-Theorie auf Akustik und Thermik regaiert. Ein Fotograf wollte es wissen und sammelte sponatn besucher/innen für ein Gruppenbild in Bewegung. Weder der Künstler noch der Fotograf  hatten gegen den Abend Visitenkarten, würden sich melden. Sollte sich einer der Beiden melden, folgt ein Update.

Unser Fazit: Man muss die Art|41|Basel nicht gesehen haben, doch die vielleicht bedeutendste Kunstmesse vor der Haustür erweitert den Horizont. Man trifft auf interessante Menschen, wenn man auf sie zugeht. Den vom Hatje Cantz Verlag produzierten Katalog soll man auch nach Hause nehmen, man wird dadurch in überschaubaren Dimensionen zum Sammler.

Dann wird man noch gefragt, was man sonst nach Hause nehmen würde? Da gibt es keine Zweifel, den Polar Bear von Hiroshi Sugimoto. Eines der Meisterwerke der Fotografie des zwanzigsten Jahrhunderts ist nun für 450’000 Dollar auf dem Markt. In vier Jahren hat sich der Preis vervierfacht. Da fragt man sich nicht mehr, weshalb bedeutende Galerien (auch) auf Fotografie setzen.

Doch wenn man es bunt mag: Michael Wolf, Architecture of Density (2006). Galerist Bruce Silverstein gab keinen Preis bekannt, denn er weiss, wie Journalisten und wie Kunden auftreten. Doch Wolf verbindet, auch technisch viel besser als Ruff die Matrix im visuellen Erleben von Strukturen. Wie er es technisch macht, erfahren wir vielleicht einmal von ihm selbst. Ich stelle mir mehrere Arbeitsprozesse vor, vom analogen Film über perfekte Scans und unglaublich gute Leute in der Postproduktion.

Art|41|Basel, bis 20. Juni 2010

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